2024-05-02T16:12:49.858Z

Interview
Foto: Mitsch Rieckmann
Foto: Mitsch Rieckmann

"Spielerjahre ersetzen keine Trainerjahre"

IM INTERVIEW: Dominik Reinhardt, der ehemalige Co-Trainer des FSV Union Fürstenwalde, im Gespräch über Herausforderungen auf der Trainerbank, Perspektiven und der Entwicklung von Talenten

Dominik Reinhardt war in der Hinrunde der Regionalliga Nordost Co-Trainer bei Aufsteiger FSV Union Fürstenwalde. Dann folgte im Zusammenhang mit der Trennung des Vereins von Chefcoach Achim Hollerieth auch sein Weggang. Nun ist Reinhardt, der die Trainer-A-Lizenz besitzt, auf der Suche nach einer neuen Herausforderung.

1988 begann er als Trainer beim SC Staaken, arbeitete dann ab 2007 als Coach im Nachwuchsbereich von Tennis Borussia Berlin – in der Saison 2013/14 als Sportlicher Leiter bei der U17. Zu seinen Erfolgen zählen der Aufstieg mit der U17 in die Bundesliga, ein Aufstieg in die Regionalliga mit der U16, zwei Berliner Meisterschaften und eine Futsal-Meisterschaft. Außergewöhnlich: Zwischen 2012 und 2015 kassierte er als Trainer in 70 Spielen nur acht Niederlagen. Zudem ist Dominik Reinhardt Life Kinetik Trainer, Sport Mental Coach und Koordinationstrainer mit A-Lizenz. Roland Hanke sprach für FuPa-Brandenburg mit dem 35-jährigen Berliner über seine Eindrücke in Fürstenwalde und seine neuen Ziele.

Der FSV Union Fürstenwalde war Deine erste Männerstation als Trainer nach Deiner erfolgreichen Zeit im Jugendbereich bei TeBe. Welche Erkenntnisse nimmst Du mit?

Dominik Reinhardt: Mich hat das hauptamtliche Arbeiten und Trainieren mit sechs bis acht Einheiten in der Woche beim FSV Union angezogen, in denen man natürlich theoretisch viel mehr Inhalte und Trainingsthemen strukturieren kann. Das Spiel im Männerbereich an sich ist natürlich weitaus härter und zweikampfbetonter als im Jugendbereich, meist auch schneller, vor allem bei auf Konter ausgelegten Teams. Da gilt es für Jungtalente, sich erst mal dran zu gewöhnen. Ansonsten reizte mich natürlich die Liga, die schon an Profistrukturen angedockt ist. Das Spielen vor 3000 bis 4000 Zuschauern war schon ein Highlight. Ansonsten ist die Arbeit und die Struktur im Training nicht viel anders als im Nachwuchsleistungszentrum, wenn es um Trainingssteuerung geht. Auffällig ist aber schon der andere „Schlag“ an Trainern an der Seitenlinie. Es wird viel kurzfristiger gedacht, und Spieler meist nur nach ihrer aktuellen Form betrachtet. Das „Entwickeln“ von individuellen Qualitäten bleibt da oft auf der Strecke. Da, denke ich, gilt es anzusetzen.

"Wir haben komplett unterschiedlich getickt."

Für Dich war es ja auch die erste Station in der Co-Trainer-Rolle. Wie war das für dich?

Zu Beginn natürlich sehr ungewohnt, denn ich bin es gewohnt, Projekte anzuschieben und selbst zu strukturieren, beziehungsweise zu gestalten, jedoch mit der Zeit hat sich das eingespielt vom Ablauf her. Von der Philosophie des Spielgedankens oder des Trainingsaufbaus haben Achim Hollerieth und ich komplett unterschiedlich getickt. Das war natürlich für den Alltag herausfordernd und am Ende mit fortschreitender Zeit wenig zielführend, da Achim aus der Kategorie Ex-Spieler kommt und viel umsetzt, wie er es selbst erlebt hat. Mir ist eher wichtig, Trainingsinhalte im Detail zu beleuchten, auch auf längere Sicht ausgelegt, Spielergespräche mit Lernzielen und Feedback zu führen anstatt Frontbeschallung zu tätigen, um nur einige Beispiele zu nennen. Ich sehe den Trainerjob als Rolle, in der man den Spielern gerecht werden muss, vor allem auch vom individuellen Ansatz her und das ist mit fünf Übungen eben schwer möglich. Spielerjahre ersetzen eben keine Trainerjahre (lacht). Das Wesentliche war für mich die Arbeit mit dem Team auf dem Platz – und diese Erfahrungen waren durchweg positiv, wie auch das Feedback zeigte.

Welche Eindrücke hast Du von der Arbeit im Verein und den handelnden Personen beim FSV Union?

Phänomenal, was dort aufgebaut wurde in kurzer Zeit, auch mit geringen Mitteln. Jeder packt mit an, zuletzt wurde ein eigener neuer Platz für das Kleinfeld gebaut und Rasen verlegt. Da kann man aus Berliner Zeiten nur von träumen, wenn man an die Gespräche mit den Sportämtern denkt. Infrastrukturell ist hier vieles möglich mit der Anzahl an Rasenplätzen und den weiteren Trainingsmöglichkeiten. In Fürstenwalde gibt es einfach viel weniger Bürokratie, denn der Fußball steht im Mittelpunkt. Auch mit Peter Heinrich als Sportlichem Leiter habe ich ein sehr gutes Verhältnis und wir sind weiterhin in Kontakt, was die Zukunft und Entwicklung talentierter Spieler angeht.

