2024-04-25T14:35:39.956Z

Ligavorschau
Lautstarker Dirigent im Teutonen-Tor: Schlussmann Yannik Dauth.
Lautstarker Dirigent im Teutonen-Tor: Schlussmann Yannik Dauth.

Neustart in Watzenborn-Steinberg

RL SÜDWEST: +++ SC Teutonia Watzenborn-Steinberg kämpft mit verändertem Kader um Klassenerhalt +++

Watzenborn-Steinberg. Vor dem Gespräch im Konferenzraum muss man schon erst einmal ins Trainer-Büro schauen. Das ist Pflicht. Stefan Hassler und Gino Parson haben in der in Linden ansässigen Geschäftsstelle des Fußball-Regionalligisten Teutonia Watzenborn-Steinberg ihr eigenes Reich, da können sie schalten und walten und ihre Analysen betreiben, die Gegner auf Video ansehen, sich der Leistungsdiagnostik widmen.

Fußball-Lehrer Stefan Hassler ist derlei aus seinen Offenbacher Zeiten längst gewöhnt, Gino Parson hat dagegen bekanntermaßen sein Leben erst seit Kurzem komplett vom Kopf auf die Füße gestellt – oder besser dem Fußball gewidmet. Trainer der Watzenborner Teutonen ist jetzt sein Brotberuf, „da bist du von morgens bis abends mit beschäftigt, das ist richtig viel zu tun, und wenn man nach Hause kommt, denkt man auch noch drüber nach“, erzählt Parson, um dem ihm schon mal gegenüber geäußerten „was machst du denn da den ganzen Tag, ihr trainiert zweimal und sonst?“ den Wind aus den Segeln zu nehmen. Aber natürlich: Nur, weil da im Büro jeder seinen Schreibtisch hat, mit Computer drauf, Laptoptrainer sind die beiden Gießener sicher nicht. Gehört halt dazu in diesen Viertliga-Regionen. Ansonsten aber „waren wir jeden Tag auf dem Platz.“ Fünf Wochen zunächst, aus denen nach der erneuten Absage des Kassel-Spiels sechs geworden sind. Eine lange Zeit.

Gegen den VfB Stuttgart II am morgigen Samstag nun ist eine Absage wohl nur noch zu befürchten, wenn Mittelhessen auf ewig in einem schwarzen Loch verschwinden würde. Und damit ist nicht zu rechnen. Die Punktspiel-Premiere des Duos Hassler/Parson, das man gerne auch als Parson/Hassler bezeichnen darf („da gibt es keine Reihenfolge, wir agieren gleichberechtigt“, sagt Hassler) steht bevor. Und wird zu einer doppelten Premiere, denn erstmals (historisch!) wird ein Fußball-Regionalligaspiel im Sportkreis Gießen ausgetragen, was man doch jetzt einfach mal als gutes Omen nehmen sollte. Aber ein gutes Omen bringt noch keine Punkte.

Wobei das Stichwort „Heimat“ schon passt. Denn ein Strategiewechsel in der Trainingsarbeit könnte schon morgen seine Früchte tragen. Hatten die Teutonen unter Francisco Copado mal in Watzenborn, mal in Lich trainiert, haben Hassler/Parson da einen klaren Schnitt vorgenommen – Training ist in Watzenborn. „Wir wollten damit schon auch ein Stück weit das Mannschaftsgefühl geraderücken und eine Art Verbundenheit schaffen“, sagt Hassler. Und Parson ergänzt: „Die sollen wissen, wo sie spielen und für wen sie spielen, die sollen immer ihre Kabine haben, ihren Platz, hinterher nicht wegrennen, sondern nochmal zusammensitzen.“ Das, was bei jedem Kreisligisten Usus ist, wird hier zum gewichtigen Faktor. Ein wenig Heimat schaffen.

