2024-04-25T14:35:39.956Z

Vereinsnachrichten
Aufgewirbelt: Auf dem Kunstrasenplatz an der Maastrichter Straße liegt „ummanteltes SBR“. Das ist die Abkürzung für „Styrene Butadiene Rubber“ Oliver Perkuhn
Aufgewirbelt: Auf dem Kunstrasenplatz an der Maastrichter Straße liegt „ummanteltes SBR“. Das ist die Abkürzung für „Styrene Butadiene Rubber“ Oliver Perkuhn

Künstliche Aufregung

Vor allem im Herbst und im Winter können Kunstrasenplätze ein Segen für die Sportler sein: Während normale Rasenflächen nach starken Regen- ...
oder Schneefällen teils noch Tage und Wochen unter Wasser stehen, kann auf Kunstwiesen schnell wieder gespielt und trainiert werden.

Doch die begehrten Plätze können auch ein Fluch sein: Auf vielen Flächen vor allem auf denen für Fußballer werden große Mengen Gummi-Granulat verteilt, um damit Verbrennungen auf der Haut durch Reibung mit den Kunststoffhalmen zu verhindern. Ein spezielles Granulat enthält jedoch krebserregende Stoffe.

Die NWZ hat nachgefragt, was auf den vier Kunstwiesen in Oldenburg verwendet wird. Auf zwei Plätzen ist es ein derartiges Granulat, das im Verdacht steht. Grund zur Panik bestehe jedoch nicht, versichern alle Beteiligten.

Die Diskussion um das Granulat von Kunstrasenplätzen ist nicht neu. In der jüngeren Vergangenheit sagten im Oktober Dutzende Vereine in den Niederlanden Spiele ab, nachdem ein TV-Sender berichtet hatte, dass das auf den Plätzen benutzte Granulat krebserregende Stoffe enthält. Der dortige Fußballverband betonte, dass laut Untersuchungen des niederländischen Gesundheitsamtes keine Gefahr besteht.

In Ahrensburg verzögerte sich nach einem Medienbericht der Bau eines Platzes, nachdem das gelieferte Granulat einer im Ausland ansässigen Firma untersucht und darin in geringer Konzentration ebendiese krebserregenden Stoffe gefunden worden waren. Die Stadt schaffte neues Granulat an.

Die Granulate können aus verschiedenen Materialien hergestellt werden. In der Kritik steht der Kautschuk Styrene Butadiene Rubber (SBR), der aus geschredderten Autoreifen gewonnen wird, die Weichmacheröle enthalten können. Diese wiederum können sogenannte Polyzyklische Aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) enthalten und die sind zum Teil krebserregend.

Nach REACH, der europäischen Chemikalienverordnung, die erst im vorigen Jahr auf Initiative des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) verschärft wurde, darf die PAK-Konzentration in Kunststoffen, mit denen Menschen in Hautkontakt kommen können, maximal ein Milligramm pro Kilogramm betragen.

Für zwei der drei städtischen Kunstrasenplätze gibt Veronika Rösler, Sportplatzexpertin des städtischen Fachdienstes Stadtgrün, Entwarnung: Der GVO-Platz im Sportpark Osternburg ist gar nicht mir Granulat verfüllt. "Das ist eher ein Hockeyrasen, auf dem man auch Fußball spielen kann", erklärt Rösler. Auf dem Platz beim FC Ohmstede am Flötenteich liege zwar Granulat, aber sei 2012 im Hinblick auf das dortige Wasserschutzgebiet Kunststoff aus Thermoplastischen Elastomeren verfüllt worden.

Auf dem Kunstrasenplatz an der Maastrichter Straße allerdings liegt laut Rösler "ummanteltes SBR". Und auch auf dem Platz des VfL Oldenburg an der Alexanderstraße wurde ebendieses Granulat verwendet, wie eine Nachfrage beim Unternehmen "Polytan" ergab, das diese beiden Kunstrasenplätze gebaut hat. "Polytan" ist zertifizierter "Fifa preferred producer", also vom Weltverband bevorzugter Produzent. Das Granulat selbst hat die Firma aus dem oberbayrischen Burgheim bei der Mülsener Rohstoff- und Handelsgesellschaft aus Sachsen eingekauft und weist das RAL-Gütezeichen 943 vor.

"Die Einstreugranulate bei uns sind gütezertifiziert und sowohl eigen- als auch fremdüberwacht", erklärt Peter Belger, Vertriebsleiter der Firma Mülsener. PAK seien jedoch im Granulat enthalten. "Natürlich sind da PAK drin. Aber die Konzentration ist durch die EU deutlich eingeschränkt und wir liegen klar unter dem Grenzwert der REACH-Richtlinie." Zudem nutze die Firma sehr definiertes Material, nämlich ausschließlich LKW-Altreifen.

In den Niederlanden hingegen werde auch mit technischen Reifen gearbeitet, die mehr Weichmacheröle enthalten. Darüber hinaus seien die krebserregenden Stoffe chemisch gebunden und nicht wasserlöslich, so dass sie zwar im Granulat drin sind, aber da eben nicht herauskommen. "Wir könnten das als Lebensmittelverpackung benutzen", meint Belger. Es sei gefährlicher, an einer viel befahrenen Straße den Reifenabrieb per Feinstaub einzuatmen.

Es gibt keine Studien, die belegen, dass von Kunstrasenplätzen im Speziellen oder auch von Kunststoffen, die eine geringe Menge PAK enthalten, eine Gefahr ausgeht. Das Bundesinstitut für Risikobewertung stellte in einer Risikobewertung aus dem Jahr 2010 lediglich fest, dass viele Verbraucherprodukte diese krebserzeugenden Stoffe enthalten.

Da nicht erwiesen ist, ab welcher Konzentration das Material "hinsichtlich der krebserzeugenden Wirkung unbedenklich" sei, sprach sich das BfR dafür aus, "die Belastung von Verbrauchern durch PAK auf das niedrigste vernünftigerweise realisierbare Niveau zu senken". Das wäre 0,2 Milligramm pro Kilogramm, der Grenzwert wurde von der EU auf 1 Milligramm pro Kilogramm festgelegt. Das BfR verbucht das als "großen Erfolg". Die Europäische Kommission will die Grenzwerte in vier Jahren überprüfen. Aber auch das BfR weiß nicht, ob die PAK überhaupt aus dem Kunststoff auf den Menschen übertragen werden können. "Der derzeitige Kenntnisstand über die Freisetzung dieser Verbindungen aus den Produkten ist aber begrenzt und muss verbessert werden(...)".

"Uns ist die Gesundheitsfrage sehr bewusst", sagt Veronika Rösler vom städtischen Fachdienst. Deshalb habe man sich für ein Unternehmen mit entsprechenden Zeugnissen ("Polytan") entschieden. "SBR-Granulate werden heute nur noch mit Gütesiegel herausgegeben das ist bedenkenlos", sagt sie. So sieht das auch VfL-Präsident Rainer Bartels: "Die Plätze sind alle TÜV-geprüft, und wir haben den Platzhersteller sorgfältig ausgewählt. Wir gehen davon aus, dass man dem vertrauen kann." Der VfL-Platz sei etwa zehn Jahre alt und werde in den kommenden Jahren erneuert, kündigte er an.

Aufrufe: 026.11.2016, 11:45 Uhr
Mathias FreeseAutor