2024-04-25T08:06:26.759Z

Allgemeines
Nachdem Hansi Flick (links) Details über seine Arbeit als Co-Trainer der A-Nationalmannschaft und DFB-Sportdirektor am Montagabend verraten hatte, posierte er auf der Bühne des großen Firmensaals für ein Foto mit den Oberligafußballern des SSV Reutlingen.
Nachdem Hansi Flick (links) Details über seine Arbeit als Co-Trainer der A-Nationalmannschaft und DFB-Sportdirektor am Montagabend verraten hatte, posierte er auf der Bühne des großen Firmensaals für ein Foto mit den Oberligafußballern des SSV Reutlingen.
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Weltmeister-Interna für 500 Zuhörer

Oberliga: Weltmeister Hansi Flick Gast des SSV Reutlingen

Hansi Flick plaudert in Reutlingen aus dem Nähkästchen der Nationalmannschaft, betont seine Wertschätzung für Joachim Löw und lobt die Nachwuchsarbeit des SSV Reutlingen.

Ein Foto hier, ein Autogramm da und zwischendurch gerade noch Zeit für ein belegtes Brötchen. Dass der darin eingeklemmte Fleischkäse mittlerweile kalt geworden war, weil Hans-Dieter (genannt Hansi) Flick nach rund 40-minütigem Interview auf der Bühne vor knapp 500 Zuschauern im großen Saal von Heinrich Schmid in der Reutlinger Siemensstraße von fünf Journalisten noch gesondert befragt wurde, nahm der ehemalige Sportdirektor und Co-Trainer des DFB gelassen hin. Bei der montagabendlichen Sonderveranstaltung, zu der das große Malerunternehmen und die DVAG Vermögensberatung zusammen mit dem SSV Reutlingen Fußball eingeladen hatten, ließen sich viele bekannte Gesichter als Zuhörer blicken, beispielsweise die aktuellen Oberligakicker des SSV Reutlingen, viele Vereinsvertreter aus den umliegenden Klubs und Führungskräfte aus Wirtschaftsbetrieben.

Der bekannte Gast präsentierte sich jederzeit offen und sympathisch im Umgang mit den Fans, eloquent und fachlich bewandert bei allen Fragen rund um die deutsche Fußballnationalmannschaft und den Deutschen Fußballbund (DFB), bei dem Flick von 2006 bis 2014 als Assistenztrainer von Joachim Löw und direkt anschließend bis Januar diesen Jahres als Sportdirektor tätig gewesen war. Dass er den Fünfjahresvertrag, der bis zum August 2019 hätte laufen sollen, vorzeitig auflöste, passt eigentlich nicht zu dem Mann, der als 18-jähriger Mittelfeld-Youngster des damals drittklassigen Oberligisten SV Sandhausen ein Angebot des VfB Stuttgart ausschlug, um ein Jahr später beim FC Bayern München zu unterschreiben. Flicks Nachfolger im Sandhäuser Mittelfeld wurde 1985 übrigens Markus Löw (absolvierte zuvor 37 Zweitligaspiele für den SC Freiburg), Bruder von Joachim Löw. „Ich kann mich noch daran erinnern, mit dem SV Sandhausen im Reutlinger Kreuzeichestadion gespielt zu haben“, meinte Flick, der zwischen 1986 und 1990 vier Mal Deutscher Meister mit den Bayern als fleißiger, defensiv orientierter Mittelfeldspieler (104 Einsätze, fünf Tore im FCB-Trikot) wurde. 1987 erlebte er als Aktiver seine wohl größte Enttäuschung, als er im Finale des Europapokals der Landesmeister (heutige Champions League) in Wien als Favorit mit den Münchnern vollkommen unnötig mit 1:2 gegen den FC Porto verlor. Den legendären Hackentrick des Algeriers Rabah Madjer zum 1:1 (77. Minute) und das Siegtor der Nordportugiesen durch Juary (80.) hatte Hansi Flick noch auf der Bank miterlebt, zwei Minuten nach dem letztlichen K.o.-Schlag wurde er eingewechselt, ohne das Unheil noch abwenden zu können. Auch Duelle mit Superstar Diego Maradona und dem SSC Neapel im Halbfinale des UEFA-Pokals 1989 stehen in der Spielervita des Badeners, der als Trainer und Funktionär im Grunde noch bekannter wurde, als er es während seiner erfolgreichen Spielerzeit schon war.

