2024-05-08T14:46:11.570Z

Interview
Am Esszimmertisch von Günter Bauer (links) haben er und Uwe Ditz über die Integrationsarbeit in ihren Ver­einen gesprochen. Vorher waren sich die Vorsitzen­den von ASV Pegnitz und SV 08 Auerbach noch nie begegnet. F: Staudt
Am Esszimmertisch von Günter Bauer (links) haben er und Uwe Ditz über die Integrationsarbeit in ihren Ver­einen gesprochen. Vorher waren sich die Vorsitzen­den von ASV Pegnitz und SV 08 Auerbach noch nie begegnet. F: Staudt

"Sportbürokratie bekommen Vereine an der Basis zu spüren"

Der SV 08 Auerbach und der ASV Pegnitz nehmen gerne am Sport interessierte Flüchtlinge auf, trotz erheblicher Probleme +++ Die Vorsitzenden im Interview

Günter Bauer steht dem ASV Pegnitz vor, Uwe Ditz dem SV 08 Auerbach. Bei beiden Vereinen sind sportbegeis­terte Flüchtlinge herzlich willkommen - obwohl diese Art der Integration erhebliche Probleme mit sich bringt.

Herr Bauer und Herr Ditz, gehört es zur gesellschaftlichen Verantwortung eines Sportvereins, Flüchtlinge bei sich aufzunehmen?

Günter Bauer: Ich denke schon. Gerade der Mannschaftssport bietet eine sehr gute Gelegenheit, junge Men­schen zu integrieren. Ich sehe das nicht nur bei den Flüchtlingen so, sondern ganz allge­mein. Es wird auch nicht an den Finan­zen scheitern, wenn Kinder und Jugend­liche bei uns Sport betreiben möchten. Dies gilt ebenso auch für sozial bedürftige Kinder. Solche Fälle wer­den bei uns beitragsfrei aufgenommen und auch ganz normal beim BLSV gemeldet.

Uwe Ditz: Der Sportverein hat schon immer eine integrative Wir­kung. In Auerbach haben wir seit vie­len Jahren Sportler mit Migrationshin­tergrund, beispielsweise aus der Tür­kei oder Osteuropa. Im Sport spielen Unterschiede in Bildung, Wohlstand und Herkunft keine Rolle, somit ist er ein hervorragendes Instrument für die Integration.

Können die vielen jungen Men­schen, die durch die Flüchtlingskrise in unsere ländliche Region kommen, auch eine Chance für die Sportvereine sein?

Ditz: Man muss das von der pragma­tischen Seite sehen. In der Stadt haben wir einige unbegleitete minder­jährige Flüchtlinge. Von denen haben welche den Weg zum SV 08 gefunden. Es sind nicht mal zehn, sie spielen bei uns Fußball und Handball im Jugend­bereich. Aber sie haben Interesse — und das ist für einen Sportverein natürlich positiv.

Bauer: Es ist immer gut, wenn man einen jungen Mann bekommt, der Fuß­ball spielen kann und sich später im Verein profiliert. Aber davon sind wir noch meilenweit entfernt. Das erwar­ten wir auch gar nicht. Momentan sehe ich die Sportvereine eher in der Pflicht. Hinter der Integration steckt bei uns auch Aufwand, die Umset­zung ist dabei nicht immer so einfach.

Inwiefern?

Bauer: Vor etwa zwei Jahren, also als die Flüchtlings­welle auch Pegnitz erreicht hatte, waren beim Trai­ning unserer zwei­ten Mannschaft zirka zwölf Flüchtlin­ge, die Fußball spielen wollten. Es waren aber nur ganz wenige dabei, die auch echt Fußball spielen konnten. Im Gegensatz zu Sportvereinen in den Großstädten, die extra Freizeitgrup­pen geschaffen haben, war das beim besten Willen in unserem Verein nicht zu schultern. Das hat sich mittlerwei­le normalisiert, sie spielen auf den Bolzplätzen in Pegnitz. Mittlerweile läuft der Trainingsbetrieb mit den Flüchtlingen sehr gut. Im Punktspiel­betrieb haben wir jedoch noch einige Probleme.

Welche?

