2024-04-16T09:15:35.043Z

Interview der Woche
20. Mai 2001, einer der größten Triumphe in der Trainer-Karriere: Max Reichenberger (rechts) freut sich mit dem damaligen Torwart Achim Groß über den Aufstieg mit der Spvgg. Ingelheim in die Fußball-Oberliga. Die Jahre in Ingelheim gehören zu Reichenberges schönsten Erinnerungen.	Archivfoto: Harald Kaster
20. Mai 2001, einer der größten Triumphe in der Trainer-Karriere: Max Reichenberger (rechts) freut sich mit dem damaligen Torwart Achim Groß über den Aufstieg mit der Spvgg. Ingelheim in die Fußball-Oberliga. Die Jahre in Ingelheim gehören zu Reichenberges schönsten Erinnerungen. Archivfoto: Harald Kaster

Nicht zu Hause herumlungern

Max Reichenberger macht zum Saisonende Schluss in Gau-Algesheim, es ist aber noch nicht der Zeitpunkt fürs Altenteil

Gau-Algesheim. Max Reichenberger wird zum Saisonende seine Tätigkeit als Trainer bei der SV Gau-Algesheim beenden. Der in Waldalgesheim lebende A-Lizenz-Inhaber will den Aufwand für sein sportliches Engagement reduzieren. Ganz aufzuhören, kann er sich aber nicht vorstellen. Im Interview blickt der 67-Jährige, der es als Spieler bis in die Erste Liga geschaffte hatte, auf über 40 Jahre Fußballerdasein zurück.

Herr Reichenberger, nach dann elf Jahren verlassen Sie zum Saisonende die SV Gau-Algesheim? Was sind die Gründe dafür?

Die Basis wurde bereits im vergangenen Jahr gelegt, als wir mit Philipp Selig den designierten Nachfolger verpflichteten. Er sollte noch eine Saison als Torwart fungieren und sich in dieser Zeit in den Verein einarbeiten. Leider hat er sich nach wenigen Spielen wieder verletzt und muss vermutlich seine aktive Laufbahn beenden.

Vonseiten des Vereins hieß es, man hätte Sie gerne weiter im sportlichen Umfeld eingebunden. Warum kommt es nicht dazu?

Hier gibt es für mich keine Aufgabe, die so reizvoll wäre, dass es sich lohnen würde, mehrmals wöchentlich die Strecke von Waldalgesheim nach Gau-Algesheim zu fahren. Die Sportvereinigung rekrutiert sich ausschließlich aus Jungs, die aus Freude am Fußball und aus Spaß am Vereinsleben spielen. Ohne Fahrgeldzuschuss und ohne sonstige kleine finanziellen Anreize ist es schwer, auch in der A-Klasse, Verstärkungen anzulocken. Der Verein hat sich für dieses Konzept klar positioniert, deshalb ist auch ein Manager oder sportlicher Leiter überflüssig.

Haben Sie vor, ganz aufzuhören, oder können Sie sich vorstellen, weiter als Trainer zu arbeiten? Wenn ja, in welchem Umfang und wo (auf welcher sportlichen Ebene)?

Das weiß ich ehrlich gesagt noch nicht. Vom Umfang her wird es sicherlich nicht zwei Übungseinheiten pro Woche übersteigen, aber nur zu Hause herumzulungern, kann ich mir auch schwer vorstellen.

Sie blicken auf eine lange Karriere als Spieler und Trainer zurück. Haben Sie auch den Eindruck, dass sich die Schere zwischen Profi- und Amateurfußball immer weiter öffnet?

Hier stellt sich die Frage: Wo beginnt der Amateurfußball? Alle Regionalligavereine arbeiten unter Profibedingungen, auch viele Ober- und Verbandsligisten. Spätestens hier beginnt für aufstrebende Vereine die Überlegung, ob der finanzielle Aufwand sich rechnet.

Viele Amateurvereine (vor allem in den Klassen Bezirksliga bis zur Oberliga) kämpfen permanent ums finanzielle Überleben. Wie ließe sich das ändern? Sollte aus den Geldern des Profibereichs mehr an die Amateure abgeführt werden?

Aus Vereinsbeiträgen und Zuschauereinnahmen lässt sich in keiner Liga der Spielbetrieb finanzieren, sodass private Finanzquellen angebohrt werden müssen. Bei einer Verteilung von oben nach unten ist ja schon einiges geschehen in puncto Ablöseentschädigungen. Hier könnte man sich durchaus noch mehr Hilfen in Form von höheren Beträgen vorstellen.

Gleichzeitig sind immer weniger Leute bereit, sich ehrenamtlich in den Vereinen zu engagieren. Droht hier auf Dauer ein Vereinssterben, das langfristig den ganzen Fußball gefährdet?

Ein Ehrenamt ist immer schön, wenn es im Verein gut läuft, der sportliche Erfolg da ist und die finanzielle Seite stimmt. Leider werden den Helfern im Misserfolg viele Knüppel in die Beine geworfen, die oft dazu führen, dass wichtige und gute Leute die Lust verlieren und sich schöneren Dingen zuwenden. Einzelkämpfer und Patriarchen, die es früher oft gab, können die vielfältigen Aufgaben nicht mehr alleine bewältigen. Deshalb braucht man eine gute Teamarbeit, um die Lasten auf mehrere Schultern verteilen zu können.

Wenn Sie auf Ihre sportliche Laufbahn zurückschauen: Welche Stationen haben bei Ihnen im positiven wie im negativen Sinn bleibenden Eindruck hinterlassen?

Bei jedem Verein gab es viele schöne Zeiten, aber auch Krisen, die man durchstehen musste. Am nachhaltigsten bleiben natürlich die beiden siebenjährigen Perioden in Ingelheim im Gedächtnis haften, aber auch an Wiesbaden denke ich gerne zurück.

Das Interview führte Andreas Scherer


SPORTLICHES UND BERUFLICHES

Max Reichenberges Stationen als Spieler: 1967 bis 1972 bei 1860 München, Erste Bundesliga und Regionalliga (39 Einsätze in der Ersten Liga); 1972 bis 1978 Eintracht Bad Kreuznach (Amateurliga Südwest und Zweite Liga, hier 23 Einsätze). 1978 bis 1982 Spielertrainer bei der SG Guldental (B- und A-Klasse).

Stationen als Trainer: 1982 bis 1989 Spvgg. Ingelheim (Bezirksliga und Verbandsliga); 1989 bis 1993 SV Wiesbaden (Oberliga), 1993/94 Hassia Bingen (Verbandsliga und Oberliga); 1995/96 SV Wehen (Oberliga), 1996 SV Darmstadt 98 (Regionalliga); 1997 bis 2004 Spvgg. Ingelheim (Verbandsliga und Oberliga); 2004 Wormatia Worms (Oberliga); 2005 bis 2016 SV Gau-Algesheim (B- und A-Klasse).

Berufliches: 1969 bis 1972 Studium an der Pädagogischen Hochschule in München-Pasing, 1972 bis 1975 Referendariat an der Hauptschule Langenlonsheim, 1975 bis zur Pensionierung 2012 Lehrer in Langenlonsheim (zum Schluss Regionale Schule).

Aufrufe: 017.12.2015, 08:30 Uhr
Andreas SchererAutor