2024-04-19T07:32:36.736Z

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Opa und seine Jungs vom ASC Estebrügge

Georg Schultz ist die "gute Seele" beim ASC Cranz-Estebrügge - und auch mit 72 Jahren noch mittendrin im geschehen

„Opa“. Sein Spitzname wird seinem Alter gerecht: Georg Schultz ist 72. Sein Spitzname umschreibt, was er als Betreuer beim ASC Cranz-Estebrügge ist: ein fürsorglicher, manchmal grantelnder, immer liebevoller Kümmerer. Die Fußballer nennt er „seine Jungs“.

Georg Schultz sitzt im Vereinsheim des ASC Cranz-Estebrügge. Auf dem Kunstrasenplatz trainieren zwei Jugendmannschaften. Die Fußballer der ersten und zweiten Mannschaft trudeln nach und nach ein, das Training beginnt in einer halben Stunde. Stürmer Jan Wegener (30) tätschelt Georg Schultz den Hinterkopf und wuschelt ihm das weiße Haar durcheinander.

"Na, Opa", begrüßt Jan Wegener den Mannschaftsbetreuer und kassiert gleich einen Spruch im Vorbeigehen. Flapsige Sprüche sind Opas Markenzeichen.Jan Wegener gehört zu der Generation beim ASC, die Georg Schultz seit der C-Jugend begleitet. Damals war er vom TuS Jork zum ASC gewechselt. Mit dieser Generation gelang dem ASC seinerzeit der Aufstieg in die Kreisliga und später in die jetzige Bezirksliga. Von dem damaligen A-Juniorspieler Jan Wegener hat Georg Schultz indirekt seinen Spitznamen Opa bekommen. Während einer Mannschaftsausfahrt bummelten er und ein paar "seiner Jungs" durch die Stadt, in einem Stadtpark pausierte der Trupp und plauderte Quatsch.

"Und neben uns stand ein Mädel und träumte so vor sich hin", erzählt Georg Schultz, da habe er gesagt: "Na Mädel, du bist ja soweit weg." Das Mädel antwortete schlagfertig: "Ich habe euch schon gehört, Georg." Sein Name war während der Plauderei ja öfters gefallen. Jan Wegener konnte es aber im ersten Moment nicht fassen. "Der alte Opa kennt hier so ein Mädel, oder was", irgend so etwas habe er gesagt, erinnert sich Georg Schultz und amüsiert sich. Seitdem heiße er bei "seinen Jungs" jedenfalls Opa.

Opa ist früher mit den Jungs auch in die Buxtehuder Disco Garage gegangen. "Immer im ASC-Outfit", sagt er. Beim ersten Mal dachten die Spieler, er werde in dem Dress nicht reingelassen. Die ganz wilden Zeiten sind vorbei. "Ich bin auch so einer, der nicht so gut aufhören kann, wenn er erstmal loslegt", sagt er. Opa wird älter. Und Opa ist vor 13 Jahren noch mal Vater eines Sohnes geworden, kurz nachdem er zum dritten Mal geheiratet hat. Die ganzen Trainingseinheiten tut er sich als Betreuer nicht mehr an. "In meinem Alter muss man auch mal früher ins Bett gehen", sagt er. Für seine dritte Frau und sein drittes Kind wolle er genügend da sein.

Jörg Schier, Horst Lehmann, Arne Stobbe, Dirk Jacobi, Dieter Köpke und jetzt Thomas Brokelmann und Rossen Atanassov. Georg Schultz hat während der Herrenzeit schon viele Trainer der ersten Mannschaft erlebt. "Hilfedienste neben dem Platz", umschreibt er seine Aufgaben. Bälle, saubere Trikots, Sanitäterkoffer, Pässe. Opa kümmert sich um alles, "womit sich die Trainer nicht belasten sollen". "Ein überragender Typ", urteilt ASC-Trainer Thomas Brokelmann, den Opa auch gern mal "Herr Brokmüller oder Brokdorf" nennt.

Jetzt ist er hauptverantwortlicher Würstchenbuden-Betreiber. Weil es, nachdem der langjährige Grillmaster Jens Wulf aufgehört hatte, in dieser Saison nicht richtig lief mit dem Ausschank während der Heimspiele. Eigentlich sollten sich immer Spieler finden, die den Job ausfüllen. Eigentlich. Da wird der scheinbar immer gut gelaunte Opa, der Kümmerer, auch mal ernst. "Das muss man richtig machen. Mit dem Verkauf kann man gutes Geld für den Verein machen", sagt Georg Schultz. Insgesamt gefällt ihm das "soziale Engagement" der heutigen Generation nicht. "Es sind immer dieselben, die machen und tun", sagt Georg Schultz. Manche tragen mal eben einen leeren Kasten von A nach B und denken, sie hätten damit schon Großes geleistet.

