2024-03-18T14:48:53.228Z

Querpass

Schöne Bescherung!

oder: Wie Fußballer ihren eigenen Fans schaden

Weihnachten ist die Zeit der erfüllten und zu erfüllenden Wünsche. Da kommt doch schnell die Frage in den Sinn: Was wünscht sich ein Fußballer zu Weihnachten? Man könnte meinen, dass die Topstars in ihrem Business wie Thomas Müller, Mario Götze und Robert Lewandowski angesichts der horrenden Gehälter, die sie erhalten, wunschlos glücklich sind. Zumindestens in materieller Hinsicht ist man geneigt anzunehmen, dass sie sich alles leisten können, wonach ihnen der Sinn steht. Oft erhalten sie durch ihr Dasein als Werbeträger diverser Firmen sogar noch kleine Gimmicks, die sie dann stolz auf ihrer facebook-Fanseite posten und somit gleichzeitig bewerben (s. https://www.facebook.com/Cristiano/?fref=ts) Beneidenswert!

Umso ironischer oder paradoxer erscheinen da die Enthüllungen von dem Online Portal Football Leaks, die Zugang zu zig Dokumenten erhalten haben, die höchst sensible Daten über Verträge und ihre wirtschaftlichen Finanzsströme mit verschiedensten Fußballern und Top-Stars enthalten.

Denn Fußball-Idole wie Lionel Messi und Neymar mussten sich vor Gericht wegen Steuerhinterziehung verantworten. Sie bilden nur den Auftakt dieser Jagd, welche die spanischen Behörden nach langen Recherchen aufgenommen haben. Mannschaftskollegen wie Mascherano oder Kontrahenten wie Cristiano Ronaldo geraten zunehmend ins Fadenkreuz der Ermittlungen. Dank der hervorragenden Arbeit ihrer Anwälte (die wohl mit den hinterzogenen Steuern bezahlt worden sind) kamen sie mit einem blauen Auge davon. Neymars Versuch 15 Millionen € zu unterschlagen, kam ihm teuer zu stehen. Mehr als das doppelte, ca. 46 Millionen €, musste er nun auf den Tisch legen. Lionel Messi traf es sogar verhältnismäßig härter, da er neben einer Geldbuße von „nur“ rund zwei Millionen Euro zu 21 Monaten Haft verurteilt wurde. Er hatte mit Hilfe von Scheinfirmen in Belize und Uruguay dem spanischen Staat insgesamt 4,1 Millionen Euro abgeluchst. Zwar hatte Messi vor Gericht beteuert, wie Die Zeit berichtet, nichts von einer Firmenstruktur im Ausland gewusst zu haben und sein Vater, gleichzeitig Manager, versicherte glaubhaft, dass ihm die Illegalität einer solchen Struktur nicht bekannt gewesen war.

Wer ebenfalls Dreck am Stecken hat, sich aber dabei bisher wesentlich cleverer angestellte oder zumindest noch von dem Fiskus verschont geblieben worden war, ist Cristiano Ronaldo. Der König der Selbstvermarktung und Selbst-Darstellung beweist sich als ausgeklügelter Stratege, indem er die Schlupflöcher, die das spanische Finanzsystem bietet, gesucht und gefunden hat und rechtzeitig seine Schäfchen, die sich im letzten Jahr auf knapp 70 Millionen belaufen sollen, ins Trockene gebracht hat. Die Welt bringt in einem Artikel mit einer höchst sportlichen Metapher das Steuervermeidungsprinzip auf den Punkt:

„Man könnte auch sagen: Nach einem doppelten Übersteiger, bei dem Ronaldos Einkünfte über eine Briefkastenfirma in der Karibik und einem Konto bei einer Schweizer Privatbank geleitet wurden, tunnelte er den spanischen Fiskus durch ein Schlupfloch, das sich im Steuerrecht seines Gastlands aufgetan hatte.“

Nun könnte man einwenden, dass das beschriebene Prozedere spätestens seit der Hoeneß Affäre hinlänglich bekannt sei und kein Einzelfall darstelle. Richtig! Trotzdem halten diese Einzelfälle bzw. ihr Bekanntwerden interessante Erkenntnisse hinsichtlich des Umgangs der Öffentlichkeit mit jenen beschriebenen Verfehlungen, bereit. Eine Umfrage, die ich in meinem 9 er Kurs praktische Philosophie tätigte, und die gezeigten Reaktionen scheinen mir ganz repräsentativ zu sein.

