2024-04-25T10:27:22.981Z

Ligabericht
Johannes Ederer zeigt sich überzeugt: Ostbayern hat ganz viel Potenzial.
Johannes Ederer zeigt sich überzeugt: Ostbayern hat ganz viel Potenzial.

Ostbayern hat ganz viel Potenzial

Der Chamer Johannes Ederer will als DFB-Stützpunktkoordinator den Talenten der Region helfen, im Profibereich Fuß zu fassen.

Zum 1. Dezember hat Johannes Ederer offiziell das Amt das DFB-Stützpunktkoordinator Ostbayern von Antonio Di Salvo übernommen, der wiederum vor rund zwei Jahren den seit 2001 in dieser Region tätigen Michael Köllner beerbt hatte. Nun stellte sich Johannes Ederer den Fragen des MZ-Redakteurs Andreas Allacher.

Was sind die Schwerpunkte dieser Aufgabe?

Die flächenmäßig große Region Ostbayern, die von Bayreuth bis Waldkirchen reicht, die ganze Oberpfalz und auch Nürnberg umfasst, hat 15 DFB-Stützpunkte, darunter drei BFV-Nachwuchsleistungszentren (NLZ), an denen derzeit 55 hochkompetente Trainer mit insgesamt 746 Talenten arbeiten. Ich sehe meine Rolle als Dienstleister für die Trainer, darunter Fußballlehrer wie Günter Brandl und mehrere A-Schein-Inhaber mit Erfahrung im höherklassigen Amateurfußball. Ihnen will ich mit vielen Infos einen Mehrwert bieten. Den Spielern möchte ich in ihrer Entwicklung in einer offenen Kommunikation mit Stützpunkttrainern, Vereinsbetreuern und Eltern helfen und bei Vereinswechseln eine neutrale und ehrliche Meinung bieten. Ich will mit einer intensiven Netzwerkarbeit Ansprechpartner auch für die Vereine sein. Dazu kommen die originären Arbeiten wie Administration und Verwaltung der Stützpunkte, Qualitätskontrolle in der Trainingsarbeit und bei Sichtungen, Trainerfortbildungen, Planung des Stützpunktjahres und Organisation der Regionalauswahlteams mit etwa 50 Trainingseinheiten und Sichtungsspiele pro Kalenderjahr.

Das ist ja ein breites Aufgabenfeld: Wo sind denn derzeit die größten Baustellen?

Noch sind einige Trainerstellen vakant – auch ein Ergebnis der relativ strukturschwachen Region. Hoch ist die nötige Eignungsstufe mit der DFB-Elite-Jugendlizenz, das ist mehr wie der B-Schein. Auch arbeiten manche Trainer lieber im Erwachsenenbereich, weil dort größere finanzielle Spielräume bestehen. Ich habe deshalb in einem neuen Projekt schon neun sogenannte Zusatztrainer im Alter von 20 bis 35 Jahre installiert, die in den Stützpunkten zusätzliche Aufgaben in Training und Sichtung übernehmen. Das ist auch für aktive Spieler interessant, die eine hohe Eigeninitiative zeigen und den Stützpunkt als Sprungbrett ins Trainergeschäft sehen. So kann die Region aus den eigenen Reihen Trainer entwickeln.

Sie haben ja selbst sehr jung als Trainer angefangen...

Ja, nach den ersten fußballerischen Schritten beim SV Geigant kam ich zum Nachwuchs des ASV Cham und war selbst vier Jahre lang Stützpunktspieler. Aus gesundheitlichen Gründen spielte ich eher zur Gaudi wieder zwei Jahre in Geigant, wo ich parallel das Traineramt zuerst bei den A-Junioren und dann bei der „Ersten“ übernahm. Es folgte ein erneuter Wechsel zum ASV Cham: Ich stieg mit der 2. Mannschaft in die Bezirksliga auf, betreute mehrere Juniorenteams, wurde Stützpunkttrainer und übernahm nach der Zeit als Sportlicher Leiter des Landesliga-Teams die Leitung des BFV-NLZ „Heldenschmiede“. Als Sportwissenschaftler war ich seit 2011 für die Chamer Kindersportschule verantwortlich. Diese tolle Einrichtung betreut selbst etwa 200 Kinder – mit Kooperationen über 500 – und ist unter dem Motto „Früh beginnen, rechtzeitig spezialisieren“ ein Motor des ASV.

Sehen Sie das NLZ des ASV Cham auch als Motor der ganzen Fußballregion?

