2024-03-28T15:56:44.387Z

Querpass

Das Ländchen bebt

Überraschung in der Europa-League: Luxemburger vom FC Progrès Niederkorn schalten die Glasgow Rangers aus - Ex-Trierer Max Watzka mit starker Leistung.

Um 21.37 Uhr war am Dienstag Abend eine der größten Überraschungen im Luxemburger Fußball überhaupt perfekt: Mit 2:0 hatten der FC Progrès Niederkorn das Team des schottischen Rekordmeisters Glasgow Rangers besiegt und zog nach dem 0:1 fünf Tage zuvor im Ibrox-Park in die zweite Qualifikationsrunde der Europa-League ein. Hier wartet nun aller Voraussicht nach der zypriotische Vertreter AEL Limassol, der sich im Hinspiel mit 4:0 bei St. Joseph's in Gibraltar durchgesetzt hatte. Das Hinspiel findet am 13. Juli statt, das Rückspiel am 20. Juli.

„Wahnsinn, Wahnsinn. Super. Heute haben wir ein Märchen geschrieben.“ Paolo Amodio, der Trainer der Niederkorner, kam kurz nach dem Abpfiff des isländischen Schiedsrichtergespanns aus den Superlativen gar nicht mehr heraus. Und auch Max Watzka, der im engmaschigen Mittelfeld der Luxemburger mit seiner Ruhe und Ballsicherheit geschickt die Fäden gezogen hatte, war völlig euphorisch, während er sich gemeinsam mit seinen Mannschaftskollegen vor den Progrès-Fans im hauptstädtischen Stadion Josy Barthel feiern ließ – aus Kapazitäts- und Sicherheitsgründen hatte der Tabellenvierte der zurückliegenden BGL-Ligue-Saison seine angestammte Spielstätte im Differdinger Stadtteil verlassen müssen. „Das ist wie ein Traum. Ein bisschen haben wir Angst, dass uns gleich jemand aufweckt und sagt, dass alles gar nicht reell ist.“

"Höhepunkt meiner Laufbahn"

Höhepunkt der Karriere? Spiel des Lebens? So weit wollte Watzka, der in der Saison 2012/13 für Eintracht Trier in der Regionalliga Südwest 29 Partien bestritt, dann für dreieinhalb Jahre zu Viktoria Berlin in die Regionalliga Nordost wechselte, um dann im Winter im Ländchen anzuheuern, im Vorfeld der beiden Spiele gegen die Rangers (noch) nicht gehen. Im Nachhinein musste der 31-Jährige dann aber doch eingestehen: „Das ist der Höhepunkt meiner Laufbahn. Vor knapp 50.000 Zuschauern im Hinspiel auf dem Platz zu stehen und dann auch noch gegen einen solchen Club weiterzukommen, ist schon grandios.“ Sehr gut sei man in die Zweikämpfe gekommen und auch am Ende konditionell voll auf der Höhe gewesen, durfte der gebürtige Leipziger am Dienstag Abend zurecht anmerken.

In der Defensive sehr konzentriert und immer wieder mutig im Spiel nach vorne agierte Niederkorn gegen allzu leidenschafts- und tempolose Schotten, die von rund 1500 unter den 5534 Zuschauern unterstützt wurden. Dass nicht mehr von der Insel zum ersten internationalen Einsatz der Rangers nach sechsjähriger Abstinenz (wegen einer Insolvenz war es zwischenzeitlich bis in die vierte Liga gegangen) kamen, hatte offenbar auch mit der kurzfristigen Hotelzimmer-Not im Großherzogtum zu tun: Wegen der ebenfalls zu Wochenbeginn in Luxemburg gastierenden Tour de France hatten sogar die UEFA-Delegierten erst im 40 Kilometer entfernten Diekirch eine Bleibe gefunden.

Tore in der 66. und 75. Minute

Drei Mal trafen die Rangers die Latte, hatten aber andererseits keineswegs ein klares Chancenplus. So etwa hatten auch die Niederkorner bereits vor dem 1:0 in der 66. Minute durch Emmanuel Francoise (war im Anschluss an eine Ecke aus kurzer Distanz erfolgreich) ihre Möglichkeiten. Gerade 100 Sekunden waren im zweiten Durchgang absolviert, als Francoise bereits Glasgow-Keeper Wesley Foderingham zu einer Glanzparade zwang. Auch nach der Führung der Luxemburger enttäuschten die Gäste um den früheren kroatischen Nationalspieler und Premier-League-Profi Niko Kranjčar (32). Eine Viertelstunde vor Schluss segelte der Freistoß aus halbrechter Position von Sebastien Thill an Freund und Feind vorbei zum 2:0 ins Netz – während die sonst so sangesfreudigen Fans aus Schottland spätestens da ihren Support eingestellt hatten, zeigten die traditionell eher reservierten Zuschauer aus dem Großherzogtum ungeahnte Emotionen.

Zufriedener Verbandspräsident

Lautstark zwar nicht, aber mit einem zufriedenen Lächeln registrierte Paul Philipp, der Präsident des Luxemburger Fußballverbandes FLF, die Niederkorner Überraschung, die „zwar glücklich, aber sicher nicht unverdient“ gewesen sei. Für den Fußball in seinem Land sei so etwas schon „ganz besonders“. Philipp relativierte aber auch ein Stück weit: „Die Rangers sind zwar kein großes Team mehr, aber ohne Zweifel unverändert eine Institution.“ Der 66-Jährige – selbst zwischen 1985 und 2001 Nationaltrainer – stufte den Niederkorner Coup „nicht als ganz große Überraschung“ ein. Clubs aus dem Großherzogtum und die Nationalmannschaft hätten in der Vergangenheit immer wieder für gute Ergebnisse gesorgt. Der FLF-Boss reihte den Progrès-Sieg etwa in die Erfolgserlebnisse vom F91 Düdelingen (schaltete 2012 den österreichischen Meister aus Salzburg aus) und des FC 03 Differdingen (kam 2013 gegen den niederländischen Vertreter FC Utrecht weiter) ein.

Halbe Million Euro sicher

Das Weiterkommen sorgt auch für einen äußerst lukrativen Zusatzverdienst für die Südluxemburger: „Durch den Einzug in die zweite Quali-Runde haben wir bereits rund eine halbe Million Euro an Prämien der UEFA sicher“, strahlte Norbert Emeringer, Vorstandsmitglied beim FC Progrès und Teamkoordinator. Vor rund zwei Wochen, bei der Auslosung im schweizerischen Nyon habe er schon einen Luftsprung gemacht („Die Rangers waren mit Abstand das attraktivste Los.“) und nun habe das Team „Vereinsgeschichte geschrieben“, wie er betonte. Die großen Erfolge auf nationaler Ebene liegen schon länger zurück; den letzten der drei Meistertitel holte man 1981. Und in bislang zwölf Europacup-Auftritten hatte es zuvor erst einen einzigen Treffer gegeben.

Um den Anteil von Max Watzka am jüngeren Aufschwung weiß auch Emeringer: „Ein wirklich guter Junge. Er ist verlässlich, immer freundlich und bringt auf dem Platz einfach seine Leistung. Wir sind froh, dass wir ihn haben.“

Aufrufe: 05.7.2017, 01:01 Uhr
Andreas Arens Autor