Was ist aus Deiner Sicht wichtig, um als junger Spieler im ambitionierten Männerbereich zu bestehen?

In erster Linie ein langer Atem und Geduld, denn es ist ein Prozess, der auch mit Anpassungen zu tun hat – vor allem körperlicher Natur, was das Zweikampfverhalten angeht. Da musst Du als Spieler auch Glück haben, den richtigen Förderer als Trainer zu haben, der regelmäßige Gespräche führt, was Ist-Stand und Perspektive angeht, sonst fällt man schnell in ein Loch aus stetiger guter Trainingsleistung und fehlenden Einsätzen, wie es beim FSV Union ja auch Beispiele gab. Frustresistenz ist da ganz wichtig. Die Topspieler eines Jahrgangs schaffen es, wie auch im Bundesligabereich direkt ins Stammteam und nehmen eine wichtige steuernde Rolle ein, doch die Spieler dahinter müssen sich auf lange Sicht durch Qualität und Willen durchsetzen. Im oberen Amateurbereich stehen für viele Trainer (leider) in erster Linie der Zweikampf und Moralpredigten auf der Agenda, wodurch es für manche Talente schwer ist, ihre spielerische Klasse fortzubilden, wenn die Devise heißt, Bälle unter Druck auf das Tribünendach zu jagen. Dieser Zielkonflikt zwischen individuellen und Teamzielen ist das Spannende vom Lösungsansatz her. Dabei steht das eigene Engagement des Spielers im Vordergrund. Ernährungspläne, individuelles Training und strikter Fokus auf das Wesentliche und die Ziele des nächsten Tages sind da elementar.

"Der Spieler soll hier im Mittelpunkt stehen."

Mal eine Frage in eigener Sache: 42 Spiele ungeschlagen in der U17-Regionalliga und U19 am Stück, was ist da das Erfolgsrezept?

(lacht) Oh ja, das waren Zeiten. Ich glaube, anderthalb Jahre waren das. Da hat man sich bei jedem Remis so geärgert wie bei einer Niederlage. Es war ein hervorragend zusammengestelltes Team, wo jeder seine Rolle kannte, auch der Jahrgang danach hatte diese Stärken. Ich denke, wie bei allen Erfolgen liegt es am akribischen Arbeiten mit den Beteiligten. Damit meine ich Gespräche, Videoanalysen im Detail und ein forderndes und motivierendes Trainingskonzept, in dem die Spieler erfahren, dass sie besser werden. Dann ziehen alle voll mit und das Rad nimmt seinen Lauf. Die Spieler haben da sensationelles geleistet. Mit einigen Akteuren von dieser Zeit bin ich weiterhin in gutem Kontakt und unterstütze ihren Weg.

Du kümmerst Dich also auch weiter um Talente?

Im Rahmen des Projektes „Your Dream Football“ wollen wir künftig Talente auf ihrem Weg begleiten und ihnen Training sowie Hilfestellung bieten. Wir nennen das 360-Grad-Beratung. Trainings- und Ernährungspläne, Alltagsfragen und natürlich Entwicklungsdokumentation stehen da im Vordergrund. Dieses Projekt ist komplett losgelöst von meinen eigenen Traineraufgaben und basiert auf Zusammenarbeit von mehreren Coaches und einem Geschäftsführer. Der Spieler soll hier im Mittelpunkt stehen.

Neben diesem Projekt hast Du auch eine interessante DVD auf den Weg gebracht und realisiert, die sich um die Entwicklung von Kreativspielern dreht…

Ja, das war super, weil gerade die Entwicklung und Förderung der zentralen Akteure als Herzstück des Spiels sehr wichtig und interessant sind. Da habe ich nach meiner Zeit bei TeBe eine Übungsreihe entworfen, um den schnellen Handlungen und Aktionen dieser Zielgruppe gerecht zu werden. Das Filmmaterial kann auch im Internet unter http://www.1x1sport.de/handlungsschnelligkeit-entwicklung-von-kreativspielern/ angesehen werden. Viel Spaß beim Schauen!

Dominik Reinhardts DVD zur Entwicklung von Kreativspielern.

Und wie geht es jetzt bei Dir weiter?

Aktuell verfolge ich natürlich die Regionalliga noch und bin in interessanten Gesprächen im Männerbereich, doch auch die leistungsorientierte Jugend kann man nie ganz ausschließen. Das Wichtigste für mich sind Projekte in Vereinen mit einem klaren Ziel, wie Aufstieg oder Perspektiventwicklung. Dann fängt die Arbeit auf dem Papier und schließlich auf dem Platz an.

Schwebt Dir dabei eine bestimmte Spielklasse oder Region vor?

Für mich ist das leistungsorientierte Arbeiten elementar, daher sehe ich es im Männerbereich ab Oberliga mit Aufstiegsambitionen an, denke aber auch, dass es in der Regionalliga interessante Vereine mit Struktur und Zielen gibt. Ähnlich ist es im Jugendbereich, da könnte ich mir perspektivisch auch die sportliche Leitung und Koordination leistungsorientierter Spieler vorstellen.

Aufrufe: 021.1.2017, 07:30 Uhr
MOZ.de / Roland HankeAutor