2024-04-24T13:20:38.835Z

FuPa Portrait
Abwehrmann mit einem Hang zu Vorstößen: Adli Lachheb  Foto: Nickl
Abwehrmann mit einem Hang zu Vorstößen: Adli Lachheb Foto: Nickl

Lachheb hat gelernt, sich durchzubeißen

Der neue Verteidiger des SSV Jahn Regensburg ist ein Mann wie ein Baum - und einer, der auch über den Tellerrand blickt

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Er ist ein Mann wie ein Baum. Einen Meter und 94 Zentimeter ist Adli Lachheb, der neue Verteidiger des SSV Jahn Regensburg, groß. Mit seinen sehnigen Oberarmen und dem raspelkurzen Haar ist er eine Erscheinung, die gegnerischen Stürmern Respekt einflößen dürfte. Er ist der Typ Spieler, den der Jahn gesucht hat, um eine zuvor als Bubi-Truppe verschriene Mannschaft härter zu machen. Und dass der 27 Jahre alte Tunesier einer ist, der mit schwierigen Situationen wie dem Abstiegskampf in der 3. Liga zurecht kommt, steht wohl außer Frage: Er musste schon früh in seinem Leben lernen, sich durchzubeißen.

Nur arabisch und französisch, kein Wort deutsch und ein paar wenige Brocken englisch: So sahen die Sprachkenntnisse von Lachheb aus, als er 2007 mit 19 Jahren aus seiner Heimatstadt Monastir nach Deutschland ging. Die Idee, sich überhaupt dieses Land für einen Neustart auszusuchen, entstand beim Fernsehschauen. ,,Bei der WM 2006 habe ich daheim auf der Couch mit meinem Vater das Endspiel von Berlin angeschaut. Da habe ich zu ihm gesagt: Da will ich einmal spielen. Das war einfach so ein Traum", erzählt er. Ein Traum, der sich erfüllt hat. Lachheb konnte mit verschiedenen Vereinen bislang sogar schon viermal im Olympiastadion spielen.

Fast wie ein Muttersprachler

Bevor er es bis in die riesige Arena in Berlin schaffte, war es aber ein langer und harter Weg. Nach dem Abitur wagte er das Deutschland-Abenteuer. Lachheb zog nach Frankfurt. In der Nähe fand er mit Kickers Offenbach einen Klub, in Darmstadt begann er ein Maschinenbaustudium. Zunächst musste er aber in einem Intensivkurs Deutsch lernen. Vier Stunden am Tag. In die Sprache hat er sich so reingekniet, dass er jetzt, acht Jahre später, fast wie ein Muttersprachler rüberkommt. ,,Das Fußballspielen hat mir dabei viel geholfen. Auf dem Platz oder in der Kabine musst du sofort deutsch sprechen, das ist das beste Training." Das begonnene Maschinenbau-Studium hat er nach kurzer Zeit jedoch abgebrochen: ,,Das war zeitlich so intensiv, das war parallel zum Fußball unmöglich."

Seit acht Jahren ist er nun in Deutschland und fühlt sich richtig wohl. Im neuen Kulturkreis hat er sich schnell zurecht gefunden. Nur an das Wetter kann er sich nicht so recht gewöhnen: ,,Die Kälte in Deutschland mag ich nicht so. Aber ich hab ja schon in Aue gespielt, im Erzgebirge. Das war von der Kälte nicht zu toppen. Also bin ich hier jetzt sehr zufrieden."

,,Revolution kam ein bisschen spät"

Wenn Lachheb über den Fußball redet, merkt man, wie wichtig ihm dieser Sport ist. Noch konzentrierter und auch nachdenklicher wirkt er, wenn er über Politik spricht, über die Revolution in seinem Heimatland. Von Deutschland aus verfolgte er den arabischen Frühling. Immer wieder jettete er auch heim, um Kontakt mit seiner Familie zu haben. ,,Die Revolution war richtig und gut", sagt er heute. ,,Sie kam nur ein bisschen zu spät. Aber es ist oft so: Die Menschen werden erst dann aktiv, wenn es ihnen richtig dreckig geht." Der Neuaufbau in Tunesien sei deswegen so schwierig, weil das Land vorher so runtergewirtschaftet worden sei. ,,In Deutschland gab es mit dem Neuanfang nach der DDR ja etwas ähnliches", meint Lachheb: ,,Damals stand die Bundesrepublik aber als Helfer zur Seite. So etwas hat Tunesien nicht."

Lachheb ist ein bodenständiger Tpy. Er komme aus einfachen Verhältnissen, erzählt er: ,,Meiner Familie ging es vergleichsweise aber noch gut. Wir hatten keinen Wohlstand, ich musste aber auch nie hungern." Nun den Traumberuf Fußballer auszuüben und dabei noch ein anders Land kennenzulernen, ist für ihn die Erfüllung. Und die soll noch lange andauern: ,,Ich will schon spielen, bis ich 34, 35 bin."

Vom aktuellen Druck im Abstiegskampf will er sich nicht unterkriegen lassen. ,,Es bringt doch nichts, wenn du ständig grübelst und vor Spielen nicht mehr schlafen kannst." Überhaupt will er sich vom Schreckgespenst Abstieg nicht zu sehr ängstigen lassen. Das Leben ginge auch in der Regionalliga weiter: ,,Denn wenn du Fußball ernst nimmst, musst du immer das Beste aus dir rausholen, egal ob in der 2. Liga oder in der Regionalliga."

Einem trauert er allerdings etwas hinterher: ,,Es ist schade, dass wir mit dieser Mannschaft nicht die gesamte Saison spielen konnten. Ich bin mir sicher, dass wir dann nicht unten drin stehen würden." Dass es doch noch mit dem Wunder Klassenerhalt klappt, dazu will er jetzt seinen Teil beitragen. Nach kurzen Anlaufschwierigkeiten scheint er einen Stammplatz beim Jahn erkämpft zu haben. Und seit er spielt, fällt den Fans vor allem eins auf: Immer wieder bricht Lachheb zu dynamischen Ausflügen übers halbe Feld auf und erinnert dabei an den legendären Brasilianer Lucio.

,,Ja", sagt er mit einem breiten Grinsen, ,,von diesem Vergleich habe ich schon öfters gehört". Für die Vorstöße entscheide er sich im Spiel übrigens ganz spontan, sagt er, und sie seien auch nicht nur für die Galerie: ,, Das eine oder andere Mal ist schon ein Tor dabei rausgesprungen."

Aufrufe: 031.3.2015, 18:31 Uhr
Jürgen ScharfAutor