2024-05-10T08:19:16.237Z

Allgemeines

Mehr Wettbewerb, weniger Fanromantik

Trierer Sportökonom Bernd Frick stellt zum Bundesligastart unpopuläre Forderungen

Beim Blick auf die wirtschaftlichen Voraussetzungen der Vereine in der Fußball-Bundesliga zeigt der Trierer Sportökonom Professor Bernd Frick klare Kante. Ziel: größere Konkurrenzfähigkeit der Clubs.
Trier/Paderborn. Er ist Fußballfan, pflegt auf das Geschehen in der Bundesliga aber einen nüchternen Blick. Im Interview mit TV-Redakteur Mirko Blahak zum Start in die neue Saison fordert der in Paderborn lehrende Sportökonom Bernd Frick aus Trier die Vereine auf, mehr aus dem Premiumprodukt Bundesliga herauszuholen. Tenor: Zu viel Fanfolklore stehe der Entwicklung im Weg. Gleichzeitig sieht er den europäischen Fußballverband in der Pflicht, die eigenen Vorgaben zum Financial Fairplay konsequenter zu befolgen.
Welche Auswirkungen wird der deutsche Gewinn der Fußball-Weltmeisterschaft aus sportökonomischer Sicht auf die Bundesliga haben?
Bernd Frick: Die Kapazitätsauslastung in den Stadien lag ohnehin schon bei 97 Prozent. Bei den Ticketverkäufen kann also eigentlich nicht mehr allzu viel passieren. Doch die Ticketnachfrage wird weiter steigen. Das hat durchaus markante Auswirkungen. Ich sehe das beispielsweise beim SC Paderborn. Die Jahreskarten beim Aufsteiger sind teurer als bei Bayern München oder Borussia Dortmund. Dennoch ist das Paderborner Stadion rappelvoll. Es gibt lange Wartelisten für Jahreskarten.
Eine komfortable Situation für den Verein, nicht für die Fans …
Frick: Nun ja. Die Vereine müssen darauf achten, kein Geld auf der Straße liegen zu lassen. Wenn die Stadionauslastung bei 100 Prozent liegt, dann muss ich aus ökonomischer Sicht den Preis pro Ticket so lange erhöhen, bis der erste Platz frei bleibt. Klar gibt es das Argument: Der Fußball muss bezahlbar bleiben. Doch die Zahlungsbereitschaft der Fans im Fußball ist hoch. Im Moment ist es noch so, dass die VIP-Gäste die Stehplatzkarten subventionieren. Ich weiß nicht, warum man mit den Stehplatzfans so zurückhaltend umgeht.

