2024-05-02T16:12:49.858Z

Ligabericht
Feyyaz Balaban (l.) begann als Kind beim SC Kelheim und spielte danach 14 Jahre bei der JFG Donautal und dem TSV Bad Abbach.  Foto: Roloff
Feyyaz Balaban (l.) begann als Kind beim SC Kelheim und spielte danach 14 Jahre bei der JFG Donautal und dem TSV Bad Abbach. Foto: Roloff

Landesliga-Duo und Ex-Profi am Acker

FC Kelheim holt drei früher höherklassige Kicker und will sein Image aufpolieren. „Wir sind kein rein türkischer Klub.“

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Das liegt es vor einem, das Trainingsgelände des FC Kelheim. An den Toren lässt sich erahnen, dass es ein Fußballplatz sein könnte. Die Bezeichnung „Rasen“ würde jeden aufrechten Grashalm kränken. „Kartoffelacker ist treffender“, sagt Sinan Saban, Sprecher des A-Klassen-Vereins FC Kelheim. Ein Bolzplatz an der Europabrücke dient dem Klub als Trainingsstätte, etwas anderes steht nicht zur Verfügung. „Unsere Heimspiele dürfen wir im Städtischen Stadion austragen.“ Nur die Reserve nicht mehr – das Geläuf sei durch andere Teams schon zu sehr beansprucht.

Der vor genau zehn Jahren gegründete FC hat es schwer, in der Sportstadt Kelheim anzukommen. Die durchwegs jungen Vereinsverantwortlichen wollen daran arbeiten und weg vom Image als undisziplinierter Haufen. Und sie streben fußballerisch nach Höherem. Erste Anzeichen sind die Verpflichtungen der früheren Landesliga-Spieler Feyyaz Balaban (TSV Bad Abbach) und Ahmet Lafci (Abbach/ATSV) sowie des früheren türkischen Drittliga-Profis Halil Singin.


Teambesprechung in der Moschee

Die Präsentation eben dieser Kicker muss auf dem „Acker“ stattfinden. „Ein Vereinsheim haben wir nicht, unsere Besprechungen halten wir im Jugendraum der Kelheimer Moschee ab“, sagt Saban. Der FC ist, unschwer zu erkennen, von türkischstämmigen Kickern geprägt. „Wir sind überwiegend Moslems, aber die Religion spielt im Fußball keine Rolle. Die Glaubensausübung ist bei jedem Privatsache“, erklärt Neuzugang Balaban, der auch als Co-Trainer eingreift. Hauptcoach ist sein Bruder Fatih Balaban.

Der 34-jährige Trainer sei, so 2. Vorsitzender Marcel Wunderlich, der Motor der Erneuerung. „Vor einem Jahr noch haben wir Spieler vergeblich angesprochen – keiner wollte zu uns“, sagt Wunderlich. Mit Fatih Balaban, der zu Saisonbeginn kam, sei eine Veränderung eingetreten. „Er ist auf dem Platz der Chef und legt großen Wert auf Disziplin. Wer zwei Minuten zu spät zum Training kommt, zückt schon automatisch seinen Euro für die Vereinskasse. Abseits des Platzes ist er ein Kumpeltyp“, sagt etwa der 25-jährige Mittelfeldspieler Singin. „Zu 80 Prozent“ sei sein Bruder verantwortlich, dass er Bad Abbach verließ und zum FC ging, ergänzt Feyyaz Balaban.

Etwa 50 000 Euro Profi-Gehalt

Die frisch verpflichteten Kicker stehen nicht wirklich im Saft. „Ich habe im Mai des Vorjahres einen Kreuzbandriss erlitten und es erst jetzt in der Halle wieder probiert“, so Balaban (22), ein Mann für die Reihe vor der Abwehr. 14Jahre lang war er bei der JFG Donautal und im Anschluss bei Bad Abbach. Mit TSV-Trainer Stefan Wagner habe er über seine Zukunft gesprochen. „Ich hätte es sicher wieder über die Ersatzbank beim Landesligisten probieren können, aber in dieser Saison wäre ich kaum drangekommen. Deshalb riet auch Wagner, dass ich mal wechseln soll.“ Seit gefühlt zehn Jahren sei der FC an ihm dran gewesen, „jetzt hat es gepasst“.

