2024-04-25T14:35:39.956Z

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Halten zusammen: Sebastian Hartmann, Keita Bukary und Benjamin Schwab (von links).  | Foto: Jonas Hirt
Halten zusammen: Sebastian Hartmann, Keita Bukary und Benjamin Schwab (von links). | Foto: Jonas Hirt

Fußballverein will Abschiebung seines gambischen Torjägers verhindern

Keita Bukary von der Spvgg Bollschweil-Sölden soll abgeschoben werden

Keita Bukary, ein gambischer Fußballer der Spielvereinigung Bollschweil-Sölden, soll Deutschland verlassen und abgeschoben werden. Doch sein Verein will das verhindern.
Sportlich gesehen läuft es gerade gut bei der Spielvereinigung Bollschweil-Sölden: Fünfter Platz, 38 Punkte. Daran hat Markus einen gewichtigen Anteil. "18 Spiele, zehn Tore, fünf Vorlagen", listet Co-Trainer Sebastian Hartmann auf. Doch es besteht Gefahr, dass Markus bald nicht mehr bei der Spielvereinigung auf Torejagd geht. Und das liegt nicht daran, dass ihn ein höherklassiger Verein kaufen möchte. Markus heißt Keita Bukary und kommt aus Gambia. Der Flüchtling soll das Land verlassen. Das will der Verein verhindern.

"Mein Vater hat mich schon Markus genannt", erklärt Bukary. Er ist 20 Jahre alt und lebt in Freiburg in einer Flüchtlingsunterkunft des Landkreises. In Gambia fühlte er sich nicht mehr sicher. Sein Vater war Oppositioneller. Man sieht dem Gambier an, dass er nur ungern über das Thema reden will. Er ist sich aber sicher, dass sein Vater tot sei.

"Ich will auf keinen Fall nach Gambia zurück", sagt er. Er glaube, dass er dort ebenfalls getötet werde. Daran ändere auch der Schritt hin zu mehr Demokratie nichts. Im Dezember siegte in Gambia der Oppositionskandidat - nach 22 Jahren endete damit die Amtszeit des autokratischen Vorgängers. Auftragsmörder des ehemaligen Präsidenten wüssten, wo Bukary wohne.

Anfang März erhielt er vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Brief, dass er freiwillig das Land verlassen soll. Zwei Wochen Zeit hatte er, um dagegen zu klagen. Die Anerkennungsquote für Gambier ist gering. Im ersten Halbjahr 2016 waren es 3,3 Prozent der angenommenen Asylanträge. Man habe damit rechnen müssen, dass ein derartiger Brief kommen könnte. "Aber man verdrängt es solange bis der Zeitpunkt kommt", erklärt Co-Trainer Hartmann.

Bukary verstand den Brief zunächst gar nicht. Er schickte Bilder an Trainer Hartmann. "Das waren sieben Seiten Juristendeutsch. Auch ich habe eine Stunde benötigt, um alles zu verstehen", berichtet Hartmann. Auf den Schock folgte die Erkenntnis: "Wir müssen schleunigst etwas unternehmen", so formuliert es Cheftrainer Benjamin Schwab. Die Trainer suchten den Kontakt zu Bukarys Sozialarbeiterin und einem Anwalt. Geklagt haben sie bereits gegen die Aufforderung. Diese Klage muss innerhalb von vier Wochen begründet werden. Daran arbeite man.

Beim jüngsten Heimspiel riefen die Kicker vorab zu Spenden auf, um unter anderem die Anwaltskosten zu finanzieren - ein Erfolg. "Da waren Leute auf dem Sportplatz, die ich hier seit Jahren nicht mehr gesehen habe", so Schwab. Mehrere Hundert Euro seien zusammengekommen, selbst die Gastmannschaft habe etwas gegeben.

Den Trainern ist bewusst, dass ihr Schützling bessere Chancen hat, wenn er eine Ausbildungsstelle hat. "Es sind alle am suchen", sagt der Cheftrainer. Mit einem Ausbildungsplatz würde die sogenannte "Drei-plus-zwei-Regel" gelten. Bukary dürfte für die Zeit der Ausbildung und zwei weitere Jahre in Deutschland bleiben. Das Ziel sei eine Malerausbildung. Bukary gibt an, dass er Maler in Gambia war. In Deutschland habe er bereits ein Praktikum bei einem Malerbetrieb gemacht. "Er kennt sich aus, man merkt, dass er Berufserfahrung hat", merkt Schwab an. Er ist selbst Maler, im September soll der eigene Betrieb starten. Mit dem Gedanken seinen Spieler selbst auszubilden, habe er schon gespielt. Doch sofort nach der Betriebsgründung einen Auszubildenden einstellen, das sei eine große Aufgabe und risikohaft.

Fußball ist Bukarys Leidenschaft

Seit Juli 2015 lebt Keita Bukary in Freiburg. Auf einer Party lernte er einen Spieler der Mannschaft kennen. So gelangte Bukary nach Bollschweil. Kicken ist seine Leidenschaft. Wenn er nicht gerade Deutsch lerne oder in Bollschweil das Leder auf dem Platz jagt, spiele er in Freiburg mit Freunden. "Lasst uns alles vergessen und Fußball spielen", das stand mal auf seiner Zimmertür in der Flüchtlingsunterkunft. Doch jetzt klingt der junge Gambier nachdenklicher: "Es geht mir nicht so gut, ich kann nicht gut schlafen. Nur beim Fußballspielen geht es mit gut." Der Fall zeigt, dass neben den Flüchtlingen auch deren ehrenamtliche Helfer betroffen sind - in diesem Fall der Fußballverein. Dort habe Bukary sich nach anfänglichen Sprachbarrieren, gut in die Mannschaft eingefügt.

Beide Trainer machen einen nachdenklichen Eindruck: Man investiere viel Zeit in die Integration und nun soll Bukary gehen. "Er ist zuverlässiger als manch Einheimischer", urteilen die Trainer. "Deswegen steht der Verein hinter ihm", sagt Schwab. Gerade gebe man ihm Mathenachhilfe. So soll er auf den schulischen Teil einer möglichen Ausbildung vorbereitet werden. Der Sport, der Tabellenplatz in der Kreisliga, er tritt in den Hintergrund: "Wir brauchen ihn, vor allem als Menschen", betont der Cheftrainer.

Aufrufe: 02.4.2017, 12:25 Uhr
Jonas Hirt (BZ)Autor