Bauer: Es fängt mit den Pass-Anträ­gen an. Für fünf unbegleitete Jugendli­che haben wir Pässe beantragt. Drei Anträge kamen wieder zurück, weil die Bestätigung gefehlt hat, dass der Betreuer tatsächlich das Recht besitzt, für den Jugendlichen zu unter­schreiben. Bis das Spielrecht letztend­lich erteilt wird, kann es sechs Wochen dauern, vielleicht auch län­ger. Momentan haben wir zwölf jugendliche Flüchtlinge beim ASV Pegnitz, die in der Spielgemeinschaft SG Pegnitz, einem Zusammenschluss der Vereine ASV und FC Pegnitz, sowie im Kleinfeldbereich dem FC Troschenreuth, aktiv sind.

Ditz: Wenn Sie jemandem mit aus­ländischer Staatsangehörigkeit einen Pass ausstellen, dann fragt der DFB beim Heimatland an, ob der Fußballer für einen dortigen Verein spielberech­tigt ist. Das macht bei europäischen Nachbarländern durchaus Sinn. Aber in der momentanen Situation ist es doch absurd, in Syrien nachzufragen, ob sie den Spieler noch brauchen. Und diese Sportbürokratie bekom­men dann die Vereine an der Basis zu spüren.

Weitere Probleme?

Bauer: Bei vielen Flüchtlingskindern ist anscheinend das Geburtsdatum nicht rich­tig bekannt. Auf dem Anmeldeformular ist als Geburtsdatum der 1. 1. XXXX eingetragen, was auch von der Stadt und dem Landratsamt so bestätigt wurde.

Ditz: Das Problem ken­ne ich.

Bauer: Diese Handha­be führt zu kuriosen Ein­zelfällen, weil es ein Hin­weis ist, dass es sich um ein falsches Geburtsda­tum handelt. Ein jugend­licher Flüchtling hat für uns mal einen Einsatz in der B-Jugend gemacht. Der Schiedsrichter hat ihn gefragt, wie alt er ist, und dadurch erfahren, dass das angegebene Geburtsdatum nicht stimmt und er in Wirklichkeit drei Jahre älter war. Dafür hat uns das Sportgericht, trotz Einspruch unsererseits, zu einer Stra­fe verurteilt.

Ditz: Bei uns ist alleine schon die Beitragserhebung schwierig. Flücht­linge haben in der Regel kein Konto. Also stellen wir für die Beiträge Rech­nungen, die werden auch bezahlt. Zusätzliche Kosten verursacht das nicht, aber die Währung von uns Ehrenamtlichen ist eben die Arbeit, die dadurch mehr wird.

Wahrscheinlich dürfen von den vie­len neuen Sportlern nur wenige in Deutschland bleiben. Wie bereiten sich Ihre Vereine auf den drohenden Abschied vor?

Ditz: Darauf kann man sich nicht vorbereiten. Für uns ist es natürlich schade, wenn uns die Spieler in den Mannschaften wieder fehlen. Aber das Menschliche wiegt viel schwerer. Es sind persönliche Verbindungen, sogar Freundschaften entstanden. Das ist dann alles wieder weg.

Bauer: Beim ASV haben wir auch schon einige Abschiede erleben müs­sen. Es werden im Verein ja auch zwi­schenmenschliche Beziehungen aufge­baut und Freundschaften geschlossen. Daher ist es immer sehr schwierig und auch traurig, wenn die jungen Leute woanders hin oder sogar in ihre Hei­mat zurück müssen. Ein Jugendspie­ler, den wir gerade mit der kompletten Vereinskleidung ausgestattet hatten, musste weg aus Pegnitz und weiter nach Ulm. Er war sehr talentiert und hätte das Zeug gehabt, eines Tages eventuell für unsere erste Mannschaft in der Landesliga zu spielen.

Haben Sie Flüchtlinge bei sich, denen Sie zutrauen, später mal ein Amt im Verein zu übernehmen?

Ditz: Ich kann da keine Prognose abgeben, weil wir ja keine Erwachse­nen, sondern nur Jugendliche bei uns haben. Aber grundsätzlich können wir jeden brauchen, der sich einbrin­gen kann und will.

Bauer: Die Flüchtlinge haben zu Beginn ganz andere Probleme: Sie müssen erst in den Verein ankommen und sich etablieren. Ob sie ein Amt übernehmen können, wird sich erst später herausstellen. Aber wenn sie willens sind, sehr gerne, überhaupt keine Frage. Wir suchen dringend immer wieder Leute, die sich bei uns im Verein engagieren möchten.

Aufrufe: 023.3.2017, 16:44 Uhr
Marcel Staudt (NN Pegnitz)Autor