2024-03-18T14:48:53.228Z

Querpass
F: SID
F: SID

Suspekte Suspendierung

oder: Rätselraten um Aubameyang. Manch ein Fan wird beim Champions-League Vorrundenspiel gegen Benfica Lissabon verwundert seine Augen gerieben haben, als er auf der Tribüne völlig unverhofft und überraschend den Stürmer-Star der Borussen, Pierre-Emerick Aubameyang, erblickt hat. Über die Gründe hüllte sich aber die BVB-Führung in eisernes Schweigen und wollte auch nach dem Spiel nur bedingt den Vorhang zur Wahrheit lüften.

Diplomatisch war von „internen Gründen“ zu lesen, der BVB-Trainer deutete fast schon entschuldigend an, dass es sich um eine "disziplinarische Maßnahme" handelte, bei der sie „keine andere Wahl" gehabt hatten und bekräftigte zur Unterstreichung seines geradlinigen (Führungs)Stils: „Wenn konsequent, dann konsequent.“ Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke wollte aber wohl die in Mitleidenschaft gezogene Borussen-Seele nicht allzu lang quälen bzw. im Ungewissen schmoren lassen und kommentierte diesen Vorfall mit der beruhigenden Aussicht: „Am Wochenende gegen den HSV steht er wieder im Kader!“

So kam es dann auch: Am nächsten Morgen drehte der Ex-Suspendant in gewohnt lockerer Manier am Morgen danach seine Trainingsrunden und scherzte mit den Dortmunder Teamkollegen, als ob nichts gewesen sei. Der gesamte Trainerstab plus sportliche Führung schien um Normalität bemüht zu sein. Thomas Tuchels souveräne Einschätzung vor dem Ligakracher: „Aubameyang schüttelt das ab!“ mit Verweis auf das ganz große Vertrauensverhältnis, was zwischen ihm und dem wahnsinnig schnellfüßigen Exzentriker bestehe, sollte sich als richtig herausstellen. Mit vier Toren schoss er den Fußballdino fast im Alleingang ab und alle aufgekommenen Zweifel weg. Einmal mehr unterstrich er so seinen herausragenden Wert für den BVB.

Doch wozu und warum dann dieses ganze Theater um eine Maßnahme, die laut Tuchel „kein Warnschuss und keine Maßnahme“ gewesen sei, „von der wir uns etwas erhoffen. Es war eine Maßnahme, die mit diesem Spiel beendet ist.

Zunächst zu letzterem, zu dem es natürlich verschiedene Versionen gibt: Der unbedachte oder sagen wir sorglose oder sogar nachlässige Umgang mit den sozialen Netzwerken führte die Internet-Inspektoren des BVBs auf die Fährte. Genau genommen nach Italien, wo Aubameyang wohl verbotenerweise einer Party beigewohnt haben soll. Doch über die Verbindlichkeit dieses Verbots gibt es unterschiedliche Versionen. Einerseits war von einem verletzten Ehrenkodex zu lesen, den sich die Spieler selbst auferlegt hätten. Anlass hierfür waren die wenig überzeugenden Leistungen in der Bundesliga, weshalb man zur Überzeugung gelangte, dass eine Art der Besinnung bzw. Konzentration auf das Wesentliche nur auf heimischen Boden möglich sei. Von Zwang kann aber kaum die Rede sein, weil es ja quasi Freiheitsberaubung entspreche. Aubas selbstbewusste Entscheidung zeigt lediglich, dass er zu dieser Überzeugung nicht gelangt ist. Einem autonomen Individuum und volljährigen Profi zugleich muss man zugestehen, dass er in der Lage ist, eine vernünftige Entscheidung zu treffen, Vielleicht hat er ja diese „dringende Empfehlung“, diesen mehr als „sanften Ratschlag“ für sich abgelehnt, weil er am besten wusste, was gut für ihn war. Schließlich sind wir alles Individuen, die sich unterschiedlich gut vorzubereiten wissen. Eine Suspendierung als sanktionierende Maßnahme auf diese Entscheidung käme in meinen Augen rückwirkend einem krassen Einschnitt in die Privatssphäre gleich. Auf der anderen Seite weiß man aber auch nicht, was in den Verträgen vorher festgesetzt wurde und in welchen Klauseln die Verbindlichkeit solcher Empfehlungen festgeschrieben steht. Schließlich ist immer von mannschaftlichen Interessen die Rede und so kann das stattlich gezahlte Salär auch als fortwährende Entschädigungszahlungen interpretiert werden mit möglichen eingenommenen Einschränkungen der Entfaltung des Persönlichkeitsrechts.

Die zweite Version lässt die Suspendierung schon in einem wesentlich „besseren Licht“ erscheinen: Pierre-Emerick Aubameyang ist zu spät am gemeinsam vereinbarten Treffpunkt erschienen - eine Todsünde, vor allem in einem Land, das großen Wert auf die preußischen Tugenden, Disziplin und Pünktlichkeit, legt. Ein solches Verhalten darf natürlich unter keinen Umständen von einem Legionär geduldet werden, da so etwas eine schlechte Signalwirkung an alle anderen Beteiligten hätte. Gleiches Recht für alle. Oder wie es das Wirtschaftslexikon Gabler in seiner Definition zur Suspendierung niedergeschrieben hat, ist es durch Aubas Verhalten „zu einer Gefährdung der Interessen des Arbeitgebers“ gekommen, welche diese (kurzfristige) „einseitige Dienstenthebung durch den Arbeitgeber ohne Auflösung des Arbeitsverhältnisses“ gerechtfertigt hat. .

Warum aber dann Auba so schnell in Sicherheit gewogen wurde, ist mir dann ein Rätsel und erscheint mir nicht wirklich konsequent, wenn man ein solches Verhalten seitens der Profis vermeiden will. Man hätte ihn wenigstens noch bis zum besagten Spieltag in Unsicherheit wiegen können und bis dahin bei der 2. Mannschaft mittrainieren lassen, um einen nachhaltigeren Lernprozess anzuregen. Kritisch betrachtet könnte man dieses Vorgehen wie folgt beurteilen: dass sich die eintägige Exklusion möglicherweise als wirkungslose Eintagsfliege entpuppt, als leere Demonstrationshülse einer allen Beteiligten klaren Machtverteilung, als minimal schmerzhafte Zwangs-Beurlaubung oder als unerheblichen finanziellen Dämpfer für das prall gefüllte Portemonnaie.

Optimistisch betrachtet könnte man es auch so interpretieren, dass Tuchel selbst von seinem Stürmerstar solche kleinen Mätzchen nicht duldet: dass iese „Gnaden-Losigkeit mehrere Effekte hat: es unterstreicht seinen Sinn für Gerechtigkeit, es verdeutlicht seine Vorstellung, alle Spieler gleich zu behandeln, was gut, richtig und wichtig ist. Denn eine solche Eigenschaft, wenn sie denn flächendeckend eingesetzt wird, führt zu Respekt und Ansehen unter den Profis. Und stärkt auf natürliche und für sein Wesen typisch unaufgeregte Weise seine Autorität.

Aufrufe: 023.11.2016, 15:00 Uhr
Romina BurgheimAutor