2024-04-25T14:35:39.956Z

Aufreger der Woche
Rainer Zerbe will mit dem SV Wiesbaden abermals den Neuanfang bewerkstelligen. Foto: Neumann.
Rainer Zerbe will mit dem SV Wiesbaden abermals den Neuanfang bewerkstelligen. Foto: Neumann.

Lieber Abstieg als Untergang

SVW: Für den künftigen Gruppenligisten beginnt ein Konsolidierungskurs von nicht absehbarer Dauer

Wiesbaden. Die SVW-Historie weist so einige Berg- und Talfahrten auf. Richtig schlecht ging es dem „Sportverein 1899“ beim Finanzdesaster in den 1990er Jahren. Seinerzeit fiel der SV Wiesbaden aufgrund geplatzter Sponsoren-Zusagen aus der Hessenliga ins Nichts, musste nach einer Liga-Pause den beschwerlichen Neustart in der B-Klasse bewerkstelligen. So ein Szenario wäre für Rainer Zerbe undenkbar.

Der 64-Jährige steht auch in seiner zweiten Amtszeit als Vorsitzender für Seriosität und ein Wirtschaften abseits monetärer Drahtseilakte. Schulden sind für ihn tabu. Zerbe, zwischen 2010 und 2014 bereits Steuermann des Traditionsklubs, hätte nicht erneut die Verantwortung übernommen, wenn seine Vorstandskollegen für ein Konzept mit Schuldenrisiko eingetreten wären.

„Breiter Konsens“: So aber herrschte am Aschermittwoch unter der neuen Führungsmannschaft ein „breiter Konsens“, wie Rainer Zerbe erleichtert feststellt. Auch das Gros der 56 anwesenden Mitglieder bei der von Markus Walter geleiteten Jahreshauptversammlung (siehe 11. Februar) im NH-Hotel ging mit der Absichtserklärung der Verantwortlichen konform. Die besagt klipp und klar: Nach derzeitiger Lage ist der freiwillige Abstieg aus der Hessenliga nach dem letzten Spieltag am 21. Mai aufgrund des Ausstiegs von Andreas Reich als Hauptsponsor und der mangelnden Infrastruktur unumgänglich.

Abstieg als Meister? Es könnte sich somit eine Situation wie 2014 ergeben. Damals trat TGM/SV Jügesheim im Status „Meister“ den Rückzug nach unten an. Auch der Sportverein mischt im Titelrennen mit. Obwohl nun der Kurs in Richtung Gruppenliga zielt, ist Rainer Zerbe davon überzeugt, dass „unsere Spieler und der Trainerstab bis zum letzten Spiel hundert Prozent geben werden.“ Mehr noch: Der Präsident traut dem Team im Endklassement durchaus Platz eins oder zwei zu: „Das harte Training von Herrn Vasic wird sich auszahlen. Andere bauen ab, wir werden im Saison-Endspurt immer besser und lassen kein Prozent nach.“ Wobei Trainer und Spieler nun mehr denn je in eigener Sache spielen, um sich für künftige Vereine zu empfehlen. Ob jetzige Stammkräfte dem Verein treu bleiben und gewaltige finanzielle Abstriche beim Salär akzeptieren – weil beispielsweise Beruf und Familie im Vordergrund stehen – bleibt abzuwarten. „Ich bin da eher skeptisch“, so Zerbe.

Kompletter Neuaufbau: Er geht in der Gruppenliga von einem kompletten Neuaufbau aus. „Wir wollen eine konkurrenzfähige und charakterstarke Mannschaft auf die Beine stellen. Kein Team, das jede Woche eine Klatsche verkraften muss. Auf der anderen Seite wäre es Quatsch, von Aufstieg zu sprechen. Vielmehr beginnt ein Konsolidierungskurs von nicht absehbarer Dauer. Und noch ist der geplante Gruppenliga-Etat nicht in trockenen Tüchern. Wir gehen aber fest davon aus, ihn stemmen zu können“, weiß Zerbe um die bevorstehenden Herkulesaufgaben. Parallel betrachtet er die Nachwuchs-Abteilung als „Herzstück des Vereins“ mit der Maßgabe, mittelfristig die Versorgung der Männer-Teams durch Eigengewächse nachhaltig zu forcieren.

Stiftung eine Stütze: Mitgliederbeiträge, die Spenden der Mitglieder des „Clubs der Freunde“ und des Business-Clubs sowie die jährlichen Dividenden der SV Wiesbaden-Stiftung, die dem Verein 2017 erstmals in Höhe von etwa 15 000 Euro zufließen, bilden in Zukunft das finanzielle Grundgerüst. Im Jugendbereich wird sich Andreas Reich weiterhin als Mäzen engagieren. Ansonsten hofft Zerbe, dass sich weitere Geldgeber – kleine wie große – finden lassen.

Auf den Fußball bezogen erlebte der frühere Dekanatsleiter des Fachbereichs Biologie an der Uni Mainz das vergangene halbe Jahr als Zeit der Extreme. Ende September 2015 stufte er die Allianzpläne mit dem SV Wehen Wiesbaden als „historische Chance“ ein, um nun der Realität Rechnung zu tragen. „Ich bin für zwei Jahre gewählt. Für diese Zeit halte ich es für völlig ausgeschlossen, dass es zu diesem Thema nochmals ernsthafte Gespräche gibt.“ Stattdessen betrachtet Zerbe die künftigen SVW-Gegebenheiten auf kleiner Flamme „als Chance, den Zusammenhalt zu stärken“.

Aufrufe: 013.2.2016, 15:00 Uhr
Stephan NeumannAutor