2024-04-23T06:39:20.694Z

WM 2014
Sami Khedira, Bastian Schweinsteiger und Philipp Lahm habe in Brasilien noch viel vor.  Foto: afp
Sami Khedira, Bastian Schweinsteiger und Philipp Lahm habe in Brasilien noch viel vor. Foto: afp

Rio de Janeiro lockt, Brasilia droht

Die Fußball-Welt staunt erneut über die effizienten Deutschen, die gegen den Gastgeber den nächsten Schritt planen +++ Klose will ,,das Ding" halten.

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Das brasilianische Fernsehen hat natürlich prompt Hundertschaften von Reportern in Marsch gesetzt, um über den kommenden Gegner zu berichten. Rätselhaft blieb, warum einige mit gezücktem Mikrofon lieber aus dem Fährhafen Santa Cruz Cabralia berichteten, als das Boot hinüber zum deutschen WM-Quartier Campo Bahia zu nehmen. Womöglich der Kulisse am Strand mit den gestrandeten Booten wegen. Vielleicht herrscht aber auch Berührungsangst: Denn der Gastgeber befürchtet, im Halbfinale gegen diese verflucht effizienten Deutschen selbst zu stranden.

Bohrende Fragen

Die Welt zieht wieder einmal ehrfurchtsvoll den Hut vor der Auswahl des Deutschen Fußball-Bundes (DFB). Zum vierten Mal ist Folge ist sie ins Halbfinale einer WM eingezogen. Vor allem die Journalisten aus dem angelsächsischen Raum stellen in den Pressekonferenzen immer bohrendere Fragen, wie das geht. Für vier Halbfinal-Teilnahmen der eigenen Mannschaft müssten sie wahrscheinlich einen Zeitraum von 200 Jahren in Anschlag bringen, und dass diese direkt aufeinander folgen, liegt außerhalb jeder Vorstellungskraft.Elf Gegenspielern auf dem Platz und der Titel-Sehnsucht von 200 Millionen Brasilianer müssen die Schützlinge von Joachim Löw am Dienstag (22 Uhr/ZDF) in Belo Horizonte trotzen. Bange ist ihnen nicht, im Gegenteil. In gar nicht mehr so weiter Ferne lockt der große Coup. ,,Wir haben eine große Möglichkeit, das Ding in der Hand zu halten", sagte Miroslav Klose.Diese Aussicht auf die goldene WM-Trophäe weckt nicht nur im 36 Jahre alten Routinier die Kraft der zwei Herzen. Der umkämpfte 1:0-Sieg gegen Frankreich im Viertelfinale von Rio de Janeiro soll nur eine Zwischenstation gewesen sein. ,,Das Projekt ist noch nicht beendet", haben sich Joachim Löw und seine Spieler geschworen. Am 13. Juli wollen sie erneut auf dem Rasen des sagenumwobenen Maracana-Stadions stehen und den vierten Titel nach 1954, 1974 und 1990 holen. Als Engländer verstünde man wohl die Welt nicht mehr.

Alle sind wohlauf

,,Es ist eine große Ehre, gegen den Gastgeber anzutreten, aber auch eine große Herausforderung", umriss Bastian Schweinsteiger am Sonntag in Santo Andre die Schwere der Aufgabe und ergänzte: ,,Wir sind schon sehr fokussiert auf das Spiel." Rekordweltmeister Brasilien steht nach dem Ausfall von Superstar Neymar (Wirbelbruch) und der Halbfinal-Gelbsperre von Kapitän Thiago Silva unter Schock. Im deutschen Lager sind alle wohlauf, auch aus dieser Tatsache saugt der Trainerstab Zuversicht.Löw erweist dem fünfmaligen Titelträger natürlich den gebotenen Respekt. ,,Glückwunsch, Brasilien! Ihr spielt und organisiert eine fantastische WM. Das wird ein großes Spiel in Belo Horizonte", verkündete der 54-Jährige. Ein Spiel allerdings, in dem Brasilien auf seinen großen Hoffnungsträger verzichten muss. ,,Wir sind alle sehr traurig, dass Neymar nicht spielen kann. Es ist immer das Beste, wenn alle großen Spieler bei einem großen Spiel auf dem Platz stehen", sagte Schweinsteiger, der eine gewaltige Trotzreaktion beim Gegner befürchtet: ,,Die brasilianischen Spieler wollen den Titel für ihn holen, das kann schon Kräfte freisetzen." Kräfte, die schon mal die eigene Unversehrtheit in Frage stellen können. ,,Sie gehen auch an die Grenze des Erlaubten", warnte Löws Assistent Hansi Flick vor der irrigen Annahme, bei jedem Brasilianer handle es sich um einen Filigrantechniker, der das körperlose Spiel verinnerlich hat. Flick misst zudem dem Ausfall Neymars keine sonderlich große Bedeutung bei: ,,Die werden das kompensieren können.",,Jetzt erwartet uns eine der schwierigsten Herausforderungen im Weltfußball: Brasilien im eigenen Land zu schlagen", sagte das Kopfball-Ungeheuer Mats Hummels. Mit seinem zweiten Turniertreffer hatte der Dortmunder am Freitagabend das Duell mit der Equipe Tricolore entschieden. ,,Jetzt wollen wir den nächsten Schritt machen", hatte Löw unmittelbar nach dem Abpfiff in Rio verkündet. Schweinsteiger setzt den Bundestrainer augenzwinkernd unter Erfolgsdruck. ,,Hier holt eine Mannschaft den Titel, die einen intelligenten Trainer hat", verkündete der 29-Jährige. Löw, an dem die Kritik im Turnierverlauf abperlte, darf sich indirekt schon mal geschmeichelt fühlen.

Aus den Knochen schütteln

Die Frauen, Freundinnen und Familien durften nochmals ins Campo Bahia, die Spieler sollten die Strapazen des Frankreich-Spiels ,,aus den Knochen schütteln", dann befahl der Bundestrainer volle Konzentration auf Brasilien. Rio lockt, doch droht auch Brasilia. ,,Ich brauche nicht mehr um Platz drei zu spielen. Definitiv!", unterstrich Kapitän Philipp Lahm.Brasilia als Schlusspunkt in Brasilien: Das klingt in den Ohren der DFB-Kicker in etwa so verlockend wie die Aussicht auf einen zwölften Tabellenplatz in der Fußball-Bundesliga.

Aufrufe: 07.7.2014, 10:00 Uhr
von Heinz Gläser, MZAutor