2024-04-25T14:35:39.956Z

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Kuru Zeki (links, hier in der Partie gegen DJK Bayern) steht auch mit 51 Jahren noch auf dem Platz, die Aufgeregtheit seiner jungen Kollegen kann er nicht verstehen. F: Roland Fengler
Kuru Zeki (links, hier in der Partie gegen DJK Bayern) steht auch mit 51 Jahren noch auf dem Platz, die Aufgeregtheit seiner jungen Kollegen kann er nicht verstehen. F: Roland Fengler

Kopfschütteln über die Aufgeregtheiten der Jugend

Alltag in der A-Klasse 7 - Teil 7: Kuru Zeki ist sich auch mit 51 Jahren nicht zu schade, seine Knochen für den Türkischen SV Gostenhof in der A-Klasse hinzuhalten

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Gut, sie war ja nie weg, die A-Klasse. Wir haben sie hier nur versteckt, eine Saison lang. Jetzt sind wir wieder dort, auf holprigen Wiesen, bei den Jungs mit den schweren Knochen, bei denen, die lieber nächtelang feiern gin­gen als ins Fußballinternat. Eine wöchentliche Liebeserklärung an die ehrlichste Fußball-Liga Nürnbergs.
Besonders herzlich sind die Spieler beider Mannschaften auch vorher nicht miteinander umgegangen, aber jetzt, da die Entscheidung in dieser Partie gefallen ist, verlieren einige im Eiltempo die Nerven. 30 Minuten sind noch zu spielen, als Tony Keene für den TSV Zirndorf das 3:1 erzielt und beim Türkischen SV Gostenhof die Erkenntnis reift, dass aus diesem Tag kein schö­ner mehr wird.

Die verbleibenden 30 Minuten nut­zen sie dann recht erfolgreich dazu, ihre Außendarstellung zu sabotieren. Erst lässt sich einer von den Gäste­fans provozieren, im Anschluss daran können die Ordner nur mit viel Mühe verhindern, dass auf die verbale auch noch eine körperliche Auseinanderset­zung folgt und als das Spiel dann end­lich vorbei ist, wollen sich die Fußbal­ler des Türkischen SV sogar unterein­ander ans Trikot, bevor sie dann doch noch gemeinsam die Tore aufräumen und frustriert Richtung Kabine schlei­chen.

Kuru Zeki beobachtet all das an der Seitenlinie, dann sagt er völlig unauf­geregt den Satz „Ich habe diese Aufre­gung noch nie verstanden“ und schüt­telt den Kopf. An manchen Tagen ist Kuru Zeki, 51 Jahre, weiße Haare, Teil dieser tem­peramentvollen Gruppe, heute hat er es aber vorgezogen, seine Lederjacke anzulassen, seine Haare unter einer Mütze zu verstecken und das Gesche­hen von außen zu beobachten. „Die jungen Spieler sind immer so impul­siv“, sagt er, „aber man kann doch nichts erzwingen, wenn man so viel redet“. Und erst recht nicht, wenn man die eigene Faust im Gesicht des Gegenübers sehen will.

Zeki, das darf man ihm einfach mal glauben, war auch früher auf dem Fuß­ballfeld ein friedlicher Zeitgenosse, „spätestens, wenn abgepfiffen wird“, findet er, „sollte alles vergessen sein. Es ist doch nur Fußball.“ So entspannt kann das wohl nur einer sehen, der schon ein bisschen was erlebt hat. Mit zehn Jahren hat er angefangen, dem Leder (damals war es wirklich noch eins) hinterherzuren­nen, vier Jahrzehnte später tut er das immer noch regelmäßig – ob für die erste Mannschaft, die zweite oder die Ü30 ist ihm dabei egal. Ihren „fittes­ten Mitspieler“ nennen ihn die Kolle­gen, manche sind selbst schon längst Ü30 oder sogar Ü40.

„Wir haben ein Nachwuchspro­blem“, erzählt Zeki, auch wenn er das bei einem Blick auf den Platz eigent­lich nicht extra hätte erwähnen müs­sen. „Am Ende stehen immer wir Alten auf dem Platz“, sagt er und er tut es ohne zu klagen. Manchmal kämen neue Spieler gleich in ganzen Gruppen, aber oft seien die Freunde dann auch schnell wieder weg. „Eigentlich müssen wir jedes Jahr von vorne an­fangen.“ Seit zwölf Jah­ren ist er im Verein, die Atmosphäre sei gut, sagt Zeki, auch wenn der Ver­ein an diesem sonnigen Tag im Wiesengrund einen anderen Eindruck hinterlässt.

„Wie ein Virus“

Abschrecken lassen hat er sich von all den Aufgeregtheiten trotz­dem nicht, der Spaß am Fußball treibt ihn auch mit 51 Jahren noch an – „Fußball“, sagt Kuru Zeki, „ist wie ein Virus“. Mit zehn Jahren ist er infiziert worden, damals noch in, nunja, West-Ber­lin. Es ist eher selten, dass sich anhand eines aktiven Fußballers auch die jahrzehntelange Ge­schichte eines ganzen Landes erzählen lässt. Bei den Berliner Amateu­ren hat er angefangen, 1965 war das, der Türki­sche SV Gostenhof war da noch gar nicht gegrün­det. 1992 zog er aus dem wiederverein­ten Berlin nach Nürnberg, ein gutes Jahrzehnt später fand er eher zufällig zu seinem heutigen Verein.

Nach Berlin fährt Zeki inzwischen nur noch ab und zu, um seine Eltern zu besuchen. In Kreuzberg ist er aufge­wachsen, „früher wollte dort keiner wohnen, heute wollen sie alle hin“, sagt er, lacht und schüttelt noch ein­mal den Kopf. Besonders gut gefällt es ihm in seiner alten Heimat nicht mehr, findet Zeki. Er meint: Noch aufregender als ein Spiel in der A-Klasse.

Aufrufe: 012.10.2016, 09:38 Uhr
Sebastian GloserAutor