Herr Bauer und Herr Ditz, gehört es zur gesellschaftlichen Verantwortung eines Sportvereins, Flüchtlinge bei sich aufzunehmen?
Günter Bauer: Ich denke schon. Gerade der Mannschaftssport bietet eine sehr gute Gelegenheit, junge Menschen zu integrieren. Ich sehe das nicht nur bei den Flüchtlingen so, sondern ganz allgemein. Es wird auch nicht an den Finanzen scheitern, wenn Kinder und Jugendliche bei uns Sport betreiben möchten. Dies gilt ebenso auch für sozial bedürftige Kinder. Solche Fälle werden bei uns beitragsfrei aufgenommen und auch ganz normal beim BLSV gemeldet.
Uwe Ditz: Der Sportverein hat schon immer eine integrative Wirkung. In Auerbach haben wir seit vielen Jahren Sportler mit Migrationshintergrund, beispielsweise aus der Türkei oder Osteuropa. Im Sport spielen Unterschiede in Bildung, Wohlstand und Herkunft keine Rolle, somit ist er ein hervorragendes Instrument für die Integration.
Können die vielen jungen Menschen, die durch die Flüchtlingskrise in unsere ländliche Region kommen, auch eine Chance für die Sportvereine sein?
Ditz: Man muss das von der pragmatischen Seite sehen. In der Stadt haben wir einige unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Von denen haben welche den Weg zum SV 08 gefunden. Es sind nicht mal zehn, sie spielen bei uns Fußball und Handball im Jugendbereich. Aber sie haben Interesse — und das ist für einen Sportverein natürlich positiv.
Bauer: Es ist immer gut, wenn man einen jungen Mann bekommt, der Fußball spielen kann und sich später im Verein profiliert. Aber davon sind wir noch meilenweit entfernt. Das erwarten wir auch gar nicht. Momentan sehe ich die Sportvereine eher in der Pflicht. Hinter der Integration steckt bei uns auch Aufwand, die Umsetzung ist dabei nicht immer so einfach.
Inwiefern?
Bauer: Vor etwa zwei Jahren, also als die Flüchtlingswelle auch Pegnitz erreicht hatte, waren beim Training unserer zweiten Mannschaft zirka zwölf Flüchtlinge, die Fußball spielen wollten. Es waren aber nur ganz wenige dabei, die auch echt Fußball spielen konnten. Im Gegensatz zu Sportvereinen in den Großstädten, die extra Freizeitgruppen geschaffen haben, war das beim besten Willen in unserem Verein nicht zu schultern. Das hat sich mittlerweile normalisiert, sie spielen auf den Bolzplätzen in Pegnitz. Mittlerweile läuft der Trainingsbetrieb mit den Flüchtlingen sehr gut. Im Punktspielbetrieb haben wir jedoch noch einige Probleme.
Welche?
Bauer: Es fängt mit den Pass-Anträgen an. Für fünf unbegleitete Jugendliche haben wir Pässe beantragt. Drei Anträge kamen wieder zurück, weil die Bestätigung gefehlt hat, dass der Betreuer tatsächlich das Recht besitzt, für den Jugendlichen zu unterschreiben. Bis das Spielrecht letztendlich erteilt wird, kann es sechs Wochen dauern, vielleicht auch länger. Momentan haben wir zwölf jugendliche Flüchtlinge beim ASV Pegnitz, die in der Spielgemeinschaft SG Pegnitz, einem Zusammenschluss der Vereine ASV und FC Pegnitz, sowie im Kleinfeldbereich dem FC Troschenreuth, aktiv sind.
Ditz: Wenn Sie jemandem mit ausländischer Staatsangehörigkeit einen Pass ausstellen, dann fragt der DFB beim Heimatland an, ob der Fußballer für einen dortigen Verein spielberechtigt ist. Das macht bei europäischen Nachbarländern durchaus Sinn. Aber in der momentanen Situation ist es doch absurd, in Syrien nachzufragen, ob sie den Spieler noch brauchen. Und diese Sportbürokratie bekommen dann die Vereine an der Basis zu spüren.
Weitere Probleme?
Bauer: Bei vielen Flüchtlingskindern ist anscheinend das Geburtsdatum nicht richtig bekannt. Auf dem Anmeldeformular ist als Geburtsdatum der 1. 1. XXXX eingetragen, was auch von der Stadt und dem Landratsamt so bestätigt wurde.
Ditz: Das Problem kenne ich.
Bauer: Diese Handhabe führt zu kuriosen Einzelfällen, weil es ein Hinweis ist, dass es sich um ein falsches Geburtsdatum handelt. Ein jugendlicher Flüchtling hat für uns mal einen Einsatz in der B-Jugend gemacht. Der Schiedsrichter hat ihn gefragt, wie alt er ist, und dadurch erfahren, dass das angegebene Geburtsdatum nicht stimmt und er in Wirklichkeit drei Jahre älter war. Dafür hat uns das Sportgericht, trotz Einspruch unsererseits, zu einer Strafe verurteilt.
Ditz: Bei uns ist alleine schon die Beitragserhebung schwierig. Flüchtlinge haben in der Regel kein Konto. Also stellen wir für die Beiträge Rechnungen, die werden auch bezahlt. Zusätzliche Kosten verursacht das nicht, aber die Währung von uns Ehrenamtlichen ist eben die Arbeit, die dadurch mehr wird.
Wahrscheinlich dürfen von den vielen neuen Sportlern nur wenige in Deutschland bleiben. Wie bereiten sich Ihre Vereine auf den drohenden Abschied vor?
Ditz: Darauf kann man sich nicht vorbereiten. Für uns ist es natürlich schade, wenn uns die Spieler in den Mannschaften wieder fehlen. Aber das Menschliche wiegt viel schwerer. Es sind persönliche Verbindungen, sogar Freundschaften entstanden. Das ist dann alles wieder weg.
Bauer: Beim ASV haben wir auch schon einige Abschiede erleben müssen. Es werden im Verein ja auch zwischenmenschliche Beziehungen aufgebaut und Freundschaften geschlossen. Daher ist es immer sehr schwierig und auch traurig, wenn die jungen Leute woanders hin oder sogar in ihre Heimat zurück müssen. Ein Jugendspieler, den wir gerade mit der kompletten Vereinskleidung ausgestattet hatten, musste weg aus Pegnitz und weiter nach Ulm. Er war sehr talentiert und hätte das Zeug gehabt, eines Tages eventuell für unsere erste Mannschaft in der Landesliga zu spielen.
Haben Sie Flüchtlinge bei sich, denen Sie zutrauen, später mal ein Amt im Verein zu übernehmen?
Ditz: Ich kann da keine Prognose abgeben, weil wir ja keine Erwachsenen, sondern nur Jugendliche bei uns haben. Aber grundsätzlich können wir jeden brauchen, der sich einbringen kann und will.
Bauer: Die Flüchtlinge haben zu Beginn ganz andere Probleme: Sie müssen erst in den Verein ankommen und sich etablieren. Ob sie ein Amt übernehmen können, wird sich erst später herausstellen. Aber wenn sie willens sind, sehr gerne, überhaupt keine Frage. Wir suchen dringend immer wieder Leute, die sich bei uns im Verein engagieren möchten.