Doch warum eigentlich verließ Flick vor zweieinhalb Monaten den DFB? Den in Reutlingen anwesenden Journalisten hat er es mit leiser Stimme konkret verraten, dabei aber gleichzeitig unmissverständlich darum gebeten, die Details nicht breitzutreten. Klar ist, dass man nicht falsch liegt, wenn man die Gründe im persönlichen Bereich vermutet, wobei Flick bis zuletzt betonte, wie viel Spaß ihm die Zusammenarbeit mit den verschiedenen Auswahltrainern beim DFB gemacht habe.

Nicht nur von Joachim Löw, seinem engen jahrelangen Vertrauten auf der Trainerbank der A-Nationalmannschaft, hält Flick große Stücke. „Jogi schenkt den Spielern das notwendige Vertrauen, kann sie mit seiner einfühlsamen Art unheimlich motivieren. Aber auch Horst Hrubesch leistete tolle Arbeit und profitierte davon, dass er die Sprache der Spieler spricht“, lobt Flick den aktuellen Bundestrainer der A-Nationalmannschaft und seinen Nachfolger als DFB-Sportdirektor, der letzten Sommer bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro noch die Silbermedaille als Coach der Olympiaauswahl im Maracana-Stadion geholt hatte.

Neben vielen Anekdoten über die Zeit als Co-Trainer des Nationalteams und Hintergründe über seine Arbeit als Trainer und Sportdirektor, in welcher Flick viele neue Ideen und nachhaltige Konzepte entwickelte, verriet der in Bammental bei Heidelberg wohnhafte ehemalige U-18-Nationalspieler, dass er zwar seine neue Freizeit als Privatmensch genieße, aber immer noch genau auf alle Bereiche des Fußballs draufschaue. „Es kann nicht sein, dass der Meister nicht direkt aufsteigt“, lautete etwa sein Statement zur Fußball-Regionalliga, welche der seit 2010 in der Oberliga angesiedelte SSV Reutlingen Fußball in den nächsten Jahren anpeilen möchte. Zu Joachim Löw pflegt Flick immer noch gute Kontakte und auch „seine“ ehemaligen Nationalspieler besucht der Badener als fußballerischer Ruheständler weiterhin. „Ich war am Wochenende in London und habe mir die zwei Premier-League-Partien Chelsea gegen Crystal Palace (1:2) am Samstag und Arsenal gegen Manchester City (2:2) am Sonntag angeschaut. Hinterher traf ich mich mit Arsenals Abwehrrecke Per Mertesacker zum Essen. Per kennt gute Restaurants in London, die gleichzeitig bezahlbar sind. Es war angenehm und interessant, mit ihm zu plaudern. Er war mit seiner Art als großartiger Teamplayer und seiner Persönlichkeit auch ein ganz wichtiger Faktor für eine gute Stimmung in unserer Nationalmannschaft in Brasilien, was für den Gewinn des WM-Titels so enorm hilfreich war.“

Von London nach Reutlingen war es für Flick gedanklich ein Katzensprung. „Ich habe viel Respekt für die Nachwuchsarbeit beim SSV Reutlingen, der natürlich als Traditionsverein immer einem gewissen Erwartungsdruck standhalten muss. Die Reutlinger haben rund 200 Jugendspieler in ihrem Verein, verhelfen ihnen zu einer guten fußballerischen Ausbildung und holen die Jungs von der Straße weg. Das muss man hoch anrechnen. Wichtig ist vor allem, dass man gute Trainer einsetzt. Und beim SSV wird offensichtlich darauf geachtet“, sprach Flick, ehe er sich wieder in seine badische Heimat aufmachte.

Langweilig wird dem ehemaligen Hoffenheimer Erfolgstrainer (von 2000 bis 2005 bis in die Regionalliga hochgeklettert) dort nicht werden, schließlich ist der Vater zweier Töchter vor knapp sechs Wochen zum zweiten Mal Opa geworden. „Ja, es ist ein Junge“, schien Flick geradezu aufzuatmen, denn auch das zuvor einzige Enkelkind gehörte der weiblichen Fraktion an. „Ich habe durch meine Abwesenheit wegen des Fußballs und die zahllosen Reisen viel verpasst. Jetzt genieße ich es umso mehr, private Zeit zu verbringen und die Entwicklung der Kinder zu verfolgen.“

Aufrufe: 05.4.2017, 08:38 Uhr
SWP / Alexander MareisAutor