2024-05-10T08:19:16.237Z

Interview
Verteidigt die Arbeit der DFB-Führung: Hans-Ludwig Meyer, der allerdings auch die Probleme für ambitionierte Amateurvereine sieht.ör
Verteidigt die Arbeit der DFB-Führung: Hans-Ludwig Meyer, der allerdings auch die Probleme für ambitionierte Amateurvereine sieht.ör

"Regionalliga bleibt eine schwierige Spielklasse"

SHFV-Präsident Hans-Ludwig Meyer im Interview

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Mit dem vom ehemaligen Unterhachinger Präsidenten Engelbert Kupka initiierten Bündnis „Rettet die Amateurvereine“ formiert sich erstmals – wenn auch bislang noch auf bescheidener Basis – organisierter Widerstand gegen die Führung des Deutschen Fußball-Bundes und die Organisation des Fußballs in der Republik. Wir sprachen mit SHFV-Präsident Hans-Ludwig Meyer, der auch Mitglied im DFB-Vorstand ist und in der Revisionsstelle mit über die Finanzen des weltgrößten Sportverbandes wacht, über die Entwicklung des Fußballs, die Leistungen der Verbände auch für die kleinen Vereine und über berechtigte und unberechtigte Kritik.

Herr Meyer, im Süden Deutschlands formiert sich erstmals organisiert Widerstand gegen die Führung des DFB, der nach Meinung der Initiatoren den Amateurfußball vernachlässigt. Wie empfinden Sie diese Kritik, insbesondere durch Herrn Kupka?
Mit Kritik müssen wir als Funktionäre umgehen. Es ist aus Sicht der Vereine sicherlich auch nachvollziehbar, dass man sich noch mehr Unterstützung durch die Verbände wünscht. Aber der Eindruck, den Herr Kupka vermittelt, dass der DFB sich überhaupt nicht um seine Basis kümmert, ist einfach falsch. Und als langjähriger Präsident eines Vereins sollte er das eigentlich auch besser wissen. Ich denke, dass der DFB sehr viel, vielleicht mehr als je zuvor, für die Basis leistet.

Kritisiert wird vor allem, dass der Grundlagenvertrag mit der Deutschen Fußball-Liga für die Basis nicht genügend einbringt. Drei Prozent der Einnahmen des Profifußballs aus den Medienrechten landen beim Dachverband DFB. Hätte man da an der Stelle der Verbandsführung nicht besser verhandeln können?
Ich würde mir auch wünschen, dass der DFB, die Landesverbände und damit die Basis noch mehr von den steigenden Einnahmen des Profifußballs in Deutschland profitieren. Aber man darf nicht vergessen, dass im Rahmen des Grundlagenvertrages auch andere Rechte des DFB geregelt werden. Rund 80 Prozent der Einnahmen des Verbandes stammen direkt oder indirekt aus Quellen rund um die A-Nationalmannschaft. Dass sich beispielsweise die Spieler, die ja von den Proficlubs bezahlt werden, für Werbung der DFB-Sponsoren zur Verfügung stellen dürfen, ist auch ein Zugeständnis, das die DFL und ihre Vereine im Rahmen des Grundlagenvertrages machen. Das Thema ist komplexer als es mancher wahrhaben will.

Fakt bleibt aber, dass die Schere zwischen den „reichen“ Vereinen der beiden Bundesligen und den vermeintlich „armen“ Amateuren immer weiter auseinander geht.
Das ist sicherlich so, und das hat mit dem gewaltigen Interesse zu tun, das der Profifußball in den vergangenen Jahren ausgelöst hat. Dagegen zu steuern, ist schwer. Ich bin froh, dass wir mit dem neuen Fernsehvertrag für die 3. Liga einen guten Schritt machen konnten. Durch die geteilte Vergabe der Rechte an die Öffentlich-Rechtlichen und die Deutsche Telekom werden am Ende die Vereine profitieren. Ich gehe davon aus, dass die Einnahmen für Drittligisten aus der TV-Vermarktung um etwa 40 bis 50 Prozent steigen werden und die Kluft zur 2. Bundesliga damit etwas verringert wird.

Das ist für die 3. Liga zweifellos ein Schritt nach vorn. Für die Vereine darunter wird es allerdings noch schwerer. Von der Regionalliga abwärts gibt es keine TV-Gelder und auch kaum Vermarktungsmöglichkeiten. Den Sprung in den Profibereich der 3. Liga zu schaffen, wird auch wirtschaftlich immer schwerer.
Das ist leider so. Die Regionalliga profitiert von dieser Entwicklung im Moment nicht. Ich kann nachvollziehen, dass die Vereine das als schwierig empfinden.

