2024-05-10T08:19:16.237Z

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Gold, der Traum von Simone Laudehr.  Foto
Gold, der Traum von Simone Laudehr. Foto

Simone Laudehr will in Rio ihre Karriere krönen

Die Fußball-Nationalspielerin startet heute ins olympische Turnier. In ihrer Karriere hat sie Höhen und Tiefen erlebt - genau wie ihr großes Vorbild.

Der Mannschaftsbus der deutschen Fußball-Nationalmannschaft der Frauen fährt über einen schmalen gepflasterten Gehweg zum Sportplatz des TSV Neustadt an der Donau. Die Werbebanden, die das Spielfeld umgeben, rosten im Nieselregen. Eine kleine Tribüne steht auf der gegenüberliegenden Seite der Anlage. Simone Laudehr steigt aus dem Bus, eine Frau die im Fußball fast alles erreicht hat: Sie ist Weltmeisterin, zweimalige Europameisterin und Champions-League-Siegerin. Eine Frau, die oft mit Bastian Schweinsteiger verglichen wird - ein Kämpfer genau wie sie - und den sie auch als Vorbild nennt.

Wäre der ehemalige Kapitän der deutschen Fußball-Nationalmannschaft hier in Neustadt - der gesamte Ort wäre wohl auf den Beinen. An diesem verregneten Julitag aber lassen sich die Besucher an zwei Händen abzählen. Der heimische TSV Neustadt, in der abgelaufenen Saison Zweiter der Kreisliga Landshut, kann im Schnitt 100 bis 200 Zuschauer zu seinen Heimspielen begrüßen. Und trotzdem: “Die Aufmerksamkeit für uns Frauen-Fußballerinnen ist auf jeden Fall mehr geworden”, sagt Simone Laudehr später. Der Regen hat etwas nachgelassen. Die Mannschaft beginnt ihr Aufwärmprogramm - der öffentliche Teil des Trainings. Nach 15 Minuten ist das Anschwitzen beendet, Standardsituationen werden trainiert, die drei Journalisten weggeschickt. Schließlich läuft zu diesem Zeitpunkt die Vorbereitung auf das erste Spiel des olympischen Turniers gegen Simbabwe (heute 23 Uhr, ARD) auf Hochtouren. Ein Gegner, den man keinesfalls unterschätzen dürfe, sagt Simone Laudehr. Die Vorbereitung: Top Secret.


“Schieß ma los”

Zwei Stunden später im Mannschaftshotel in Bad Gögging: Simone Laudehr schlendert durch die Lobby, die Hände in den Hosentaschen ihres Trainingsanzuges. Ihr Händedruck ist fest, ihr Blick direkt. “Schieß ma los”, sagt sie. Sie zieht ihre Trainingsjacke aus. Darunter trägt sie ein pinkes T-Shirt. Auf ihrem braun gebrannten, durchtrainierten linken Oberarm spannen die olympischen Ringe. Sie hat sich das Tattoo vor den Spielen 2008 in Peking stechen lassen. Damals, als sie mit der deutschen Mannschaft Bronze gewann. Das olympische Turnier in Brasilien könnte nun ihr letzter großer Anlauf auf eine olympische Goldmedaille sein. Simone Laudehr ist jetzt 30 Jahre alt, bei den Spielen in Tokio 2020 wäre sie 34. Ihren 30. Geburtstag feierte sie im Trainingslager in Bad Gögging.

Seit 2007 ist Simone Laudehr nun bei der Nationalmannschaft mit dabei. Da war sie 21. Sie hatte sofort einen Platz im Team und durfte mit zur Weltmeisterschaft nach China. Das Finale bot Hochspannung: Die deutsche Mannschaft führt gegen Brasilien fünf Minuten vor Schluss mit 1:0. Ecke für Deutschland. Der Ball segelt in den Strafraum. Simone Laudehr steigt hoch und trifft den Ball mit dem Kopf, Tor, 2:0, Ekstase, Weltmeister. Simone Laudehr reißt ihr Trikot hoch, ihr Waschbrettbauch und ihr BH kommen zum Vorschein. Ein Bild, das um die Welt ging.


