2024-04-16T09:15:35.043Z

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Paul Stöckler rettet nicht nur gerne ein Leben, sondern bewahrt die Schepsdorfer Mannschaft auch gerne vor einem Rückstand.Foto: Roggendorf
Paul Stöckler rettet nicht nur gerne ein Leben, sondern bewahrt die Schepsdorfer Mannschaft auch gerne vor einem Rückstand.Foto: Roggendorf

Stöckler hält statt Ball ein Leben im Spiel

Schepsdorfer Torwart hat Stammzellen für einen an Blutkrebs erkrankten Amerikaner gespendet

Ein US-Amerikaner, Mitte 40, ist an Blutkrebs erkrankt - und hat damit jetzt für ein Torwartproblem bei der ersten Fußballmannschaft des SV Eintracht Schepsdorf gesorgt. Denn Ersatzkeeper Paul Stöckler durfte für den aus beruflichen Gründen verhinderten Stammtorwart beim Heimspiel gegen den ASV Altenlingen II nicht zwischen den Pfosten stehen. Nur wenige Tage zuvor hatte er Stammzellen für den Amerikaner gespendet - was mit einem zweiwöchigen Fußballverbot verbunden war.

,,Böse ist Paul deswegen niemand", betont Schepsdorfs Fußballobmann Markus Hofschlag. ,,Die Mannschaft findet es sensationell, das Paul vielleicht Leben rettet, anstatt Fußball zu spielen." In einer solchen Situation werde die schönste Nebensache der Welt wirklich zur absoluten Nebensache.

Das sieht der 19-jährige Stöckler ebenso. Anfang 2013 hat er seine Blutwerte im Rahmen einer Typisierungsaktion an der Hüberts'schen Schule in Hopsten registrieren lassen. Mittlerweile hat Stöckler die Schulbank verlassen und absolviert eine Ausbildung zum Industriekaufmann. ,,An die Typisierung habe ich fast nicht mehr gedacht, als ich Anfang des Jahres Bescheid bekam, das ich als Spender infrage komme."

Eine Stammzellenspende funktioniert nicht von heute auf morgen - ein langer Prozess nimmt im Januar seinen Anfang. Zunächst wird Stöckler bei seinem Hausarzt noch einmal Blut abgenommen und dieses untersucht. ,,Drei Wochen später stand fest, dass ich als Spender tatsächlich geeignet bin." Begleitet habe ihn eine feste Ansprechpartnerin der Deutschen Knochenmarkspenderdatei (DKMS). ,,Bei jedem Kontakt wurde mir die Entscheidung, ob ich nach wie vor zur Spende bereit bin, freigestellt", erklärt Stöckler. Anfangs sei statt einer Stammzellen- auch eine Knochenmarkspende in Betracht gekommen. ,,Bei der Knochenmarkspende wäre unter Narkose Knochenmark aus dem Hüftknochen, und nicht wie viele irrtümlicherweise meinen, aus dem Rückenmark, entnommen worden."

Stöckler hat Stammzellen gespendet. ,,Das ist wie eine Blutabnahme", beschreibt der 19-Jährige den Vorgang. Vier Tage lang vor der Entnahme habe er sich selbst ein die Bildung von Stammzellen anregendes Medikament unter die Bauchdecke spritzen müssen. ,,Das war so wie bei Thrombosespritzen", berichtet Stöckler von seinem Gefühl - obwohl er vor der ersten Spritze etwas länger nachgedacht habe.

Doch wegen dieser Spritzen einen ,,Rückzieher" zu machen ist für ihn nicht infrage gekommen. ,,Der Empfänger meiner Stammzellen wurde wochenlang auf den Empfang der körperfremden Stammzellen vorbereitet, sein Immunsystem heruntergefahren. Zu diesem Zeitpunkt ,Nein' zu sagen hätte den fast sicheren Tod des Mannes bedeutet".

Stöckler werden die Stammzellen schließlich in Köln entnommen. Fünf Stunden dauert der Vorgang, der dem Amerikaner vielleicht viele weitere Lebensjahre schenken wird. ,,Ich habe, während durch eine Kanüle am linken Arm das Blut rausging, durch eine Maschine, welche die Stammzellen herausgefiltert hat, lief, und über eine Kanüle am rechten Arm wieder zugeführt wurde, Filme geschaut", sieht Stöckler die Prozedur im Nachhinein eher entspannt.

Ob er den amerikanischen Spender einmal sehen wird? Stöckler gibt sich zurückhaltend. ,,Erst einmal wird mir die DKMS vier Monate nach der Spende mitteilen, wie es dem Empfänger geht." Ein anonymisierter Kontakt sei über die DKMS möglich. Erst zwei Jahre nach der Stammzellenspende dürften sich Spender und Empfänger, gegenseitiges Einverständnis vorausgesetzt, persönlich kennenlernen. Doch Stöckler möchte im Moment diesen direkten Kontakt eigentlich nicht.

,,Ich werde nicht den ersten Schritt machen. Wer weiß, wie dieser Mensch ist und ob ich ihn damit nicht unter Druck setze", begründet Stöckler seine Zurückhaltung.

Weniger zurückhaltend ist Stöckler, wenn es um eine Registrierung in der Datei der DKMS geht. ,,Es gibt viel zu wenig Leute, die registriert sind." Dabei sei dies recht einfach. Mittlerweile reiche ein Wangenabstrich mit einem Wattestäbchen. Ein entsprechender Test sei im Internet bei der DKSM anforderbar. Einen hat Stöckler, dem selbst zur Typisierung noch Blut abgenommen wurde, für seine Freundin angefordert. Die Vereinskameraden aus Schepsdorf dürften folgen.

Denn nicht nur für den an Blutkrebs erkrankten Amerikaner könnte alles ein gutes Ende nehmen, sondern auch für die Erste Mannschaft der Schepsdorfer Eintracht. Mit dem reaktivierten Dirk Senft im Tor hat das Team an dem Tag, als Stöckler noch nicht Fußball spielen durfte, gegen Altenlingen II mit 3:2 gewonnen. Ob die Schepsdorfer damit ihre Chance auf den Kreisligaaufstieg wahrnehmen können, wird in knapp einem Monat entschieden sein. Ob das Leben des Amerikaners, der die Stammzellen von Stöckler empfangen hat, gerettet ist, wird dagegen erst später feststehen...

Aufrufe: 024.4.2014, 08:05 Uhr
Wilfried RoggendorfAutor