2024-05-08T14:46:11.570Z

Interview
Firat Kaya traf für den SC 04 Schwabach bereits fünfmal in der laufenden Saison, zuletzt beim 4:0 gegen Dergahspor. F: Zink
Firat Kaya traf für den SC 04 Schwabach bereits fünfmal in der laufenden Saison, zuletzt beim 4:0 gegen Dergahspor. F: Zink

"Manchmal finde ich es gar nicht schlecht, nichts zu hören"

Firat Kaya ist Landesligaspieler beim SC 04 Schwabach, Torschützenkönig bei Olympia - und schwerhörig

Die ersten drei Spiele kam er noch von der Bank - seit dem neunten Spieltag steht Angreifer Firat Kaya durchgehend in der ersten Elf des Landesligisten SC 04 Schwabach und trifft dort auch regelmäßig. Dabei ist die sportliche Vita des 21-Jährigen eine ganz besondere: Kaya ist bereits Deutscher Meister, er ist Nationalspieler, Torschützenkönig bei Olympia und Träger der höchsten Auszeichnung im Deutschen Sport. Und Firat Kaya ist schwerhörig.

Zwei Treffer hat er vorbereitet, einen selbst erzielt: Beim 4:0 seines SC 04 Schwabach am Sonntag gegen Dergahspor war Kaya wieder einmal einer der besten seines Teams. Die sechste Nominierung für die Elf der Woche brachte es ihm ein - marginale Ehre freilich im Vergleich zu den Titeln, die er trotz seiner erst 21 Jahre schon gesammelt hat.

Kaya, der zu Saisonbeginn aus Ostwürttemberg nach Nürnberg zog und sich den Schwabachern anschloss, war mit dem GSV Karlsruhe bereits Meister der Gehörlosen, schoss bei den Deaflympics 2013, dem Olympia der Gehörlosen, die Deutsche Nationalmannschaft mit fünf Toren auf Rang drei - damals war er gerade 18, der jüngste im Kader. Anschließend wurde er von Bundespräsident Gauck ins Schloss Bellevue geladen und bekam das Silberne Lorbeerblatt überreicht. Bei der kommenden Olympiade im Juli 2017 in Samsun wird er für die Türkei antreten.

Als Firat acht Monate ist, merken die Eltern, dass er taub ist, bis zum siebten Lebensjahr bleibt er stumm. Heute ist er dank eines Hörgeräts und -trainings nur noch "schwerhörig".

Herr Kaya, können Sie uns ein Beispiel dafür nennen, was Sie auf dem Feld hören und was nicht?

Firat Kaya: Sehr laute Zurufe und Pfiffe kann ich hören. Ab und an überhöre ich mal einen Pfiff, aber das ist kein Problem.

Wird dem Schiedsrichter vor dem Spiel mitgeteilt, welche Beeinträchtigung Sie haben?

Kaya: Soweit ich weiß, nicht. Aber er merkt, glaube ich, ziemlich schnell, was los ist.

Wie kommunizieren Sie in einer Mannschaftssportart, in der doch ganz viel über kurze Zurufe funktioniert? Wie sprechen die Mitspieler mit Ihnen?

Kaya: Ich versuche natürlich, viel von den Lippen abzulesen, oder die Bewegungen der Mitspieler aufzunehmen und so zu verstehen, was sie sagen. Sie versuchen auch, mit mir deutlicher zu sprechen - aber die Mannschaft behandelt mich nicht wie einen körperlich Behinderten, und das bin ich ja auch nicht. Ich werde behandelt wie jeder andere auch, es herrscht da der gleiche Konkurrenzkampf. Das gefällt mir auch. Ich will nicht irgendwie bevorteilt oder benachteilt werden.

Und die Kommunikation mit dem Trainer?

Kaya: Seine taktischen Anweisungen verstehe ich eigentlich sehr gut. Ich schaue im Spiel sehr oft zu ihm, versuche aber auch meinen Blick immer auf das Spiel zu richten.

Man hört nicht jeden Trash-Talk der Gegenspieler - ist das vielleicht sogar ein Vorteil?

Kaya: In hektischen Spielen, in denen ich an den Gesichtern sehe, dass Leute schimpfen und eventuell die Gegenspieler beleidigen, finde ich es manchmal gar nicht so schlecht, nichts zu hören. In der jetzigen Gesellschaft wird soviel geflucht, werden soviel schlechte Sachen erzählt, dass ich es generell schon manchmal als positiv empfinde...

"Ich will versuchen, noch höher zu spielen"

Sie haben bei den "Hörenden" bislang Kreisliga und Bezirksliga gespielt - wie bewerten Sie das Niveau und die Rahmenbedingungen in Schwabach? Haben Sie sich gleich zurechtgefunden?

Kaya: Das Niveau, die Traingseinheiten, die Beteiligung, der Trainer - das alles ist auf einem sehr guten Niveau. Ich habe mich in Schwabach auch ein Stück weit weiterentwickelt. Es hat ein, zwei Wochen gedauert, bis ich reingekommen bin, bis ich die Spielweise des Trainers verstanden habe; aber ich denke, das ist normal.

Was würden Sie - rein fußballerisch - als Ihre Stärken sehen?

Kaya: Ich bin ziemlich schnell, gut am Ball, bin beidfüßig und habe einen guten Abschluss. Ich müsste den Ball öfters nochmal querspielen, da muss ich besser werden.

Eine Folge Ihrer Beeinträchtigung?

Kaya: Dadurch, dass ich nicht hören kann, muss ich noch öfters schauen, den Kopf hochnehmen und den Mitspieler neben mir sehen. Aber am Wochenende hat das ja sehr gut geklappt...

Sie haben vermutlich gelernt, vieles mit dem Sehvermögen auszugleichen. Gibt's vielleicht sogar einen Punkt, wo Sie Ihre Hörbeeinträchtigung auf dem Feld stärker gemacht hat?

Kaya: Ja, ich habe versucht, die Beeinträchtigung so positiv wie möglich zu gestalten. In der Vorwärtsbewegung höre ich ja aber nicht unbedingt, ob jemand "Hinter Mann!" ruft, oder Kommandos gibt. Da habe ich vielleicht einfach ein spezielles Gefühl entwickelt.

Wohin soll es sportlich noch gehen für Sie?

Kaya: Ich bin im letzten Ausbildungsjahr, schreibe meine Prüfungen. Danach will ich eigentlich in Schwabach weiter angreifen - und dann werde ich auf jeden Fall versuchen, höher zu spielen. Ich will es mit dieser Beeinträchtigung einfach so hoch wie möglich schaffen.

Und wie hoch kann das sein für einen Schwerhörigen im "Volkssport Fußball"?

Kaya: Mal sehen. Ich spiele Fußball, seitdem ich drei bin, war bei der Olympiade dabei und habe viele Länderspiele gemacht. Ich bin überzeugt, dass ich noch einen großen Sprung nach oben machen kann.

Aufrufe: 011.10.2016, 10:57 Uhr
Jan MauerAutor