2024-06-17T07:46:28.129Z

Ligabericht
Am Dienstag bitten Chefcoach Christian Brand (links) und sein Assistent Harry Gfreiter zum ersten Training.  Foto: Nickl
Am Dienstag bitten Chefcoach Christian Brand (links) und sein Assistent Harry Gfreiter zum ersten Training. Foto: Nickl

Neue Liga, neue Arena - neues Glück?

Der SSV Jahn Regensburg hatte am Abstieg zu knabbern +++ Nun soll es aufwärts gehen +++ Doch der Druck von Beginn an ist groß

Ein knappes Dutzend Fußballer wird sich am Dienstagnachmittag, um 14 Uhr, im Jahnstadion versammeln. Dieses kleine Häuflein sind die Spieler, die die fußballerische Götterdämmerung beim SSV Jahn Regensburg überlebt haben - also nach dem Abstieg aus der 3. Liga einen neuen Vertrag erhalten haben. In den kommenden Wochen werden sie noch ein paar neue Kollegen bekommen, die dann mit ihnen in der Vorbereitung schwitzen. Bis zum 16. Juli, dann startet die Saison. Und dann muss der SSV Jahn das kleine Wunder vollbringen, nach dem Totalabsturz sofort zur Top-Form aufzulaufen. In diesem Jahr, in der Regionalliga gibt es keine zweiten Plätze. Es zählt nur der erste - und das eigentlich vom ersten Spieltag an.

Erst ein paar Tage ist es her, da schlichen die Jahn-Spieler Woche für Woche wie geprügelte Hunde vom Platz. Tabellenletzter, Absteiger. Und das ausgerechnet direkt vor der Eröffnung der neuen Continental Arena. Die mehr als 50 Millionen, die die Stadt Regensburg für das ambitionierte Projekt ausgibt, schienen in der vergangenen Saison in der Form von großen Geldsäcken an den Füßen der Jahn-Spieler zu hängen und sie zu bremsen. Der Druck, die Arena unbedingt als Drittligist einzuweihen, war am Ende einfach zu groß.

Die Musik spielt ganz woanders

Nun ist der Zug Profifußball in Regensburg vorerst abgefahren. Die Musik spielt, zumindest für ein Jahr, ganz woanders, und zu allem Unglück auch noch quasi in der Nachbarschaft. Beim großen FC Bayern sowieso, bei den tapferen Augsburgern auch und nun zudem noch beim FC Ingolstadt. Nicht einmal der TSV 1860 München ist aus der 2. Liga abgestiegen und kann sich dort mit Fürth und Nürnberg weiter muntere Freistaat-Derbys liefern. Und der SSV Jahn? Der darf in der kommenden Saison zwar auch gegen all die bayerischen Konkurrenten spielen, allerdings nur gegen deren zweite Mannschaften.

Über die Regionalliga ist in den vergangenen Monaten in Regensburg viel gesprochen worden. Und, man kann es nicht anders sagen, sie kam dabei ganz, ganz schlecht weg. Knüppelhart sei diese Spielklasse, hieß es, nahezu unaufsteigbar, weil der Meister sogar noch in eine Relegation muss, und gänzlich undankbar sei sie sowieso. Wer will schon gegen die vielen zweiten Mannschaften spielen? Und dann vielleicht auch noch verlieren?

Den Spielern des SSV Jahn täte es in diesem Gefühlskarussell sicher gut, wenn ihnen ein paar stützende Gedanken ans Herz gelegt werden würden. Ein Leitmotiv etwa, das sie durch die neue Spielklasse trägt. Ihre Vorgesetzten, Trainer Christian Brand und Sportchef Christian Keller, hielten sich mit verbalen Kampfansagen für die neue Spielklasse zuletzt aber nicht nur zurück, es gab überhaupt keine. Die beiden Chefstrategen des Klubs haben im Abstiegskampf in der 3. Liga gehörig einen auf den Deckel bekommen. Nun werden offensichtlich kleinere Brötchen gebacken. Doch ist Schweigen der richtige Weg?

Der SSV Jahn muss sich schließlich neu erfinden. Vergangenes Jahr hieß das Motto noch ,,Mia spuin fia eich". Der kleine Jahn, der in der großen 3. Liga die Oberpfalz vertritt und deren Fahne hochhält. Das funktioniert in der Regionalliga nicht mehr. Nicht zuletzt, weil dem FC Amberg der Aufstieg gelungen ist. Wenn, dann wird der oberpfälzer Konkurrent die Rolle des Davids für sich beanspruchen, der den Goliaths ein Bein stellen will. Der Jahn ist dagegen jetzt einer der Großen. Memmingen, Buchbach und Illertissen, das sind die Underdogs, die sich ins Fäustchen lachen werden, wenn sie in der Continental Arena was holen, und wenn es nur ein Unentschieden ist. Der Jahn ist plötzlich der Favorit - und muss diesen Druck nun irgendwie aushalten.

Elf Spieler hat der Jahn für die Mission Aufstieg bislang an Bord. Mancher hält das zum Zeitpunkt des Trainingsstarts für zu wenig, Sportchef Keller hält dagegen, dass er erst die Basis zusammenstellen wollte. Ein Gerippe an Führungsspielern, um die herum der Kader dann komplettiert wird. Die Basis speist sich zu einem Großteil aus Spielern, die schon vergangene Saison oder überhaupt schon ganz lange da sind. Spieler wie Sebastian Nachreiner, Oliver Hein, Uwe Hesse oder Kapitän Markus Palionis. Am Montag kamen noch Thomas Kurz und Marvin Knoll hinzu. Abwehrspieler Matthias Dürmeyer hat den Klub derweil verlassen. Er wechselt zum TSV Bogen.

Keine Streicheleinheiten mehr

Der Jahn startet mit großem Trara in sein neuestes Abenteuer. Zur Einweihung des Stadions darf er das offizielle Saisoneröffnungsspiel bestreiten. Am 16. Juli wird sich dann zeigen, ob Trainer und Sportchef die richtigen Spieler ausgewählt haben, mit denen der Neustart gelingen kann. Die Mannschaft steht dabei selbst mächtig unter Druck. Bei der Talfahrt in der 3.Liga wurde sie von ihren Vorgesetzten - zumindest öffentlich - lange mit Samthandschuhen angefasst. Auf Streicheleinheiten können die Spieler bei holprigen Leistungen aber nicht mehr hoffen. Keller und Brand dürften dann genug damit zu tun haben, ihre eigenen Posten zu retten. Es ist ein offenes Geheimnis, dass beide neue Verträge erhalten haben, die vom Verein schnell und finanziell verschmerzbar zu kündigen wären. Brand und Keller haben das auch in Kauf nehmen müssen. Dass sie überhaupt noch am Ruder sind, ist nach den gängigen Gepflogenheiten des Fußball-Geschäfts ein mittleres Weltwunder. Der Jahn hat ihnen aber noch eine allerletzte Chance gegeben. Allerdings nicht ohne Absicherung. Mit Mario Himsl wurde zuletzt ein neuer Nachwuchschef verpflichtet, der im Notfall auch schnell in die vorderste Reihe bei der ersten Mannschaft hüpfen kann.

Aufrufe: 016.6.2015, 07:00 Uhr
Jürgen ScharfAutor