2024-05-02T16:12:49.858Z

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"Mittelmaß wollen wir doch alle nicht"

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Seit einem Jahr trainiert der frühere Profi den VfB. Im Interview verrät er, warum er bis zu zehn Mal am Tag mit seinem Sportlichen Leiter telefoniert und was er an Oldenburg besonders schätzt

Frage: Herr Hirsch, wie gut ist Ihr Namensgedächtnis?

Dietmar Hirsch (44): (lacht) Ich kann mir tatsächlich Nummern meist besser merken als Namen, wieso?

Frage: 17 neue Spieler hat der VfB Oldenburg im Sommer verpflichtet. Kommen Sie da auf dem Trainingsplatz nicht durcheinander?

Hirsch: Nein, die sitzen alle sicher. Ich habe mich ja im Sommer intensiv mit diesen Spielern beschäftigt, sie beobachtet, mich mit ihnen ausgetauscht. Wesentlich schwieriger ist mir das mit den Namen vor einem Jahr gefallen, als ich innerhalb weniger Tage beim VfB zugesagt habe und noch niemanden kannte.

Frage: Hand aufs Herz: Wie frustrierend war das für einen Trainer, eine Mannschaft beinahe komplett zu verlieren, die im Vorjahr Zweiter der Regionalliga geworden ist?

Hirsch: Damit habe ich mich kaum beschäftigt. Es gab ja gute Gründe für den Umbruch. Bei vielen Spielern lief der Vertrag aus, sie hatten durch ihre guten Leistungen höherklassige Angebote und dann können wir wirtschaftlich nicht mithalten. Bei anderen hatte die Trennung sportliche oder persönliche Ursachen. Um so einen Umbruch aber nicht erneut zu erleben, haben wir viele Neue mit einem Zweijahresvertrag ausgestattet.

Frage: Wie muss man sich das vorstellen? Schreiben Sie Ihrem Sportlichen Leiter Ralf Voigt eine Spieler-Wunschliste?

Hirsch: Wir sind natürlich im ständigen Austausch. Im Sommer, als wir uns nicht so oft gesehen haben, haben wir drei- bis zehnmal am Tag telefoniert. Es geht nicht nur darum, gute Spieler zu finden. Die Jungs müssen wirtschaftlich und menschlich zu uns passen.

Frage: Worauf legen Sie besonderen Wert?

Hirsch: Wir haben ganz gezielt nach Mentalitätsspielern gesucht. Solche, die lernen wollen, die Bock haben, auch sechs, sieben oder achtmal in der Woche zu trainieren. Und eben solche, die bereit sind, für zwei Jahre zu unterschreiben, die also unseren Weg mitgehen, etwas aufzubauen.

Frage: Der VfB hat nach sechs Spieltagen acht Punkte und steckt im Mittelfeld der Liga fest. Sind Sie zufrieden?

Hirsch: Mit der Entwicklung bin ich einverstanden, mit der Punktzahl nicht. Mittelmaß wollen wir doch alle nicht. Wir sind selbst dafür verantwortlich, dass es derzeit nur Platz acht ist.

Frage: Warum?

Hirsch: Weil wir bis auf die erste Halbzeit gegen Hannover II immer unsere Chancen hatten. Kein Gegner war uns bisher richtig überlegen, nicht einmal die erfahrenen Flensburger. Wir haben leichte individuelle Fehler gemacht und vor dem Tor zu viel liegen lassen. Aber das gehört bei einer Entwicklung einer jungen, neu zusammengestellten Mannschaft wohl auch dazu.

Frage: Was stimmt Sie dennoch zuversichtlich?

Hirsch: Die Jungs arbeiten hart im Training und wollen sich verbessern. Wir zeigen ihnen in Videoanalysen die Fehler auf, und sie bekommen von Spiel zu Spiel mehr Erfahrung. Frederik Lach ist ein gutes Beispiel. Den haben wir von der U 19 des VfL Bochum geholt, der fragt ständig nach, will alles wissen. Die Mentalität stimmt, das macht richtig Spaß mit den Jungs.

Frage: Sie haben selbst als Profi in der Abwehr oder im defensives Mittelfeld gespielt. Der VfB hatte in der vergangenen Saison die beste Defensive der Liga. Muss bei Ihnen zuallererst die Null hinten stehen?

Hirsch: Es gibt defensiv Verhaltensweisen, die man relativ einfach im Training einstudieren kann. In der Offensive entscheidet dagegen oft individuelle Klasse. Alle Feldspieler müssen bei mir verteidigen, jeder hat da seine Auf- und Vorgaben. Wir wollen zudem möglichst früh pressen. Deswegen ärgert es mich auch ungemein, dass wir in dieser Saison schon zu viele Gegentore bekommen haben wie beim 2:2 gegen Rehden.

Frage: Wo landet der VfB am Ende der Saison?

Hirsch: Wir müssen uns möglichst schnell weiterentwickeln, dann können wir sicher im oberen Tabellendrittel dabei sein. Die Liga ist sehr ausgeglichen, auch Wolfsburg hat erst acht Punkte. Mir ist es wichtiger, dass sich die neue Mannschaft stabilisiert.

Frage: Sie haben beim VfB einen Vertrag bis Sommer 2018. Wollen Sie langfristig als Trainer in die 1. oder 2. Liga?

Hirsch: Natürlich ist das irgendwann ein Ziel. Ich habe schließlich meinen Fußball-Lehrer gemacht, damit Trainer-Sein mein Beruf ist. Als Fußballer habe ich auch in der Bezirksliga angefangen und mich dann hochgearbeitet. Ich bin aber zuallererst sehr dankbar, dass mir der VfB vor einem Jahr die Chance gegeben hat, hier zu arbeiten. Hier wird gut gearbeitet, ich spüre eine große Ruhe und Rückendeckung im Verein und hoffe, dass wir gemeinsam eine Liga höher kommen können. Ich kann gar nicht genug bekommen von meinem Job hier, das macht richtig Spaß. Man lernt in der Regionalliga zum Beispiel auch unheimlich viel in Sachen Sozialkompetenz, was einem später helfen kann.

Frage: Nach einem Jahr an der Hunte: Was ist für Sie typisch oldenburgisch?

Hirsch: (lacht) Ich war ja schon in vielen Regionen Deutschlands, so richtig überraschen kann man mich deswegen nicht. Ich muss aber sagen, dass ich die Grünkohlzeit sehr genossen habe. Da freue ich mich wieder drauf.

Aufrufe: 09.9.2016, 08:30 Uhr
Volkhard PattenAutor