2024-04-19T07:32:36.736Z

EM2016
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"Rizzoli-Bedenken sind unbegründet"

EM LOKAL: +++ Schiedsrichter-Lehrwart Patrick Haustein im Interview +++

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Giessen (dbf). Nur noch zwei Spiele sind zu absolvieren, dann ist die EM in Frankreich schon wieder Geschichte. Während der Europameister noch nicht feststeht, lässt sich anderweitig schon eine Bilanz ziehen: Wenn es ein Gesprächsthema bei diesem Turnier gab, dann waren es zu keiner Zeit die Leistungen der Schiedsrichter. Ein seltenes Phänomen im Fußball. Der Gießener Kreislehrwart Patrick Haustein ordnet für uns das Abschneiden der Unparteiischen in diesem Frühsommer ein.

Bei den letzten Welt- und Europameisterschaften standen die Schiedsrichter häufig stark in der Kritik. Aktuell hört man diesbezüglich kaum etwas. Ein Zeichen für ein gutes Turnier der Unparteiischen?

Auf jeden Fall. Generell lassen sich die Schiedsrichterleistungen bei dieser EM bisher als sehr zufriedenstellend bezeichnen, das kann man ganz klar so festhalten. Natürlich gibt es immer irgendwo Optimierungspotenzial, aber es kamen noch keine spielentscheidenden Patzer vor, was sehr positiv ist. Außerdem haben die Unparteiischen oft durch eine starke Persönlichkeit überzeugt.

Wie beurteilen Sie die Leitung des deutschen Vertreters Felix Brych?

Brych hat sich dem sehr guten Niveau angepasst. Sehr imponiert hat mir sein zweiter Auftritt. Hier verteilte er in der ersten Halbzeit vier gelbe Karten. Überproportional viel, aber so legte er eine klare Linie fest und konnte in der zweiten Halbzeit die Früchte ernten, als er kein einziges Mal eine Karte zücken musste. Leider hat er im Viertelfinale eine knifflige Strafstoßszene in meinen Augen falsch ausgelegt, was die tolle Leistung ein wenig trübt. Trotzdem: Das deutsche Team hat sich insgesamt wirklich gut präsentiert.

Bei großen Turnieren fällt häufig auf, dass die Schiedsrichter einen besonders starken Fokus auf gewisse Vergehen legen, denkt man an Begriffe wie Ellbogeneinsatz oder Rudelbildung…

…dieses Mal gab es ebenfalls einige Regelanpassungen, die jedoch entweder kaum zum Tragen kommen oder unspektakulärer ausfallen. Man denke an die Regel, dass der Anstoß nun auch ins eigene Feld ausgeführt werden darf. Allerdings gilt generell, dass eine sehr großzügige Regelauslegung vorherrscht, es wird sehr viel laufen gelassen. Dass die Dreifachbestrafung abgeschafft wurde, konnte noch nicht auffallen: Bisher gab es schlichtweg keine entsprechende Spielsituation in diesem Sommer. Aber statt Rot bei Foul im Strafraum plus Elfmeter wird nun neben dem obligatorischen Pfiff lediglich die gelbe Karte angewandt.

Die Halbfinalspiele pfeifen der Schwede Jonas Eriksson und der Italiener Rizzoli. Angemessene Entscheidung?

Ja, beide haben sehr imponierend gepfiffen und sich diese Ehren verdient. Da war auch kein Promibonus dabei, es ist tatsächlich nach Leistung gegangen.

Manche deutsche Fans haben ja über einen Italiener als Referee gemosert, wo „La Mannschaft“ doch gerade erst Italien aus dem Turnier geschossen hat.

Bedenken sind da absolut unbegründet. Es wird immer nach Problematiken gesucht. Dabei gibt es ja nicht nur Überwachung durch Kameras, auch ist ein Schiedsrichter immer darauf aus, selbst eine transparente und hervorragende Leistung zu bringen. Er ist deshalb vollkommen neutral unterwegs.

Wer ist ihr Favorit für die Leitung der Finalpartie? Im Internet fallen die Namen Clattenburg, Kassai oder Atkinson..

Mir hat der Türke Cüneyt Çakır anfangs hervorragend gefallen, etwas später hat er dann leider geschwächelt. Kassai ist auch ein guter Mann, mein klarer Favorit ist aber Mark Clattenburg. Mir kommt keine einzige Fehleinschätzung von ihm in den Sinn, dazu hat er auch kommunikativ auf dem Platz überzeugt. Er ist bei den Teams daher auch ungemein beliebt, und ich könnte mir sehr gut vorstellen, dass er für diese Elite-Leistung auch mit dem Finale belohnt wird.

Mit Blick auf die WM 2018: Wen würden Sie denn als Experte zum deutschen Vertreter ernennen, wenn Sie könnten?

Die Branche ist ebenso schnelllebig wie die der Profis. Ungeachtet dessen halte ich die Nominierung von Brych für die absolut richtige Entscheidung und würde sie Stand jetzt genauso treffen. Hinter ihm haben wir aber viele gute Schiedsrichter wie etwa Felix Zwayer. Und auch zwei Hessen, nämlich Tobias Stieler und Tobias Welz, denen ich beiden noch einen großen Entwicklungsschritt zutraue, genauso wie Deniz Aytekin. Aber nochmal: Aktuell ist Brych die klare Nummer eins.



Aufrufe: 07.7.2016, 11:53 Uhr
Dennis Bellof (Gießener Anzeiger)Autor