2024-05-02T16:12:49.858Z

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Fußballfreunde unter sich: der 13-jährige Paul Urbich (l.) und Eintracht-Profi Stefan Aigner, zusammen mit Pauls Bruder Jan.
Fußballfreunde unter sich: der 13-jährige Paul Urbich (l.) und Eintracht-Profi Stefan Aigner, zusammen mit Pauls Bruder Jan.

Mit Stefan Aigner in der Klinik gekickt

Der 13-jährige Nachwuchsfußballer und Eintracht-Fan Paul Urbich ist schon zweimal an Leberkrebs erkrankt

Taunusstein. Am Tisch im Vino E Cucina herrscht lockere Stimmung. Arno Bernotat, fünf Jahre Vorsitzender des SV Neuhof, nunmehr aber fußballerisch ganz auf seine Mitgliedschaft bei Eintracht Frankfurt fokussiert, hat spontan eingeladen. Eva und Torsten Urbich sind mit ihren Kindern Anne, Jan, Tim und Paul gekommen. Der Anlass ist ein ganz besonderer. Denn auch Eintracht-Profi Stefan Aigner hat sich mit seiner Frau Laura kurzfristig auf den Weg gemacht. Als beide beim Italiener in Neuhof eintreffen und die Runde komplettieren, fällt die Begrüßung äußerst herzlich aus.

Kraftakt für die ganze Familie

Augenblicke später sitzen Paul und Stefan nebeneinander, stecken die Köpfe zusammen wie beste Freunde. Klar, dass Paul die Eintracht mag und vor allem jubelt, wenn Flügelspieler Aigner mit seinen Toren zu Siegen beiträgt oder bei Niederlagen betrübt ist. Dieses Wechselspiel ist ihm nur zu gut bekannt. Auf einer ganz anderen Ebene. Einer lebensbedrohenden. Was der 13-Jährige in den vergangenen neun Jahren durchlebt hat, was seine Eltern und Geschwister in jeder Sekunde mitgetragen haben, worunter die ganze Familie gelitten hat, entspricht keinem einmaligen Kraftakt eines Fußballteams, sondern einem Leben am absoluten Limit. Ein permanentes Pendeln zwischen: Schafft es Paul oder stirbt er? Zwischen: Ist der Krebs besiegt oder bricht er wieder aus?

Als Arno Bernotat auf ihn zugekommen sei, habe er nicht zu überlegen brauchen, sagt Stefan Aigner. So kommt es 2014 in der Frankfurter Uniklinik zur ersten Begegnung zwischen ihm und dem jungen Patienten mit der unfassbaren, zurückgekehrten Diagnose ,,schwerer Lebertumor". Beide lernen sich beim Spielen auf der Playstation, beim improvisierten Kicken im Flur schnell kennen. Paul mit seinem Besuch eine Freude bereitet zu haben, das sei für ihn eine pure Selbstverständlichkeit gewesen, sagt Aigner. Und er reflektiert: ,,Man muss es zu schätzen wissen, wie gut es einem geht. Dass man ein Leben ohne Krankheit führen kann."

Bei Paul steht zum Zeitpunkt von Aigners Besuch aus ärztlicher Sicht fest: Nur eine Transplantation kann sein Leben retten. Sieben Jahre liegen zwischen der ersten Diagnose 2006 im Alter von vier Jahren und dem Rückfall. Ab März 2014 kann er nicht mehr die Schule besuchen, die Eltern lassen sich krankschreiben, stoßen auf breites Verständnis und in ihrem Umfeld auf ungeahnte Hilfsbereitschaft. Pauls Mutter eignet sich medizinisches Fachwissen an, ist darauf eingestellt, selbst zu spenden. Da die Eingriffe nicht in Frankfurt vorgenommen werden können, führt der Weg nach Regensburg in die dortige Uniklinik. In buchstäblich letzter Minute kommt die Mitteilung: Es steht eine vollständige Spenderleber zur Verfügung. Am 29. Juli 2014 wird operiert. Nur zehn Tage später wirkt Paul schon erstaunlich fit. Doch im Verlauf der ersten drei Monate müssen drei Abstoßungen mit Medikamenten bekämpft werden. Um ein Ansteigen des Tumormarkers zu verhindern, wird Paul inzwischen mit der RIST-Therapie, einer milden, dauerhaften Chemotherapie behandelt.

Talentierter Nachwuchsschiri

Seit diesem März geht er wieder zur Schule, spielt in der D-Jugend des SV Neuhof und beweist außerdem als Schiedsrichter im Liga-Betrieb bis zur D-Jugend erstaunliches Talent. Eigentlich habe er mit dem Pfeifen nur ein bisschen Taschengeld verdienen wollen, doch er glaube schon, das ganz souverän hinzukriegen, verrät Paul und freut sich gleichzeitig über den am vergangenen Samstag errungenen 3:1-Sieg seiner Mannschaft. Es ist für ihn und seine Familie eine Phase zurück in den Alltag, mit dem Samstag-Ritual des gemeinsamen Sportschau-Guckens.

Kaum zu glauben, dass Eva und Torsten Urbich trotz aller Belastung noch die Energie entwickelt haben, mit der aus Biebergemünd bei Gelnhausen stammenden Familie Waitz den Verein ,,Die Sternschnuppen" zu gründen, der schwerstkranken Kindern und Jugendlichen unbürokratisch hilft. Torsten Urbich betreut zudem noch die Neuhofer G-Jugend, in der Pauls Bruder Tim spielt. Der Sport - Tochter Anne frönt dem Rhönradturnen - und im Besonderen der Fußball sind für die ganze Familie eine absolut wichtige Stütze. Und der Kontakt zwischen Paul und Stefan Aigner, so viel steht nach dem gelungenen Abend beim Italiener fest, wird nicht abreißen.



Aufrufe: 05.4.2015, 10:00 Uhr
Stephan NeumannAutor