Spatzen ringen SSV Reutlingen mit 4:1 nieder

"Einen schöneren Donnerstag Abend", sagte ein aufgekratzter Stephan Baierl, "kann ich mir einfach nicht vorstellen."

Der Trainer des SSV Ulm 1846 Fußball dürfte damit vielen der 3620 Zuschauern, sofern sie es mit den Spatzen hielten, aus der Seele gesprochen haben. Nach aufregenden 90 Minuten Oberliga-Fußball hatte der SSV 46 nicht nur das Derby gegen den württembergischen Rivalen mit 4:1 gewonnen, sondern auch die Tabellenführung untermauert und den Verfolger FC Nöttingen, der am Samstag den FV Ravensburg erwartet, unter Zugzwang gesetzt. Und das alles vor einer Oberliga-Rekord-Saisonkulisse, die in dieser Größe nicht zu erwarten war. Im Vorfeld wären die Verantwortlichen auch mit 2500 Zusehern sehr zufrieden gewesen.

Der Kulisse war jede Menge geboten, sie bekam sozusagen zwei Spiele auf einmal für ihr Eintrittsgeld zu sehen. Die Ulmer gerieten bereits nach drei Minuten durch Marc Golinski mit 0:1 in Rückstand, jenem Spieler also, der bereits beim 2:2 in der Hinrunde beide Treffer für Reutlingen erzielt hatte. Die Ulmer wirkten geschockt, brachten keinen vernünftigen Spielaufbau zustande. Die Nerven flatterten. Doch trotz des Katers lagen die Ulmer nach Treffern von Alper Bagceci (42.) und Florian Krebs (45.) zur Halbzeit überraschend mit 2:1 vorn.

In der zweiten Halbzeit dann ein ganz anderes Ulmer Spiel. Nun agierten die Spatzen mit viel Leidenschaft und fanden zu ihrer spielerischen Linie zurück. Statt wie zu Beginn mit planlosen, hohen und weiten Bällen zu agieren, bevorzugten sie nun das Flachpassspiel und belohnten sich durch Treffer von David Braig (49.) und Sebastian Heidecker (73.) zum 4:1. "In der zweiten Halbzeit hat man gesehen, weshalb die Ulmer Tabellenführer sind", erkannte Reutlingens Trainer Jochen Claas an. "Das war eine Bärenleistung", attestierte Baierl seinen Schützlingen, die sich in einen Rausch gespielt hatten.

Aus Ulmer Sicht war der Donnerstag ein Tag zum Feiern. Bis zur nächsten Begegnung am 8. Mai beim Tabellenvierten Karlsruher SC II allerdings müssen sich die Spatzen darüber den Kopf zerbrechen, weshalb sie sich nach dem frühen Rückstand derart aus dem Konzept haben bringen lassen. "Wir waren richtiggehend angeknockt nach dem 0:1 und haben Wirkung gezeigt", konstatierte Baierl.

Einer der ersten, der sich berappelte, war Alper Bagceci. Obwohl der Mittelfeldspieler, der schon beim Derby 2006 dabei war, bereits in der Anfangsphase einen Stich im Oberschenkel spürte, biss er sich durch und erzielte nach einem Konter über Burak Coban mit einem feinen Flachschuss den Ausgleich. "Ich konnte mich doch im Derby nicht so früh auswechseln lassen. Das war ein geiler Sieg", bekannte er nach dem Schlusspfiff.

Die Ulmer Treffer zwei bis vierfielen jeweils nach Eckbällen von Felix Hörger per Kopf. Krebs rammte den Ball mit viel Wucht zur 2:1-Führung ins Netz, Braig erzielte auf ähnliche Weise sein 23. Saisontor zum 3:1. Vor dem 4:1 prallte der Ball über einen Reutlinger Umweg zu Heidecker, der mit einem Volleyschuss aus kurzer Distanz erfolgreich war.

"Der SSV ist wieder da", sangen die Fans aus dem D-Block, und auch die Haupttribüne stimmte in die Anfeuerungsrufe mit ein. Innerhalb des Stadions blieb es die gesamte Spielzeit über friedlich. Lediglich den Unfug mit bengalischen Feuern konnten einige wenige nicht lassen. Vor Spielbeginn war es der Ulmer Block, zu Beginn der zweiten Halbzeit zogen die Reutlinger Anhänger nach. Doch am Ende herrschte pure Freude.

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