Knapp ein Drittel der Schüler fanden nichts anstößig daran, ganz im Gegenteil! Sie gaben sogar Ronaldo und Konsorten Recht und zeigten sich kaum entsetzt. Als Grund gaben sie an, dass das Steuersystem ungerecht sei und es daher nur konsequent sei, sich diesem System mittels der Schlupflöcher zu entziehen. Auf die Frage hin, welcher Steuersatz gerecht wäre, antwortete ein Schüler wie aus der Pistole geschossen: 5%! Die Nachfrage, wie er auf diesen Betrag komme und begründe, konnte er nur mit überrascht aufgerissenen Augen beantworten. Nur ein Achtel des Kurses verurteilten dieses Vorgehen, mit der Begründung, dass sie ihren Dienst an der Gesellschaft, der ja die Steuern zu Gute kommen, nicht nachkämen und de facto Unrecht begangen hätten, für das sie angemessen bestraft werden sollten. Die Frage nach einem gerechten Steuersystem ist in diesem Rahmen kaum zu erörtern und sicherlich gibt es Stellen, die bearbeitet werden müssen, damit das Solidarprinzip reizvoller erscheint. Andererseits fußt das Solidarprinzip eben auf jenen Grundsätzen und Werten, die in der individualisierten Leistungsgesellschaft immer mehr in den Hintergrund rücken.

Einerseits war ich geschockt und irritiert zugleich, wie viel Verständnis oder Gleichmut die Schüler diesen Finanzskandalen entgegen gebracht haben. Andererseits ist es auch nicht verwunderlich, da sie gerade in einer Welt aufwachsen, in der man immer mehr den Anschein gewinnt, dass dort, wo das Geld ist, auch das Recht sitzt. Wenn Korruption nicht mit der geforderten Härte verfolgt und sanktioniert wird, sondern von korrupten Anwälten bearbeitet werden, woran soll man dann noch glauben? Wenn ein Ex-Präsident nach seiner abgesessenen 2-jährigen Haftstrafe die Dreistigkeit besitzt sich eben für jenes Ex-Amt zur Wahl zu stellen und dann mit einer überwältigenden Mehrheit von 97% in eben jenes wieder berufen wird, bleibt einem vor verständnislosem Staunen der Mund offen stehen.

Aber wieso eigentlich dran stören? Wieso kann man dies nicht als gelungener Protoptyp einer Resozialisierung empfinden: Die Gesellschaft verzeiht symbolisch nicht nur dem ehemaligen Straftäter, sondern sorgt stattdessen noch für die soziale Integration.

Aus Prinzip! Wegen des fehlenden moralischen Bewusstseins all jener Menschen, die eben jenen Mann bestätigen. Vielleicht auch wegen eines bedenklichen Abstumpfungsprozess, der langsam einsetzt, und eine höchst fragliche Abwägung möglich macht. Ganz im Sinne einer utilitaristischen Güterabwägung wird die gezeigte und bewiesene Fachkompetenz der amoralischen und korrupten Gesinnungen vorgezogen. Vielleicht auch wegen eines gewissen Desillusionierungseffektes, der eintritt, da der Eindruck entsteht, dass für die Sportler und Funktionäre, die in ihren eigenen Sphären leben, auch eigene Gesetze gelten. Und das ist gefährlich und darf nicht passieren, da wir alle in einer Gesellschaft leben. Und da dürfen keine Unterschiede gemacht werden, weil ja auch Sportler eine große Identifikationsfläche und somit Vorbildfunktion für viele Jugendliche bieten. Und wie fatal wäre es denn bitte für deren Erziehung, wenn sie schon früh erkennen, dass es für einen unterschiedlichen Stand der Menschen andere Regeln gibt? Das widerspricht den Grundsätzen der Demokratie und der Menschenrechte, welche die Gleichheit bzw. Gleichbehandlung aller Menschen im Sinn hat.

Das Online-Portal Footleaks ist ein wunderbares Instrumentarium diesem Trend entgegenzuwirken. Man kann nur hoffen, dass mit der bewiesenen Transparenz und der Offenlegung dieser sensiblen Daten die Empörung in der Gesellschaft groß genug wird und (gerade bei den FußballFans) Gegen-Reaktionen hervorrufen. In meinen Augen sollte eh der Fußball als privater Raum viel mehr für politische Botschaften genutzt werden, um über die integrative Kraft des Sports zu mobilisieren und die tlw. Vorhandene Politikverdrossenheit zu eliminieren.

Denn letztlich erweisen sich Steuersünder wie Messi, Neymar und Co als undankbar und egoistisch. Mit ihrer unterschlagenen Steuerschuld lassen sie alle kleine Bürger im Regen stehen, die am Ende womöglich sogar ihr Trikot tragen.

Darüber sollte jeder einzelne Fan mal nachdenken.

Quellen:

Bild:

https://www.dropbox.com/s/fhcd7d767c871a4/Screenshot%202016-12-23%2019.18.46.png?dl=0

Zitate

http://www.zeit.de/wirtschaft/2016-07/lionel-messi-steuerhinterziehung-haftstrafe-geldstrafe

(https://www.welt.de/sport/fussball/internationale-ligen/article159950040/Mesut-Oezil-einfach-mal-den-Fiskus-tunneln.html)

Aufrufe: 023.12.2016, 20:56 Uhr
Romina BurgheimAutor