Auf eine Profi-Vergangenheit blickt Halil Singin zurück. „Als 17-Jähriger bekam ich einen Vertrag bei Ankara Demirspor und habe vier Jahre in der dritten Liga gespielt.“ Dass er nicht flunkert, zeigen die offiziellen Fußball-Daten über ihn im Internet. „Vergleichbar ist die Liga mit Bayern- oder Landesliga, so stark ist der türkische Fußball nicht in der Breite.“ Dennoch könne man verhältnismäßig gut Geld verdienen. „Auf 40000 bis 50000 Euro kann man heute in der dritten Liga im Jahr kommen.“

Als Singin 21 Jahre war, lernte er eine Kelheimerin kennen. Die Frau mit Wurzeln in der Türkei machte jedes Jahr in ihrem Herkunftsland Urlaub und dort funkte es. „Wegen ihr bin ich nach Deutschland gezogen und wir haben geheiratet.“ Das Ziel in den ersten Jahren war, eine berufliche Existenz aufzubauen. „Ich war zwar beim ATSV Kelheim, konnte aber so gut wie nie ins Training gehen.“ Das, so nickt Singin bestimmt, soll sich jetzt mit dem Neubeginn im FC ändern.

Der dritte Neuling, Ahmet Lafci (26), verdiente sich Landesliga-Sporen bei Bad Abbach und ATSV. Der Bruder des ATSV-Stürmers Mustafa Lafci studierte in den vergangenen Jahren in Bamberg und schraubte sein fußballerisches Engagement zurück. Alle drei frischen Kräfte wollen bereits im Frühjahr spielen.

„Wir sind alle zusammen in Kelheim groß geworden“, sprechen die Spieler die neue Identität der Mannschaft an. Als „rein türkischen Verein“ sehen sie sich längst nicht mehr. „Wir nehmen genauso gerne deutsche Kicker oder Spieler anderer Nationen auf.“ Unter Fatih Balaban stünden mittlerweile 20 bis 25 Akteure im Training. „In vergangenen Jahren war es manchmal nur drei.“ Auch Jugendteams könnte man aufstellen, hätte man Trainingsplätze.

Um den Ruf, der ihnen bisweilen vorauseilt, wissen die jungen Männer Bescheid. „Natürlich haben wir ein gewisses Temperament, gerade junge Spieler. Aber jeder weiß genau, dass wir von Gegnern und Zuschauern auch provoziert werden.“ Der frühere türkische Verein Anadolu Kelheim, der vor gut 20 Jahren existierte, habe sicher auch die Vorurteile geprägt. „Da waren wirklich Spieler dabei, die sich mit Gegner und Schiri prügelten.“ Was ihnen aber an Beschimpfungen widerfahre, habe ebenso wenig mit sportlicher Fairness zu tun.


Eigenwerbung beim ATSV-Kick

Diese Feindseligkeiten sollen aus Sicht des FC Kelheim der Vergangenheit angehören. „Ich glaube, die beste Werbung für uns haben wir beim Kelheimer Hallenturnier gemacht. Es gab nicht einen Vorfall.“ Marcel Wunderlich, der nach Anfängen beim ATSV über seinen Freundeskreis zum FC kam, will gemerkt haben, dass einige Vereine „schon anders über uns denken“. Zu früheren Zeiten sei es kaum möglich gewesen, Gegner für Freundschaftsspiele zu bekommen. Am Samstag testet der FC um 14.30 Uhr beim TSV Abensberg II.

„Wir wollen sportlich auf uns aufmerksam machen. Wir peilen den Aufstieg in die Kreisklasse an“, sagen die Herren. Selbst wenn auf einem Bolzplatz trainiert werden muss.

Aufrufe: 018.2.2017, 12:00 Uhr
Martin RutrechtAutor