2024-05-02T16:12:49.858Z

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Teamfoto: Das Flüchtlingsteam "Rambach United" mit den Trainern/Betreuern Olaf Streubig (hintere Reihe, links), Julian Dinges (hintere Reihe, 3. von links) und Paul Bommas (hintere Reihe 2. von rechts). Ebenfalls dabei: Trainerlegende Dragoslav "Stepi" Stepanovic (weißes Shirt). F: Petra Sulzbach und Philipp Durillo
Teamfoto: Das Flüchtlingsteam "Rambach United" mit den Trainern/Betreuern Olaf Streubig (hintere Reihe, links), Julian Dinges (hintere Reihe, 3. von links) und Paul Bommas (hintere Reihe 2. von rechts). Ebenfalls dabei: Trainerlegende Dragoslav "Stepi" Stepanovic (weißes Shirt). F: Petra Sulzbach und Philipp Durillo

"Lebbe geht weider"

Kulttrainer Dragoslav Stepanovic wirkt als Botschafter bei "Sport und Flüchtlinge" +++ Land Hessen unterstützt Vereine

WIESBADEN - Dragoslav Stepanovic weiß, wie man das Eis bricht: „Du, komm mal zu mir, mein Junge, du bist genau mein Spieler“, ruft er in Richtung der 16 jungen Fußballer, die sich vor ihm versammelt haben. Liban kommt aus Somalia und hat gerade erst von der Prominenz seines Gegenübers erfahren. Mit einem schüchternen Lächeln schlurft er über den knirschenden Rambacher Hartplatz. Er ahnt, dass das Eintracht-Trikot, das er trägt, „Stepi“ besonders gefällt. Der einstige jugoslawische Nationalspieler und Bundesligatrainer in Frankfurt und Leverkusen genießt aufgrund seiner markigen Sprüche Kultstatus.

Doch der Weltklasse-Fußballer der 70er-Jahre ist nicht nur zum Sprücheklopfen gekommen, sondern zur feierlichen Übergabe von Fördermitteln an die Städte Wiesbaden und Rüsselsheim im Zuge des Programms „Sport und Flüchtlinge“. Stepanovic (67) ist neuer Botschafter des Programms des Hessischen Innen- und Sportministeriums. „Sport ist ein wichtiger Faktor bei der Integration“, erläutert Hessens Sportminister Peter Beuth (CDU) und ist sich sicher: „Aufgrund seiner Bekanntheit im Sport wird unser Programm durch Stepi eine noch höhere Wertschätzung erhalten.“

Sport-Coaches als ehrenamtliche Vermittler

Nicht nur Wertschätzung, sondern auch 45.000 Euro bekam die Stadt Wiesbaden, die durch Stadträtin Helga Tomaschky-Fritz (SPD) und Sportamtsleiter Karsten Schütze vertreten war, überreicht. „Das Geld wollen wir primär in die Bezuschussung von Trainern, Material und Equipment, dem Transfer von der Flüchtlingsunterkunft zum jeweiligen Spiel- oder Trainingsort und der Zahlung einer Aufwandsentschädigung für die Sport-Coaches verwenden“, meint Schütze. Diese „Sport-Coaches“ sind als vermittelndes Bindeglied zwischen Sportvereinen, Asylbetreuung, Unterkünften und den Flüchtlingen tätig. In Wiesbaden beginnen vier ausgebildete Sport-Coaches ihre Arbeit, von denen in Rambach Michael Medoch und Christiene Jouaux-Frönd anwesend waren. Sie betonen: „Wichtig ist nun, viele Vereine ins Boot zu holen.“

Vorreiter "Rambach United"

Das ist in Rambach längst geschehen. Bereits seit einem Jahr organisiert die SG Rambach/Kloppenheim dort alles in Eigenregie: Training, Schuhe, Trikots sowie Freundschaftsspiele und Turniere. Seit August 2015 existiert dort das Fußball-Team „FC Rambach United“, das aus unbegleiteten Flüchtlingen somalischer, eritreischer, afghanischer und syrischer Herkunft besteht. Betreut werden sie von den Lizenztrainern des TV Kloppenheim, Paul Bommas und Olaf Streubig, sowie Rambachs Jugendleiter Julian Dinges. Ab September gehen die 15- bis 18-Jährigen in einer Jugendspielgemeinschaft mit dem TuS Medenbach in der A-Jugend-Punktrunde an den Start, die Älteren bei der Seniorenmannschaft der SG Rambach/Kloppenheim. „Vereine, die solche Eigeninitiative entwickeln und die keine Sport-Coaches von der Stadt brauchen, können Zuschüsse beantragen“, erklärt Schütze. Das hört man bei der SG Rambach/Kloppenheim gern. Schließlich ist auf den beiden Hartplätzen der SG der Verschleiß an Material, beispielsweise Bällen, sehr hoch.

Verwunderung über die alten Rotgrandplätze

Dass Rambach und Kloppenheim beide nur über Rotgrandplätze verfügen, überraschte auch Dragoslav Stepanovic, der in Rambach eine Stunde mit den Flüchtlingen trainierte: „Die machen hier so tolle Arbeit und müssen auf so schlechten Plätzen spielen, da muss was passieren.“ Längst sind viele Jugendliche in benachbarte Vereine mit Kunstrasen abgewandert, die Flüchtlinge vom FC Rambach United halten ihrem Verein aber die Treue. Selbst wenn sie mittlerweile nicht mehr in Rambach wohnen, nehmen die Jungs zweimal pro Woche die gut einstündige Fahrt aus der Unterkunft zum Sportplatz auf sich. Fernab von Heimat und Familie bedeutet der Sport für sie ein geregeltes Stück Alltag. Oder, um es mit Stepanovics wohl bekanntester Weisheit in tiefem hessischem Idiom auszudrücken: „Lebbe geht weider!“

DAS PROGRAMM: SPORT UND FLÜCHTLINGE
Das Programm „Sport und Flüchtlinge“ ist bundesweit einmalig und wurde Anfang des Jahres vom hessischen Innen- und Sportministerium aufgelegt. Ziel ist es, die integrative Kraft des Sports vor Ort zu stärken und in der Flüchtlingsarbeit ehrenamtlich Engagierte zu unterstützen. Das Projekt läuft bis zum 30. April 2017. In Hessen machen 194 Kommunen mit und werden mit insgesamt 2,4 Millionen Euro aus dem kommunalen Finanzausgleich gefördert. Wiesbaden erhält dabei 45.000 Euro, die 20.000 Euro für Rüsselsheim nahm Oberbürgermeister Marcus Burghardt in Rambach entgegen.
Neben der SG Rambach/Kloppenheim sind TV Waldstraße, TuS Dotzheim, TSG Sonnenberg und FV Biebrich 02 Vorreiter in Sachen integrativer Flüchtlingsarbeit. Für einen optimalen Integrationsprozess sollen Flüchtlinge in bestehende Vereins- und Mannschaftsstrukturen eingebettet werden.
Organisationen oder Vereine, die ein Sportangebot für Flüchtlinge initiieren möchten, wenden sich per E-Mail an das Sportamt Wiesbaden: sportamt@wiesbaden.de.

Aufrufe: 012.7.2016, 12:00 Uhr
Philipp DurilloAutor