2024-05-10T08:19:16.237Z

Vereinstreue
Jubelt schon sein Leben lang für den SC Kohlheck: Der in der UdSSR geborene Andreas Reimer. Archivfoto: Henz.
Jubelt schon sein Leben lang für den SC Kohlheck: Der in der UdSSR geborene Andreas Reimer. Archivfoto: Henz.

"Reaktor-Clan" aus der Sowjetunion

Seit 24 Jahren ist Andreas Reimer Kohlhecker +++ Mit zwei Teamkollegen teilt er eine ganz besondere Story +++ An ein Leben ohne Fußball nur schwer zu denken

KOHLHECK. "Und dann haben wir plötzlich gemerkt, dass wir uns auch schon als Kinder hätten begegnen können", beginnt Andreas Reimer, der im Winter 1991 beim SC Kohlheck als F-Jugendlicher begann, die Erzählung einer kuriosen Geschichte. Denn mit zwei langjährigen Mitspielern verbindet ihn mehr, als er lange wusste.

Das Licht der Welt erblickte Andreas Reimer im Jahre 1982 in Stepnoje, Kasachstan. Als Siebenjähriger kam er über die Schwester seiner Oma in das Land, in dem er seither lebt. Ebenfalls im Jahr 1989 machte sich Familie Wolf mit Junior Viktor von Kasachstan auf den Weg nach Deutschland - und landete in Wiesbaden. Hierhin verschlug es schließlich auch den Dritten im Bunde: Viktor Andreas, der schon bald mit Viktor Wolf und Andreas Reimer für den SC Kohlheck auf dem Fußballplatz stand.

Wenige Kilometer trennten sie

Zweimal Viktor, einmal Andreas. Das passte. "Wir haben uns auf Anhieb sehr gut verstanden", beschreibt Andi Reimer den Kontakt zu seinen beiden engsten Vertrauten im Verein. Auf Viktor Wolf traf Reimer zum ersten Mal in der Kohlhecker B-Jugend, Viktor Andreas komplettierte das Dreigestirn mit gleichem Migrationshintergrund zu Beginn der Aktivenzeit, die bei Reimer als 18-Jähriger zur Saison 2000/01 begann. "Irgendwann haben wir uns die Frage gestellt, woher wir eigentlich genau kommen", erzählt der heute 32-jährige Reimer. "Da haben sich dann die kuriosesten Geschichten aufgetan." Denn die Familien der drei heutigen Kohlhecker lebten in einem Umkreis von 20 Kilometern. In der damaligen UdSSR, in Tschimkent, das heute zu Kasachstan gehört. Ungeahnte Kontakte zwischen den Familien der drei bestanden unter anderem in der Schule. So war beispielsweise der Opa von Viktor Wolf der Lehrer von Reimers Vater. "Die Tante von Viktor Andreas hat mich selbst unterrichtet", schmunzelt Reimer. Ganz einfach machte es sich der ehemalige Jugendtrainer Alfred Hamp, der die drei "Wolgadeutschen" als 'Reaktor eins, zwei und drei' bezeichnete. Reimer lacht: "Für ihn waren wir immer der Reaktor-Clan."

Nur im Dreierpack zu haben

Dieser Reaktor-Clan blieb in Kohlheck immer zusammen. "Wir haben uns immer gesagt: Wenn einer geht, gehen alle." Doch das war nie der Fall. Obwohl Reimer stets lukrative Angebote hatte. In der C-Jugend hatte er die Einladung, bei Mainz 05 vorzuspielen, entschied sich aber dagegen. Der damalige Kreisauswahlspieler blieb seinem Verein treu - und kickte weiter mit seinen Freunden beim SCK. "Den Versuch hätte ich wohl mal wagen sollen", bereut der Rechtsfuß heute ein bisschen. Doch auch als Aktiver wagte er nie einen Versuch - trotz einiger höherklassiger Angebote: "Es gab Überlegungen, zum SV Wiesbaden oder zum FV Biebrich zu wechseln. Letztlich habe ich das aber nie gemacht, weil ich hier mein vertrautes Umfeld habe. Es passt alles." Zu diesem vertrauten Umfeld gehört auch Reimers Cousin David Klein, mit dem er schon öfter zusammen auf dem Feld stand.

Vorbild für jüngere Spieler

Als besonderes Highlight in seiner Zeit an der Schönbergstraße führt Reimer den Kreispokalsieg 2002 an, den man sensationell als A-Ligist schaffte. Ein Ereignis, an das sich der beste Kohlhecker Speedometerschütze (116 km/h gelangen ihm im November 2014) ebenfalls gerne erinnert: Der Aufstieg in die Kreisoberliga, der in der Saison 2004/05 gelang. Was sich geändert hat in der gesamten Zeit? "Das Niveau in der A-Liga war damals höher als jetzt in der Kreisoberliga. Da haben einige Spieler gespielt, die früher in Profiligen aktiv waren", vergleicht Reimer. Nachdem er zwischenzeitlich das Kapitänsamt in Kohlheck bekleidete, gab der Flughafentankwart aus beruflichen und familiären Gründen die Binde wieder ab. Doch der zweifache Familienvater, der seinen Sohn im Sommer beim SC Kohlheck anmelden möchte, betont: "Trotzdem sehe ich mich durch meine Erfahrung als Führungsperson an. Wie es damals die älteren Spieler bei mir gemacht haben, versuche ich nun den jungen Spielern zu helfen, wo ich kann." Vielversprechende Talente des SC Kohlheck sind laut Reimer Mustafa Bakir und Reddouan Hadouzi sowie Yasin Can, der seit Winter beim Kreisoberligisten kickt.

Wohl noch ein weiteres Jahr SCK-Spieler

Ziel für diese Runde war in Kohlheck, "unter die ersten Fünf zu kommen". Da dieses Ziel mit aktuell zehn Punkten Abstand auf den Fünften TuS Nordenstadt schwer zu erreichen scheint, soll nun am Saisonende mindestens der siebte Platz stehen, auf dem die Kohlhecker aktuell rangieren. Doch auch unabhängig vom Verlauf der restlichen Saison - Reimer bleibt den Kohlheckern über den Sommer hinaus erhalten. "Im Verein bleibe ich auf jeden Fall weiterhin, vermutlich hänge ich auch noch ein Jahr als Spieler dran", gibt Familienvater Reimer aus. Nach fast 25 Jahren Fußball ist es, wie Reimer merkt, schwer sich loszureißen. Momentan muss er sich noch eingestehen: "Ich brauche einfach diesen Schub."

Aufrufe: 03.3.2015, 06:00 Uhr
Patrick RuppAutor