Gedanken ans Karriereende

So fing es an mit diesem verfluchten Tor. “Danach hat natürlich jeder erst einmal Erwartungen, Erwartungen, Erwartungen.” Das Schlimmste, was einer jungen Sportlerin passieren kann - sie dachte sogar ans Aufhören. Über das Tor spricht sie heute kaum, dafür aber vom Druck. Perfektion ist nicht möglich, sagt sie. “Sonst wären wir Maschinen.” Neun Jahre nach dem WM-Titel ist Simone Laudehr nun die Erfahrene, die die jungen Spielerinnen an die Hand nehmen soll. Höhen und Tiefen hat sie erlebt in ihrer Karriere - ob bei der Nationalmannschaft oder in Duisburg und Frankfurt, wo sie die vergangenen Jahre gespielt hat: “Ich weiß natürlich auch, wenn es vielleicht mal nicht so läuft, wie man sich dann wieder rausfuchst.” Besonders Anfang 2013 war für Simone Laudehr eine Zeit, in der sie sich aus einem Tief “herausfuchsen” musste: schwerer Knorpelschaden im rechten Knie. Im Herbst stand die Europameisterschaft in Schweden auf dem Programm. Doch es stand noch wesentlich mehr auf dem Spiel als die Europameisterschaft: 50/50 schätzte der Arzt die Chancen ein, dass sie überhaupt wieder Fußball spielen könne. “Da war für mich erst einmal ein Weltuntergang”, sagt sie. Doch sie gab nicht auf.

Unzählige Stunden verbrachte sie in der Reha, arbeitete verbissen am Comeback. “Willst du zur EM fahren?”, fragte der Physiotherapeut immer wieder. “Dann hab' ich natürlich immer noch fünf Liegestützen mehr gemacht.” Die harte Arbeit zahlte sich aus: Simone Laudehr konnte an der Europameisterschaft teilnehmen, machte alle Spiele, erzielte ein Tor - und wurde mit der DFB-Elf Europameister. Sie klopft dreimal auf den Holztisch in der Hotellobby in Bad Gögging: “Immer verletzungsfrei bleiben”, sagt sie. Nach Olympia wird Simone Laudehr wieder nach München wechseln, wo 2003 ihre Profi-Karriere begann. Näher an die Regensburger Heimat, von der sie in den letzten Jahren immer sehr weit weg war. Sie hat viel nachgedacht in den vergangenen Monaten. Auch darüber, was einmal nach dem Fußball kommen soll.

Dem Sport, den sie über alles liebt, möchte sie erhalten bleiben, so viel steht fest. Im Trainerbereich oder aber auch im Management oder Marketing wolle sie “ihren roten Faden” suchen. Aktuell macht Simone Laudehr ihren Sportfachwirt, auch die Trainer-B-Lizenz hat sie bereits in der Tasche. Sie könnte sich vorstellen, bei einem großen Verein, zum Beispiel in der Jugendkoordination unterzukommen. Die Pressesprecherin schaut kritisch auf die Uhr. Die Zeit für Fragen ist vorbei. Simone Laudehr verabschiedet sich - fester Händedruck, ein Lächeln - da schlendert sie raus aus der Hotellobby.

Für Olympia hat sie nur ein Ziel: “Wir wollen um Gold mitspielen” - es ist ein schwerer Weg, aber der Weg ist machbar, wenn man daran glaubt, sagt sie. Schwer ist der Weg derzeit auch für ihr Vorbild Bastian Schweinsteiger: Sein Verein Manchester United will ihn loswerden. Sollte es für Simone Laudehr klappen mit dem Gewinn der Goldmedaille - auf dem Oberarm wäre noch ein Platz frei: “Dann könnte ich mir noch einen Kranz um die Ringe herum machen lassen.”

Aufrufe: 04.8.2016, 00:05 Uhr
Johannes Heil, MZAutor