2024-05-17T14:19:24.476Z

Ligabericht
Türkiyemspor schon wieder am Boden? Nach dem Abbruch droht erneut Ärger.	Foto: Bär
Türkiyemspor schon wieder am Boden? Nach dem Abbruch droht erneut Ärger. Foto: Bär

Nach dem Mediator ist vor dem Mediator

KLA GIESSEN: +++ Türkiyemspor unzufrieden mit Schiedsrichterleistung +++ Aras: "Nach vielen Fehlentscheidungen, einer roten und einer gelb-roten Karte für uns war bei einigen Grenze erreicht" +++ Aufarbeitung des Spielabbruchs steht an erster Stelle +++

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GIESSEN. Turbulente Monate liegen hinter dem A-Ligisten Türkiyemspor Gießen, und nach dem Spielabbruch der Dienstagspartie bei der FSG Villingen/Nonnenroth/Hungen dürfte es in naher Zukunft nicht weniger turbulent werden. Dabei hatte der Verein, trotz sportlicher Misere mit nur sieben Punkten und dem vorletzten Tabellenplatz, alle Hebel in Bewegung gesetzt, um nicht erneut negativ aufzufallen.

Nach dem letzten Spiel der vergangenen Saison kam es unter Vorsitz von Harry Keil zu einem Verfahren vor dem Kreissportgericht, bei dem Türkiyemspor nach Vorfällen in der Partie bei den TSF Heuchelheim II drei Punkte für die anstehende Saison abgezogen wurden. Die drei Zähler aber konnten mit der Teilnahme an einem Anti-Aggressionstraining mit einem Mediator des Hessischen Fußball Verbandes wieder gutgeschrieben werden. Der Verein suspendierte zudem einige Spiele und vollzog damit einen Umbruch. Auch der Vorstand wurde von sieben auf elf Mitglieder, zwecks besserer Aufgabenverteilung und Strukturierung, erweitert. ,,Es ging nicht mehr um die Meisterschaft, sondern ganz klar darum, wieder Ruhe in den Verein zu bringen", gab Metin Agman, seit einiger Zeit vom zweiten zum ersten Vorsitzenden gewählt, die Richtung vor. ,,Wir haben uns mit dem Kreisfußballausschuss getroffen und erfragt, was wir verbessern können. Am Mediatoren-Programm hätten wir auch ohne die Anordnung vom Sportgericht teilgenommen", sagt Agman.

Über Christine Kumpert, Geschäftsführerin der Sozialstiftung beim hessischen Fußballverband, wurde der Kontakt zu Mediator Joachim Besier hergestellt. Das Seminar im Oktober mit Besier schien Früchte zu tragen. ,,Herr Besier war sehr kompetent, freundlich und hat sich im Vorfeld intensiv mit dem Verein auseinandergesetzt, dafür bin ich sehr dankbar", erklärt Agman, dem deutlich anzumerken ist, dass die Vorgänge nicht spurlos an ihm vorbeigegangen sind. Über fünf Stunden wurden mit 15 Spielern und zwei Vorstandsmitgliedern Methoden entwickelt, wie sich die Akteure in Zukunft bei kniffligen Situationen auf dem Platz verhalten sollen und wie etwaige Konflikte vermieden werden können. ,,Das war für uns alle ein lehrreicher Abend. Auch weil es nicht darum ging, zuviel über die negative Vergangenheit zu reden oder Einzelne zu beschuldigen, sondern Verbesserungen für die Zukunft zu entwickeln. Das hat uns noch stärker zusammengebracht", war Agman vom Seminar begeistert.

Doch durch die Vorgänge am Dienstag, mit erneutem Spielabbruch, verpuffen all diese Bemühungen. Schiedsrichter Nils Kaletsch-Will brach das Spiel in Hungen rund 20 Minuten vor Schluss beim Stand von 2:1 und kurz vor einem Elfmeter für die FSG ab. Bilal Aras, Spieler und Vorstandsmitglied bei Türkiyemspor, zudem selbst als Schiedsrichter tätig, sprach im Nachhinein von ,,offensichtlichen Fehlentscheidungen" des Schiedsrichters. ,,Die Tore der Villinger waren beide abseits. Beim Elfmeter lagen beide Spieler auf dem Boden, und es war kein Foul." Dieser Verlauf habe immer wieder zu Beschwerden der Türkiyemspor-Spieler geführt. ,,Nach dem Elfmeter-Pfiff ist es dann ausgeartet und es kam zur Rudelbildung. Allerdings nicht zu einer körperlichen Berührung des Schiedsrichters", schilderte Aras den Spielverlauf. ,,Wir haben mit einer fußballerischen Niederlage gerechnet, aber nicht durch Entscheidungen des Schiedsrichters. Wir haben in dem Seminar gelernt, dass jeder seine Grenze hat. Bislang blieb es auch immer ruhig. Nach vielen Fehlentscheidungen, einer roten und einer gelb-roten Karte für uns war bei einigen aber diese Grenze erreicht", sagt Aras, der selbst Beschwerde einreichen und dazu auch Zuschauer als Zeugen laden will. Jörg Jackl, Abteilungsleiter der Hungener, schilderte den Verlauf hinterher so: ,,Jeder Pfiff wurde kommentiert. Die haben Feuer hineingebracht. Der Schiedsrichter verlangte nach ein paar Minuten nach Ordnern. Das hat sich dann hochgeschaukelt."

Bei Metin Agman, der nicht persönlich vor Ort war, stellt sich dagegen Ernüchterung ein. ,,Ich bin seit drei Jahren mit Herzblut dabei und habe einiges bewegt. Ich war auch nach dem Seminar zuversichtlich. Die Spieler hatten eigentlich viel gelernt. Aber das ist jetzt wieder eine schwierige Situation, und wenn ich sehe, dass es sich nicht lohnt, muss ich mich fragen, ob es überhaupt noch Sinn macht." Ganz aufgeben will Agman aber noch nicht, hatte bereits am Morgen nach dem Spiel erneut Kontakt zu Joachim Besier aufgenommen. ,,Eventuell machen wir noch eine Sitzung. Noch besser wäre es aber, wenn wir das Programm über einen längeren Zeitraum machen können, sodass Herr Besier uns auch im Training und bei den Spielen beobachten kann. Das hatten wir von Anfang an angeregt, war aber auch eine Kostenfrage, da der Verband nur das eine Seminar bezahlt hat." Das ursprüngliche Ziel, mithilfe von Neuzugängen in der Winterpause sportlich wieder in sicheres Fahrwasser zu gelangen, steht nun erst einmal hinten an. Stattdessen steht die Aufarbeitung des Spielabbruchs an erster Stelle, eine erneute Verhandlung bevor - Türkiyemspor Gießen erwarten erneut turbulente Monate.



Aufrufe: 012.11.2015, 10:45 Uhr
Tim Georg (Gießener Anzeiger)Autor