Muss der DFB nicht eingreifen, um diese Probleme zu lösen?
Man muss das immer wieder deutlich machen: Schon aus gemeinnützigkeitsrechtlichen Gründen darf der DFB gar nicht direkt einzelnen Amateurvereinen Geld zukommen lassen, etwa zur Aufrechterhaltung ihres Spielbetriebs oder als Ausgleich für rückläufige Zuschauerzahlen. Der DFB darf seine Landes- und Regionalverbände unterstützen und vor allem gute Rahmenbedingungen schaffen, die im Ergebnis die Arbeit vor Ort an der Basis erleichtern. Dies auch mit der klaren Zielstellung, um Kosten und Aufwände der Vereine zu senken und Synergien zu schaffen. Jede finanzielle Unterstützung ist an die Erfüllung gemeinnütziger Aufgaben gebunden.

Müsste man nicht zumindest darüber nachdenken, in den Fällen, wo die Finanzierung nachweisbar schwierig ist wie in der Regionalliga oder teilweise in den Oberligen, die Kosten für die Vereine zu senken? Beispielsweise indem die Verbände die Schiedsrichterkosten in diesen Ligen selbst tragen oder auf die Spielabgaben verzichten?
Die Regionalliga ist als Schnittstelle zwischen Profi- und Amateurfußball eine schwierige Spielklasse. Hier treffen sich drei unterschiedliche Gruppen aufeinander: die U23-Mannschaften der Proficlubs, Amateurvereine, die in die 3. Liga wollen und solche, für die die Regionalliga eine Endstation darstellt. Kein Verein wird zur Teilnahme gezwungen, jeder muss selbst entscheiden, wo er von seinen Strukturen her hinpasst und wie er seine Ausgaben gestaltet. Ideal wäre natürlich ein Liga-Sponsoring, aber dies ist ja selbst in der 3. Liga noch nicht umgesetzt. In der Regionalliga Nord haben wir im Verhältnis zu den anderen Regionalligen sehr niedrige Teilnahmegebühren.

Haben Sie die Hoffnung, dass es mit einem Liga-Sponsoring für die Regionalliga Nord irgendwann klappen kann?
Viele Versuche sind gescheitert. Für mich ist jetzt das Pilotprojekt über Bewegtbild-Nutzungsrechte aus der Regionalliga Nord, der Oberliga Niedersachsen und den Bayernligen Nord und Süd mit der „_wige Media AG“, die vollautomatisiert Live-Übertragungen im Internet organisiert, eine mögliche zentrale Sponsoringmaßnahme. Damit verbunden ist auch eine bessere In-Szene-Setzung der eigenen Sponsoren vor Ort.

Ist es in den vergangenen Jahren schwieriger geworden, Fußball auf Amateurebene zu finanzieren?
Hier muss das Prinzip gelten: Die Einnahmen bestimmen die Ausgaben. Die größte Stellschraube, an der meiner Meinung nach zu drehen ist, ist die Vergütung von Spielern und Trainern. Da ist aber über Jahrzehnte ein System entstanden, das nun nicht mehr so leicht aufzubrechen ist. Aber ich habe schon das Gefühl, dass Veränderungen kommen, zumal die Vereinsführungen auch spüren, dass die Steuerbehörden und Sozialversicherungsträger immer genauer auf den Fußball schauen. Da ist das Gebot der Stunde, sehr sorgfältig zu wirtschaften.

Das macht die Arbeit natürlich nicht leichter. Es ist ein weiterer Punkt, der die Gewinnung ehrenamtlicher Mitarbeiter erschwert. Bekommt der Fußball da mittelfristig ein Problem?
Die Anzahl junger Menschen wird weniger, dazu kommen gesellschaftliche Rahmenbedingungen wie unregelmäßige Arbeitszeiten und verändertes Freizeitverhalten. Trotzdem habe ich nicht das Gefühl, dass die generelle Bereitschaft zu ehrenamtlicher Arbeit abnimmt. Die Menschen sind allerdings weniger in der Lage, sich rund um die Uhr und ein Leben lang zu engagieren. Da müssen wir uns im Verband wie auch in den Vereinen modern aufstellen. Wir müssen Strukturen verändern, um Menschen für projektbezogene Arbeit gewinnen zu können. Ich halte nichts davon zu jammern. Wir müssen bereit sein für Veränderungen, dann bin ich auch in diesem Bereich für die Zukunft recht optimistisch.

