2024-05-02T16:12:49.858Z

Ligabericht
Kampf um den Ball: Marco Krese (links) von den Soccer Rhinos Wiesbaden gegen Dennis Rückert (VSG Darmstadt). Foto: rscp/René Vigneron
Kampf um den Ball: Marco Krese (links) von den Soccer Rhinos Wiesbaden gegen Dennis Rückert (VSG Darmstadt). Foto: rscp/René Vigneron

"Spaß ist der größte Erfolg, den man haben kann"

BEHINDERTENSPORT Erster Heimspieltag der Soccer Rhinos Wiesbaden in der Hessenliga Fußball-ID

Verlinkte Inhalte

Wiesbaden. Niemand möchte Bastian Schweinsteiger sein. Heute nicht. Vielleicht morgen wieder. Die Erinnerungen an seinen verursachten Handelfmeter gegen die Franzosen sind noch zu frisch. Dann doch lieber Özil. Die beiden Fußball-Nationalspieler trennt zwar nur eine Ziffer bei der Trikotnummer, doch man will schließlich gewinnen, da kann ein wenig Aberglaube kaum schaden. Schweinsteigers Nummer 7 ist folglich nicht besonders beliebt an diesem Samstagvormittag auf der Sportanlage in Mainz-Kastel, wo sich vor dem ersten Anpfiff die Mannschaften aufwärmen und ein Trainer letzte Trikots samt Rückennummer an seine Spieler verteilt.

Dragoslav Stepanovic freut sich über das Spielniveau

Es ist der erste Heimspieltag der Soccer Rhinos Wiesbaden in der Hessenliga Fußball-ID, an dem acht Teams aus dem ganzen Bundesland gegeneinander antreten. Seit 2014 gibt es diese Liga für Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung. „Das Spielniveau hat sich von Jahr zu Jahr gesteigert“, erklärt ein Zuschauer am Rande des Platzes, der es ganz genau wissen muss. Dragoslav Stepanovic, Trainerlegende von Eintracht Frankfurt und weit gereister Fußballphilosoph, hat es sich auf einer Bierbank mit Designer-Sonnenbrille und Wasserflasche gemütlich gemacht und beobachtet aufmerksam das Treiben. „Ich freue mich, dass die Liga immer größer wird. Dass man solche Spiele organisiert und die Menschen mit Spaß und Freude dabei sind, das ist der größte Erfolg, den man haben kann“, so der 67-Jährige, der seit 2013 als Teamchef der Hessenauswahl Fußball-ID tätig ist.

Was im deutschen Fußball bereits mehrere Jahre zurückliegt (ein deutlicher Sieg von Wiesbaden gegen Darmstadt), schaffen die Soccer Rhinos, ganz in Schwarz gekleidet, gleich in der ersten Partie des Tages gegen VSG Darmstadt: Ein klares 3:0 steht am Ende für die Landeshauptstadt auf der Anzeigetafel. Gespielt wird immer 1 x 20 Minuten, Neun gegen Neun auf einem etwas kleinerem Feld, ohne Rückpass- und Abseitsregel.

Ansonsten ist es – wie auf vielen anderen Fußballamateurplätzen dieser Republik – angenehm kurzweilig: Die Torhüter meckern, grundsätzlich und mit jedem. Rund um den Platz stehen Wassereimer für die schnelle Abkühlung, der individuelle Jubel nach einem Treffer steht dem der großen Vorbilder in nichts nach. Auf den Vorderseiten der Trikots dominieren Banken und Baumärkte das Sponsorenbild. Bei den jüngeren Kickern sind zum Teil die Eltern als Zuschauer in der klassischen Fußball-Rollenverteilung mit dabei: Mama reicht die Getränke, Papa weiß alles besser.

Was auffällt, ist der erfrischende Enthusiasmus der Akteure. Nach Fouls bleibt man nicht lange liegen, es wird nicht groß diskutiert oder geschauspielert. In Zeiten, in denen Begriffe wie „Einstellung“ und „Mentalität“ den öffentlichen Fußballdiskurs beherrschen, ist es schlicht bemerkenswert, mit welch unbändiger Freude am Spiel hier gegen den Ball getreten wird.

Der Fußballplatz als Ort der Inklusion

„Viele Mannschaften haben diese Saison richtig nachgelegt, gute Fußballer geholt“, erläutert Jürgen Zaunbrecher, Sportdirektor des SV Rhinos Wiesbaden. Er betont an der Seite des Beauftragten für Behindertensport der Stadt Wiesbaden, Lothar Herborn, die fruchtbare Arbeit des Vereins in den verschiedenen Sportarten. „Was uns vielleicht von anderen etwas unterscheidet, ist der Leistungsaspekt, dass wir den Leuten einfach die Möglichkeit bieten wollen, sich zu messen, sich zu beweisen, Meisterschaften zu gewinnen – und das natürlich alles vor dem Hintergrund der Inklusion.“

Der Fußballplatz als konkreter Ort und der Breitensport ganz allgemein sind nichts weniger als elementare Bausteine bei dem großen Projekt der Verwirklichung einer inklusiven Gesellschaft. Am nächsten Spieltag dann auch sicher wieder gerne mit der Nummer von Bastian Schweinsteiger auf dem Rücken.

Aufrufe: 013.7.2016, 16:00 Uhr
Matthias LauxAutor