Die Spitzenvereine der Bundesliga suchen inzwischen verstärkt Vermarktungsmöglichkeiten in den USA und in Asien. Sind die deutschen Clubs im Vergleich zu den englischen Vereinen dabei zu spät dran?
Frick: Eine Marktsättigung gibt es sicherlich noch nicht. Ich habe in Peking junge Mädchen in Trikots von Mario Götze gesehen. Die Bundesliga ist aber sicherlich ein bisschen spät dran. Den Rückstand auf die englische Premier League wird sie nicht aufholen können. Es kann nur darum gehen, guter Zweiter zu werden und die Auslandsvermarktungsrechte teurer zu verkaufen. Dabei muss man aus meiner Sicht zwei Dinge beachten: Man darf nicht versuchen, sich an der Premier League zu messen. Und man darf die Sprachbarriere nicht unterschätzen. Die Premier League hat den Vorteil, dass Milliarden Menschen auf der Welt englisch sprechen.
Welche Potenziale eröffnen sich?
Frick: Im Augenblick sind die Erlöse aus der Auslandsvermarktung relativ überschaubar. In Deutschland sind es gut 70 Millionen Euro pro Jahr. Mittelfristig wird sich das auf 200 bis 300 Millionen Euro pro Jahr steigern lassen. Dann wäre man aber immer noch mindestens 400 bis 500 Millionen Euro hinter der Premier League zurück. Gleichzeitig wäre man deutlich vor den anderen europäischen Ligen. Davon müssen die Clubs profitieren, die international spielen.
Und die anderen Vereine sollen nichts vom Kuchen abbekommen? Damit würde doch die Schere zwischen großen und kleinen Clubs in der Bundesliga weiter auseinandergehen?
Frick: Im DFB-Pokal habe ich kein Problem damit, wenn man niederklassigere Vereine subventioniert. Aber würde man das Thema Umverteilung auch in der Bundesliga richtig ernst nehmen, könnte die Konsequenz doch nur sein, Auf- und Abstieg abzuschaffen. Nur dann wären die spezifischen Investitionen der Clubs vollständig geschützt. Die europäischen Ligen generieren aber einen Großteil ihres Publikumsinteresses genau daraus, dass es Auf- und Abstieg gibt. Mit zu viel Umverteilung behindert man das Marktgeschehen.
Dennoch: Ist die Kluft zu groß, leidet auch der Wettbewerb.
Frick: Das Zuschauerverhalten spricht gegen die Annahme, dass eine Dysbalance im Wettbewerb zu einem Rückgang des Interesses führt. Wenn Bayern München oder Borussia Dortmund kommt, ist jedes Stadion voll - obwohl die Siegchancen des heimischen Teams eher gering sind. Zum anderen haben wir jahrelang lamentiert, dass kein deutscher Club in der Lage ist, die Champions League zu gewinnen. Warum? Weil das Gefälle zwischen den spanischen und englischen Großclubs auf der einen und Bayern München sowie Borussia Dortmund auf der anderen Seite zu groß geworden ist. Wenn wir deutsche Clubs auf internationaler Ebene erfolgreich sehen wollen, dann müssen wir sie wirtschaftlich dazu in die Lage versetzen. Wir leben in Deutschland mit einer Umverteilungsideologie, die nicht nur dem Fußball schadet.
Mit Blick auf den europäischen Vergleich wird über das Financial Fairplay diskutiert. Also die Vorgabe der europäischen Fußballunion Uefa an die Teilnehmer, in ihren Clubwettbewerben nicht mehr Geld ausgeben als einnehmen zu dürfen. Gibt es zu viele Ausnahmen bei der Umsetzung?
Frick: Ja. Der Uefa fehlt offenbar das Interesse daran, die eigenen Instrumente wirklich umzusetzen. Die Uefa weiß genau, dass sie durch einen Ausschluss von großen Clubs, die über ihre Verhältnisse leben, ihr eigenes Produkt massiv beschädigen würde.
Wenn das Financial Fairplay konsequent Anwendung finden würde: Bekämen dann deutsche Spitzenvereine international Wettbewerbsvorteile?
Frick: Schon, ja. In der Bundesliga ist in der Vergangenheit deutlich seriöser gewirtschaftet worden als anderswo. Das kann man am Anteil der Spielergehälter am gesamten Umsatz festmachen. In Spanien fließen mehr als 80 Prozent der eingenommenen Gelder in Spielergehälter. In der Bundesliga ist der Anteil halb so hoch. Und wir beobachten nicht, dass Topspieler scharenweise ins Ausland laufen. Wenn das Ausgabeverhalten aller Clubs in gleichem Maße beschnitten wird, dann werden diejenigen am ehesten davon profitieren, die sich in der Vergangenheit als vergleichsweise seriös erwiesen haben.
Was halten Sie in diesem Zusammenhang von der 50+1-Regel? Nach ihr muss in Deutschland die Mehrheit der Anteile an Profiabteilungen, die in Kapitalgesellschaften ausgelagert sind, beim Mutterverein bleiben.
Frick: Ich sehe die Regel als Pro blem, weil sie verhindert, dass finanzkräftige Investoren in Vereinen einsteigen. Ich kenne auch das Argument, dass das wiederum mit dem deutschen Vereinsrecht nicht kompatibel sei. Ich kann aber nicht auf der einen Seite auf Fanromantik setzen und auf der anderen Seite von meinem Club erwarten, dass er international konkurrenzfähig wird. Die Fans müssen bereit sein, ein bisschen was von der Folklore aufzugeben.
Halten Sie also das Konstrukt RB Leipzig für kein Problem?
Frick: RB Leipzig ist sicherlich ein Ausnahmefall. Aber vor 30 Jahren war Bayer Leverkusen ein Ausnahmefall. Vor 20 Jahren war der VfL Wolfsburg ein Ausnahmefall. Und vor zehn Jahren war dies bei Hoffenheim der Fall. Ich sage: Die Präsenz von Clubs wie Leverkusen, Wolfsburg und Hoffenheim tut der Liga gut. Weil die Vereine mit viel Geld die anderen zwingen, effizienter zu wirtschaften. So funktioniert nun mal Wettbewerb. Der Schuldenstand der ersten Liga ist über die vergangenen Jahre hinweg gesunken. Das hat etwas mit steigenden Einnahmen zu tun, aber auch damit, dass seriöser gewirtschaftet wird. Und das nicht, weil die Vereine gemerkt haben, dass es gut ist, einen Controller in der Geschäftsstelle zu haben, sondern weil der Wettbewerb sie dazu zwingt.
Mirko Blahak Extra Bernd Frick (Foto: Mirko Blahak) wurde in Trier geboren. Sein Abitur hat er am Max-Planck-Gymnasium Trier gemacht. In Trier, Worcester MA, an der Harvard-Universität studierte er Soziologie und Wirtschaftswissenschaften. Bis 1995 war er wissenschaftlicher Assistent an der Uni Trier. Zwischen 1996 und 2001 lehrte der Professor an der Uni Greifswald. Es schlossen sich mehrere Jahre an der Uni Witten/Herdecke an (bis 2007). Seitdem lehrt und forscht Frick an der Uni Paderborn. Seine Schwerpunkte: Organisations- und Sportökonomie. Seit Frick in Paderborn lebt, fiebert er mit dem SC Paderborn mit. Für die Heimspiele des Bundesliga-Aufsteigers haben der 55-Jährige und sein Sohn je eine Dauerkarte. bl

Aufrufe: 021.8.2014, 21:50 Uhr
Volksfreund / volksfreund.de Mirko BlahakAutor