Das lässt sich mit vielen Beispielen belegen. Allerdings habe ich angesichts des demografischen Wandels viel Verständnis für das Misstrauen der Vereine, dass der Schritt ihres Talents in den Stützpunkt der erste Schritt weg vom Heimatverein sein könnte. Aber wenn ein Spieler Talent hat, sollte er es versuchen. Denn die Späher der Profis suchen nicht bei den kleinen Vereinen, sondern genau auf dieser Zwischenebene. Und man muss auch sehen, dass die gut ausgebildeten Spieler, wenn sie den Sprung nach oben nicht schaffen, in ihren Heimatvereinen wichtige Impulse geben. So hat der ASV Cham mit nur einer A-Junioren-Mannschaft im Vorjahr rund ein Dutzend der der B-Jugend entwachsenen Spieler abgegeben. Der TB 03 Roding etwa kann auf zahlreiche Spieler bauen, die aus Roding und der Umgebung stammen, in Cham ihre Ausbildung genossen und nun wieder für die „Turner“ aktiv und erfolgreich sind. Ein anderes Beispiel: Die SpVgg Pfreimd hat viel vom Strukturwandel in der U23 der SpVgg SV Weiden profitiert, weil Eigengewächse zurückkehrten. Für mich ist es ein Geben und Nehmen: Ein NLZ ist auf die Mitarbeit der kleinen Klubs angewiesen und gibt auch schon mal ein Talent ins Profilager ab, aber die meiste Qualität geht zurück in die Region.


Ein Stützpunkt ist also aus ihrer Sicht auch ein Ausbildungszentrum für die Fußballregion?

Unbedingt, für die Talente, aber auch in der Aus- und Fortbildung der Trainer. Eine Region braucht Aushängeschilder über die Landkreisgrenzen hinweg, auch wenn es bisweilen schwer zu vermitteln ist. Als der ASV Cham mit den A-Junioren in die Kreisliga abgestiegen war, wurde das mangelnde Engagement in der Jugendarbeit kritisiert. Heute erntet der Verein Kritik, weil er Spieler aus der Umgebung integriert, mit denen er in der Landes- oder Bayernliga spielt. Allerdings nimmt die Akzeptanz der NLZ mit jedem Jahr guter Arbeit in der Region zu. Wie wichtig diese Mittelzentren sein können, ist im Nachbarlandkreis Schwandorf zu sehen, wo derzeit ein solches fehlt und die besten Talente nach Weiden, Cham oder Regensburg wechseln.


Wie groß schätzen Sie die Chancen eines ostbayerischen Talents ein, einmal in der Bundesliga zu spielen?

Das DFB-Talentförderprogramm wurde deshalb entwickelt, dass kein Talent unentdeckt bleibt. Aber: Von 150 000 E-Junioren eines Jahrgangs in Deutschland schaffen nur 4000 die Aufnahme in einen DFB-Stützpunkt, 800 in die NLZ der Profivereine und 25 spielen letztlich in den Profiligen. Fußball ist ein toller Sport und eine Profikarriere ein lohnendes Ziel, aber das Pendel kann schnell anders ausschlagen und eine Karriere scheitern. Darum ist Schule neben Fußball extrem wichtig. Wir fordern von den Jugendlichen Ehrgeiz, Disziplin und Zeitmanagement. In unserer Region gibt es einige Talente, denen wir den Sprung in ein Profi-NLZ zutrauen. Dazu ist aber auch ein Quäntchen Glück nötig.


Oft wird über den idealen Zeitpunkt für einen Wechsel zu einem Profiklub diskutiert.

Auch hier belegen die Zahlen, dass Spieler, die schon als F-Junioren im Profiverein sind, nur selten ganz oben ankommen. Ideal sind rund fünf Jahre in den NLZ der Bundesligisten, womit also der C-Jugend-Bereich der beste Zeitpunkt für den Schritt nach oben wäre. Doch es ist immer eine Einzelfallentscheidung: Wie leicht fällt dem Kind die Abnabelung vom Elternhaus? Wie hoch ist der Aufwand für die Familie durch die Entfernung zum Profiklub? Ist die schulische, physische und psychische Mehrbelastung zu schultern? Neben den Eltern entscheidet das Umfeld des Kindes mit Lehrern, Vereinstrainern und Freunden über eine erfolgreiche Laufbahn.


Formulieren Sie doch mal ein Anforderungsprofil für den Profi der Zukunft.

Technisch und taktisch gut ausgebildet, körperlich und psychisch stabil sowie schnell in allen Bereichen. Aber auf Topniveau entscheidet der Charakter. Spieler mit hoher Eigenmotivation wollen jeden Tag besser werden. Eigenschaften wie Fleiß und Bodenständigkeit, die in Ostbayern zu Hause sind, werden von den Profiklubs gesucht. Ostbayern hat unglaublich viel Potenzial. Darum ist es eines meiner Ziele, die Zahl derer zu steigern, die es in die Profiligen schaffen. Aber selbst wenn es nicht ganz nach oben reicht: Auch der semi-professionelle Bereich bietet viele Chancen, sich ein Studium zu finanzieren oder das Gehalt aufzubessern.

Aufrufe: 06.3.2017, 13:00 Uhr
Andreas Allacher, MZAutor