Sie haben eingangs davon gesprochen, dass der DFB und die Landesverbände viel für die Basis leisten. An vielen Stellen wird das anders empfunden. Warum ist das so?
Wir müssen an vielen Stellen die Arbeit des Verbandes noch besser transportieren, nach außen, aber auch in die Vereine. Aufbau und Struktur des deutschen Fußballs gleichen einer Pyramide. An deren Spitze stehen die Nationalmannschaften, getragen werden sie von einer riesig großen Basis mit rund 6,7 Millionen Mitglieder in etwa 25 000 Vereinen in ganz Deutschland. Für den DFB und seine Regional- und Landesverbände gilt es, Woche für Woche knapp 165 000 Mannschaften im wahrsten Sinne des Wortes ins Spiel zu bringen. Pro Saison werden 1,4 Millionen Fußballspiele in Deutschland im offiziellen Spielbetrieb absolviert. Das lässt sich nicht nebenbei organisieren.

Welche Bedeutung hat der Amateurfußball für den DFB?
In den Fußballvereinen an der Basis ist die Seele des Fußballs zu Hause. Es ist der Ort, an dem die Begeisterung für den Fußball geweckt und die Voraussetzung für den professionellen Spitzenfußball mit all seinen Fans geschaffen wird. Jede kleine oder große Karriere nimmt in einem Amateurverein ihren Anfang. Wer sich heute nicht um den Fortbestand der Vereine an der Basis und die Förderung junger Talente kümmert, gefährdet langfristig den Erfolg des gesamten Fußballs. Profifußball und Amateurfußball hängen deshalb gegenseitig voneinander ab. Nichts ist daher für den Fußball in Deutschland wichtiger als ein solidarisches Miteinander von Profi- und Amateurfußball. Das wird auch durch die Kampagne „Unsere Amateure – Echte Profis“ deutlich, die 1,7 Millionen Ehrenamtlichen die Wertschätzung vermittelt, die sie verdienen.

Mit welchen Maßnahmen wird die Basis denn auch finanziell so stark unterstützt wie Sie es betonen?
Der DFB und seine Verbände stellen nicht nur den Rahmen für den Spielbetrieb, dessen Dimensionen ich beschrieben habe, oder für Ausbildung von Schiedsrichtern und Trainern zur Verfügung und tragen über die über 300 DFB-Stützpunkte und die Sportschulen der Verbände zur Ausbildung der Talente bei. Gefördert werden die Nachwuchsleistungszentren und Eliteschulen des Fußballs. Und es werden immer auch Projekte an der Basis und für die Basis finanziert. Als Beispiele nenne ich da die Projekte des Masterplans Amateurfußball, die Ausbildung zum Junior Coach, das DFB-Mobil, zentrale digitale Dienstleistungsangebote wie fussball.de oder das DFBnet, die Entwicklungsmaßnahmen im Frauen- und Mädchenfußball oder das Bonussystem für Amateurvereine, die Junioren-Nationalspieler ausbildeten. Insgesamt summieren sich alle Unterstützungsleistungen für den Amateurfußball auf circa 30 Millionen Euro jährlich.

Nicht eingerechnet sind dabei die Einsparungen, von denen Vereine durch Innovationen in der Spielverwaltung und -organisation seitens des DFB profitieren, wo über das DFBnet nicht nur Zeit, sondern auch Geld gespart wird. Das Investment seitens des DFB für fussball.de und DFBnet beziffert sich seit 2001 auf rund 100 Millionen Euro. Allein der SHFV hat dafür einen finanziellen Aufwand von rund 140 000 Euro pro Jahr. Alle Vereine können alle Module kostenlos nutzen. Darüber hinaus setzt sich der DFB erfolgreich und mit Nachdruck auf politischer Ebene für Verbesserungen im Sinne der Vereine ein. Beispielhaft seien hier die aktuelle Änderung der Lärmschutzverordnung für Sportanlagen oder zuvor das Ehrenamtsstärkungsgesetz angeführt.

Haben Sie den Eindruck, dass die Bedeutung der Basisarbeit auch bei der DFL gesehen wird?
Das glaube ich schon. Das Zusammenspiel funktioniert in seiner Gesamtheit gut. Profifußball, angesiedelt bei der DFL, entgeltorientierter Amateur-Spitzenfußball und Breitenfußball leben solidarisch unter dem gemeinsamen Dach des DFB. Das funktionierende Zusammenspiel von Profis und Amateuren ist ein Alleinstellungsmerkmal in Europa, das den deutschen Fußball trotz Interessenunterschieden an der einen oder anderen Stelle auch künftig auszeichnen wird. Diese Einheit des Fußballs und damit den DFB gilt es zu erhalten, denn Basis und Spitze brauchen sich wechselseitig. Selbstverständlich ist aber, dass man sich immer und besonders in der Krise kritisch hinterfragen und nötige Reformen anstreben muss.
Aufrufe: 01.2.2017, 11:00 Uhr
SHZ / Interview: Christian JessenAutor