2024-04-16T09:15:35.043Z

WM 2014
In Santo Andre wird WM geschaut - und gefeiert.  Foto: dpa
In Santo Andre wird WM geschaut - und gefeiert. Foto: dpa

Nachts in einer kleinen Bar

Auch im 800-Seelen-Kaff Santo Andre wird am Donnerstagabend, 17 Uhr Ortszeit, die Fußball-Weltmeisterschaft mit einem Public Viewing eingeläutet +++ Aktuelle Fotos der WM Spiele

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Eine staubige Bar an einer buckligen Lehmpiste, betont rustikales Ambiente, Plastikstühle, Bastmatten als Abdeckung, neun übereinandergestapelte Bierkisten, auf denen ein Flachbildschirm thront: Auch im 800-Seelen-Kaff Santo Andre wird am Donnerstagabend, 17 Uhr Ortszeit, die Fußball-WM mit einem Public Viewing eingeläutet. Was, mit Verlaub, kein Schwein interessieren würde, wenn nicht wenige hundert Meter entfernt das deutsche WM-Quartier Campo Bahia wäre, wo Joachim Löw und seine Schützlinge ebenfalls vor der Glotze sitzen, um die Partie Brasilien gegen Kroatien zu verfolgen.

Also rücken Santo Andre und speziell die Bar Cabana Nativa für rund zwei Stunden in den Blickpunkt. Sogar ein Fotograf der Deutschen Presse-Agentur hat sich eingefunden. Gastwirt Paulo, der seine Dreadlocks mit einem Zopf zähmt, serviert eiskaltes Dosenbier der Marke Skol, daneben stellt er Plastikbecherchen, wie man sie in Deutschland benutzt, um beim Zahnarzt nach der Behandlung den Mund auszuspülen.

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Die Dunkelheit ist bereits über Santo Andre hereingebrochen, und sie kaschiert gnädig, dass sich auf dem Nachbargrundstück viel Müll angesammelt hat und drei Grills tapfer vor sich hinrosten. Rund 25 Einheimische haben sich eingefunden, gewandet in die brasilianischen Farben, zwei Vuvuzelas, diverse Tröten, das volle Fan-Programm eben. Paulos Biervorrat wird weitgehend geschont. Bei einem für die hiesigen Verhältnisse beachtlichen Preis von umgerechnet 1,80 Euro pro Büchse nicht weiter verwunderlich. Als der unglückselige Marcelo den WM-Gastgeber per Eigentor in Rückstand schießt, herrscht in der Bar ein kollektives Seufzen, jedoch nehmen die Fans den Nackenschlag eher britisch-stoisch hin, mit steifer Oberlippe. Bei den drei Treffern der eigenen Mannschaft röhren die Vuvuzelas dann ohrenbetäubend. Als Neymar zum Elfmeter antritt, erheben sich alle von ihren Sitzen, fassen sich bei den Händen und recken diese gen Himmel. Hier ist jede Hilfe willkommen.

Offenbar ist Santo Andre wegen seiner durchaus bevorzugten Lage und des Klimas ein Anziehungspunkt für Auswanderer und besonders Ruheständler aus aller Welt. Wir treffen einen gebürtigen Schweizer, der bereits seit 55 Jahren hier lebt, sich aber ein paar Brocken Deutsch bewahrt hat. ,,Nichts Penalty", so lautet seine ebenso radebrechende wie fachkundige Einschätzung der Szene, die dem Elfmeter vorangegangen war. Schlusspfiff. Jubelnde Menschen strömen auf die zuvor verwaisten Straßen, liegen sich in den Armen, singen und tanzen. Szenen purer Lebensfreude. Szenen, wie sie sich während einer Weltmeisterschaft allerdings mittlerweile so ähnlich auch in Burglengenfeld und Kelheim abspielen.

Aufrufe: 014.6.2014, 10:30 Uhr
Von Heinz Gläser, MZAutor