Gerade kürzlich habe er in die WhatsApp-Gruppe geschrieben, wer vor einem Spiel mit anpacken könne. "Da haben sich nur zwei gemeldet", sagt Georg Schultz. Und die Zwei sind von der kürzlich eingegliederten SV Este 06/70 gewesen, betont er. "Das muss wieder besser werden", sagt Georg Schultz.Er will nicht missverstanden werden: "Das ist schon eine echte Truppe." Aber er vermisst, dass die Jungs nach Spielen noch zusammensitzen. Mit alle Mann. Auch mit der zweiten und dritten Mannschaft. Es sei noch gar nicht so lange her, da war das noch so. Da ist Opa Romantiker. Fußball ist für ihn Gemeinschaft und Zusammenhalt.

"Was immer funktioniert, sind die Ausfahrten", sagt Opa. Er sei da gerne in Deutschland unterwegs, aber die erste Mannschaft habe "den Tick", nach "Malle" zu fahren. Das sei nicht so sein Ding. "Dieses Mal hab ich gesagt: Okay, ich mach den Grill und ihr spendiert mir das Ticket", erzählt er und lacht. Opa auf Malle. Natürlich im ASC-Outfit.

Als der Buxtehuder SV in der Landesliga spielte, fragte Horst Lehmann bei Georg Schultz nach, ob er sich einen Betreuerjob beim BSV vorstellen könne. Georg Schultz ließ sich von Lehmann, Rene Klawon und Thorsten Pohl überreden. Er stellte aber klar, dass der ASC immer Vorrang habe. So sah man Opa oftmals sonnabends im Jahnstadion und sonntags beim ASC. Das wurde ihm aber zu stressig. Ein paar BSV-Spieler überredeten Georg Schultz, wieder zurückzukommen. Er konnte freilich nicht Nein sagen. Kurz darauf wurde es ihm zu bunt, zu viel. Der ASC hatte wieder Alleinstellung.

Davor war noch der TuS Jork. Georg Schultz ist in Lüneburg geboren, ab dem fünften Lebensjahr in Hamburg aufgewachsen. In seiner Jugend kickte er für St. Pauli, Condor, Farmsen und Grün-Weiß07. Im Herrenbereich war er für Curslack-Neuengamme und VfL 93 aktiv. "Aber nie in der ersten Mannschaft, nur als Aushilfe", sagt Georg Schultz. Mit 28 Jahren hörte er auf. In Neuengamme hatte er als Strafvollzugsbediensteter gearbeitet. Nach 18 Ehejahren ließ er sich von seiner ersten Frau scheiden. Es sollten wieder 18 Ehejahre mit Frau Nummer zwei folgen. Mit ihr zog es ihn nach Jork. Er wurde Vater einer Tochter (31) und eines Sohnes (29). Und natürlich engagierte er sich beim TuS Jork. Als Jugendtrainer. Das Kapitel TuS Jork nahm dann ein jähes Ende. Bei einem F-Jugend-Turnier fühlte Georg Schultz sich gezwungen, seine Mannschaft nach mehreren Vorwarnungen vom Platz zu nehmen. "Ich lass’ mir meine Jungs hier nicht kaputttreten", habe er dem Schiri gesagt. Seiner Mannschaft sei Unfairness widerfahren, da habe er gehandelt. Es lief darauf hinaus, dass der TuS Jork eine 500-Mark-Strafe zahlen sollte.

Vereinsverantwortliche wollten, dass Georg Schultz selbst zahlt. Da ging er. Der ASC Cranz-Estebrügge wurde so zu seiner neuen Fußballer-Heimat. Er kickte mit den Alten Herren. Er machte mit 65 Jahren noch seinen Trainerschein. "Nur mal so." Seit acht Jahren ist er Staffelleiter im Jugendausschuss des NFV Kreis Stade. Vor allem aber ist er Opa, der Betreuer der ersten Herrenmannschaft des ASC. "Solange ich fit bin, bin ich für die Jungs da", sagt Opa und ergänzt sogleich: "Oder solange müssen sie mich noch ertragen", und lacht. Er fühle sich mit seinen 72 Jahren immer noch jung und munter. Das habe drei Gründe: sein junger Sohn, seine positive Einstellung und der ASC - eben "seine Jungs".

Aufrufe: 05.11.2016, 10:40 Uhr
Tageblatt / Jan BröhanAutor