Denn das haben die beiden Gießener schnell erkannt – um das Mannschaftsgefüge war es nicht zum Besten bestellt. Dafür erwähnen sie nicht mit einem Wort mancherlei personelle Kapriole ihres prominenten Vorgängers, nachkarten ist nicht ihr Ding. Nein, sie haben sich eher selbst gefragt, wo es denn klemmt. Und sind da schon rasch auch auf den heute manchmal inflationär verwendeten Begriff Teamspirit gekommen. „Ich meine, dass Qualität in der Mannschaft steckt, hat man ja gesehen, sie hat zwar nur fünf Spiele gewonnen, aber das gegen Teams wie Offenbach, Saarbrücken und Steinbach, da muss das Potenzial ja da sein“, erklärt Hassler, während Parson hinzufügt, dass „nach hinten raus in vielen Spielen einfach das Glück gefehlt hat, sonst wären es schon mehr als 19 Punkte.“ Wobei sein älterer Kollege das sowieso immer wieder betont: „19 Punkte sind ja jetzt nicht einfach nichts, die muss man in dieser Liga als Neuling auch erst einmal holen.“

Soll heißen, wenn die Truppe offenbar fußballerisch die Liga drin hat, muss sie es als ein Team auch mental auf die Reihe bekommen. Und da sie jetzt auch noch fünf Neue geholt haben, die sich – wir haben sie bereits im Einzelnen vorgestellt – schon in den Tests als Verstärkungen erwiesen, ist der Faktor, „wir müssen eine Mannschaft werden“, umso wichtiger. Gerade deshalb bedarf es nach einer „intensiven Vorbereitung, wo wirklich alle sehr fleißig sich reingehängt haben“ auch einem klaren Bekenntnis zum Fußballstandort. „Dass da nicht alles optimal ist, vom Platz bis zu den Kabinen, ist klar, aber wir haben sehr deutlich gemacht, dass wir das nicht mehr hören wollen“, erklärt Parson, der dann rasch auf seine noch nicht lange zurückliegende Zeit als „Zehner“ zurückkommt: „Ich meine, wenn ich auf dem Platz stehe mit dem Ball, dann ist das doch Kleinkram, dann will ich kicken.“

Derlei Luxusprobleme können sich die Teutonen nicht mehr erlauben, am Mittwochabend hat Trier gewonnen, die Grün-Weißen sind auf den vorletzten Rang abgerutscht. Ein Sieg gegen den noch in Reichweite liegenden Zweitliga-Nachwuchs aus Stuttgart ist im Grunde bereits Pflicht. Neben der qualitativen Steigerung im Kader und dem Gefühl, in der intensiven Vorbereitung „eine Mannschaft geformt zu haben“, die auch eine Mannschaft ist, stimmt Fußball-Fuchs Hassler auch der Testspiel-Mix optimistisch. Der Sieg zuletzt beim Ligakonkurrenten Koblenz mag gut fürs Selbstvertrauen gewesen sein, aber auch davor „konnten wir einige Schlüsse ziehen“, sagen die beiden Coaches unisono. Gegen Zeilsheim und Hadamar habe man richtig gut Fußball gespielt, in Verl nicht gut agiert, aber gut gestanden und ein ordentliches Ergebnis geholt, gegen Alzenau Fehler gemacht und gegen den starken West-Regionalligisten Viktoria Köln gesehen, wie lehrreich ein Spiel sein könne.

„Für mich“, betont der 47-jährige Hassler, „ist eine Vorbereitung immer dann gut, wenn sie Höhen und Tiefen hat, weil du dann die Schwächen und Stärken siehst und noch besser daran arbeiten kannst.“ Das sei auch deshalb wichtig, weil man dann nicht zu euphorisch, aber auch nicht pessimistisch die Aufgaben angehe. Sondern „angespannt positiv“. Vielleicht beschreibt das am besten, wie Gino Hassler/Stefan Parson – oh, ein Fauxpas, der aber gut ihre unbedingte Einheit beschreibt – die Mission Klassenerhalt angehen. „Angespannt positiv“ scheint ihr Gefühl zu sein – grünes Licht fürs grüne Spiel der Grün-Weißen. Die Aufholjagd soll morgen beginnen. Und zwar Watzenborn, nicht in Wetzlar. So oder so ist das etwas Besonderes.

Aufrufe: 017.2.2017, 08:00 Uhr
Rüdiger Dittrich (Gießener Anzeiger)Autor