2024-05-10T08:19:16.237Z

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„Die Pause hat mir sehr gut getan.“ Milorad Pilipovic ist seit Samstag wieder Trainer in Bahlingen.   | Foto: Seeger
„Die Pause hat mir sehr gut getan.“ Milorad Pilipovic ist seit Samstag wieder Trainer in Bahlingen. | Foto: Seeger

Pilipovic: "Ich spüre das Brennen in den Augen der Spieler"

BZ-Interview: Milorad Pilipovic über den Weg aus Krise mit dem Bahlinger SC, Frauen- und Männerfußball sowie den positiven Effekt einer Auszeit als Trainer

Wie das so ist mit Trainern im Wartestand. Manchmal ist die Wartezeit von heute auf morgen vorbei. Eigentlich sollte Milorad Pilipovic erst am 1. Juli den Fußball-Oberligisten Bahlinger SC übernehmen. Doch dann rutschten die Kaiserstühler am vergangenen Wochenende durch eine 0:4-Niederlage beim FC Nöttingen auf den drittletzten Platz - und der Vorstand zog kurzerhand den Wechsel von Alexander Hassenstein zu Pilipovic vor. Matthias Kaufhold sprach mit dem Ex-Profi (55) über die Zeit als Trainer-Ruheständler - und den Abstiegskampf mit dem BSC.
BZ: Herr Pilipovic, geben Sie es zu, Sie haben es genossen, am Sonntag wieder als Trainer auf dem Platz zu stehen.

Pilipovic: Ich hatte das nicht geplant und habe mich auch nicht gefreut. Der Moment nach einer Trainerentlassung ist immer schwierig. Für die beteiligten Trainer, für den Vorstand und für die Spieler. Ich habe ihnen klar gemacht, dass sie diese Situation herbeigeführt haben. Aber ich bin vor Freude nicht in die Luft gesprungen, jetzt schon einzusteigen.

BZ: Wie erträgt ein Trainer, für den der Fußball das Leben bedeutet, eine längere Auszeit? Sie waren ja nach dem Abschied bei den SC-Frauen im Sommer 2013 ohne Job.

Pilipovic: Ich hatte eine Auszeit dringend nötig und musste etwas Abstand gewinnen, mich erholen. Die Pause hat mir sehr gut getan. Die Arbeit beim SC hat mir viel Freude bereitet, gerade das Training mit den Frauen, aber am Ende lief dort nicht alles reibungslos.

BZ: Der Bahlinger SC scheint sich in dieser Saison auf dem Feld die eine oder andere Auszeit genommen zu haben. Welchen Eindruck hat die Mannschaft in den ersten Trainingseinheiten auf Sie gemacht?

Pilipovic: Sie hat einen hervorragenden Eindruck hinterlassen. Ich bin selber einer, der mit Herz dabei ist, der Feuer und Leidenschaft ausstrahlen will. Ich spüre das Brennen in den Augen der Spieler. Der Funke scheint übergesprungen zu sein. Plötzlich steht der gesamte Kader auf dem Platz, 22 Spieler, ich muss vier Akteure für die beiden Partien am Wochenende streichen. Da ist Zug drin.

BZ: Wo wollen Sie ansetzen, um das Team aus der Abstiegszone zu führen?

Pilipovic: Im spieltaktischen Bereich geht es um das blitzschnelle Umschalten bei Ballverlust. Ich sehe den Ballverlust als Chance, da darf kein Spieler wie früher einfach abwinken. Wie das bei den Profis geht, zeigen Mannschaften wie Salzburg oder Leipzig, die methodisch von Ralf Rangnick geführt werden. Salzburg spielt mit das beste Gegenpressing in Europa. Zudem benötigen wir die richtige Aggressivität auf dem Platz. Kampfstark und trotzdem technisch fein - das ist das Ziel. Am liebsten will ich von draußen zusehen und das Spiel meiner Mannschaft genießen. Fußball kann so schön sein, und ich bin ein Genussmensch.

BZ: Aber im Moment zählen weniger ästhetische Momente als vielmehr Punkte.

Pilipovic: Die Wahrscheinlichkeit, diese Punkte zu holen, ist wesentlich größer, wenn wir ein klasse Spiel zeigen und mit Leidenschaft zu Werke gehen. Die Einstellung der Mannschaft ist wichtig, doch der spielerische Moment ebenso.

BZ: In Bahlingen reden viele davon, dass die Mannschaft eigentlich das Potenzial habe, um vorne mitzuspielen. Auch in der Mannschaft glauben das viele. Haben die den Ernst der Lage schon kapiert?

Pilipovic: Klar haben die Spieler sich diese Runde ganz anders vorgestellt. Wenn es nicht so klappt wie erhofft, zehrt das an den Nerven, ist Frust da. Das müssen wir lösen. Ich habe gerne Spaß beim Fußball. Wenn der Ball rund ist, muss es auch rund laufen. Dafür sind aber auch klare Regeln und Disziplin notwendig. Ohne das geht es nicht im Leben.

BZ: Sie haben drei Jahre lang die Frauen des SC Freiburg trainiert. Stimmt das Vorurteil, dass man mit Frauen auf dem Platz einfühlsamer und sensibler umgehen muss als mit Männern?

Pilipovic: Nein, kategorisch nein. Ich soll ja als harter Hund bekannt sein, doch ich bin einer mit einer harten Schale und einem weichen Kern. Man muss mit Jungs und mit Mädels ehrlich und offen sein. Wenn sie spüren, dass der Trainer sie weiterbringen will, kann man sie pushen. Wir haben beim SC überragend gearbeitet. Ich habe immer noch Kontakt zu vielen Spielerinnen von damals.

BZ: Stimmt es, dass Sie bei ihrem ersten Trainerengagement in Bahlingen den Verein 2010 nicht verlassen wollten?

Pilipovic: Der Verein hat mir damals mitgeteilt, dass er anders plant. Für mich war das verwunderlich, weil wir sehr gut drauf waren und die Saison als Tabellendritter abgeschlossen haben. Ich bin der Meinung, wir hätten im nächsten Jahr eine gute Chance für den Regionalliga-Aufstieg gehabt. Die handelnden Personen sind jetzt auf mich zugekommen, haben mir in die Augen geschaut und gesagt, sie hätten damals einen Fehler gemacht.

BZ: Die Wunden sind also verheilt?

Pilipovic: Jeder, auch ich, lernt aus Fehlern. Wir geben uns noch mal eine Chance. Es besteht eine Sehnsucht, die erfolgreiche Zeit wieder aufleben zu lassen.


Zur Person: Milorad Pilipovic
Seit der gebürtige Jugoslawe 1984 von Spartak Subotica zum SC Freiburg wechselte, ist er in Südbaden ein Begriff. Erst als Mittelfeldspieler des Zweitligisten SC Freiburg (zehn Tore in einer Saison), später, nach drei Jahren erster Bundesliga beim Karlsruher SC, als Trainer des FC Emmendingen, des FC 08 Villingen und des Bahlinger SC, die Pilipovic 2010 auf Rang drei der Oberliga führte - die erfolgreichste Saison in der Vereinsgeschichte. Es folgten drei Jahre als Verantwortlicher bei den Bundesliga-Fußballerinnen des SC Freiburg, wo man sich im vergangenen Jahr etwas abrupt trennte.
Aufrufe: 016.4.2014, 22:00 Uhr
Matthias Kaufhold (BZ)Autor