2024-04-23T13:35:06.289Z

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Klassenerhalt wäre wie Meisterschaft

Eintracht Trier: Bewegte Zeiten für Rückkehrer Josef Cinar – Papa in spe appelliert an die Fans

Der Kaderumbau bei Fußball-Regionalligist Eintracht Trier ist für eine Winterpause enorm. Vier neue Spieler sind schon da, weitere werden wohl folgen. Sie sollen mithelfen, den Klassenerhalt doch noch zu schaffen. fupa stellt die potenziellen Retter in loser Folge vor. Heute zum Start: Josef Cinar.

Josef Cinar ist der Zeit immer noch voraus. Wenn es 10 Uhr ist, zeigt das Ziffernblatt 12 Uhr an. Cinars Armbanduhr ist noch nicht wirklich mit umgezogen – sie ist noch auf die türkische Zeit geeicht.

Knall auf Fall hat der 32-Jährige Südostanatolien verlassen. Weg aus der Millionenstadt Gaziantep, zurück ins beschauliche Trier. „Die letzten Wochen waren stressig“, sagt Cinar, der nach fünfeinhalb Jahren wieder beim Regionalligisten Eintracht Trier angeheuert hat. Weil teilweise Monatsgehälter und Prämien bei seinem Club in der Türkei, dem Zweitligisten Gaziantep BB, ausstanden, hatte der Innenverteidiger den Verein abgemahnt. Nachdem auch binnen einer 30-Tage-Frist kein Geld floss, kündigte Cinar den noch bis Ende Mai 2017 laufenden Vertrag einseitig.

Er war frei für einen Wechsel, mit dem er schon länger gedanklich schwanger gegangen ist. Cinar und seine Frau Yaprak, die Ende März erstmals Eltern werden, fühlten sich in der Türkei nicht mehr so richtig sicher. „Wir hatten phasenweise ein mulmiges Gefühl. In den zweieinhalb Jahren, die ich in Gaziantep war, sind in der Stadt vier Bomben hochgegangen“, berichtet Cinar. Die Metropole liegt nur rund 100 Kilometer Luftlinie von der Grenze zum Bürgerkriegsland Syrien entfernt. Im Gedächtnis bleiben bedrückende Bilder: „Wir haben die Flüchtlingswelle mitbekommen. Wir haben viele hilflose Menschen in den Straßen wahrgenommen. Ihre Angst war in den Gesichtern abzulesen.“

Cinar intensivierte den nie abgebrochenen Kontakt zu seinem ehemaligen Mitspieler, Freund und heutigen Eintracht-Geschäftsführer Torge Hollmann. Da Triers neuer Trainer Oscar Corrochano einen erfahrenen Innenverteidiger suchte, wurde die Rückkehr des Ex-Kapitäns eingetütet. „Ich hätte in der Türkei bleiben und dort woanders für deutlich mehr Geld weiter Fußball spielen können, als ich jetzt in Trier verdiene. Aber ich bin kein Söldner“, sagt Cinar, der bei den Moselanern einen Zweieinhalb-Jahresvertrag unterzeichnet hat, der auch für die Oberliga gelten würde und noch nicht näher definierte Perspektiven für den Übergang ins weitere berufliche Leben beinhaltet.

Oberliga – so abwegig ist das nicht, schließlich ist die Eintracht akut abstiegsgefährdet. Cinar, der als ältester Spieler im Kader direkt wieder vorneweg gehen soll, weiß um die sportliche Brisanz: „In der Regionalliga zu bleiben, wäre wie ein Gewinn der Meisterschaft.“

Zwei Kilo weniger auf den Rippen

Der 1,94-Meter-Hüne sieht sich gewappnet, um den Abstiegskampf erfolgreich zu bewältigen: „Seit meinem ersten Engagement in Trier habe ich mich als Führungsspieler weiterentwickelt.“ Auch körperlich sieht er sich dank zwei Kilo weniger auf den Rippen gerüstet. Die Drittligisten Burghausen und Chemnitz, der türkische Erstligist Erciyesspor und Zweitligist Gaziantep – so lauteten Cinars Stationen nach dem Weggang von der Eintracht im Sommer 2011, zu der er 2008 vom SC Verl gekommen war.

In seiner ersten Trierer Zeit hat der gebürtige Bremer verschiedene Trainer erlebt: den lieben Werner Weiß, den exzentrischen Mario Basler, den Taktikfuchs Reinhold Breu und den ausgebufften Kaderplaner Roland Seitz. Nun heißt sein Coach Oscar Corrochano. Cinar: „Er ist fachlich kompetent und menschlich top. Er arbeitet viel und akribisch.“ Immer noch da ist Co-Trainer Rudi Thömmes. Cinar freut’s: „Rudi ist mit seiner lockeren Art ein wichtiges Bindeglied zwischen Mannschaft und Trainerteam.“

In Trier ist Cinar nun auf Wohnungssuche, damit alles rechtzeitig für die Geburt des Töchterchens Ende März vorbereitet werden kann. „Man merkt, dass die Mieten in der Stadt gestiegen sind. Wenn jemand etwas Schönes hat, soll er sich melden“, sagt der Papa in spe, der auch einen Appell an die Eintracht-Fans richtet: „In Gaziantep haben wir vor 200 Zuschauern gespielt. Da wirst du als Spieler nicht nervös, da fehlt die Punktspielatmosphäre. Ich hoffe, dass das in Trier wieder anders ist. Wir brauchen die Anhänger, die uns nach vorne peitschen. Ich hoffe, sie geben uns mit ihrer Unterstützung die Chance, den Karren aus dem Dreck zu ziehen.“

Aufrufe: 018.1.2017, 20:52 Uhr
Mirko BlahakAutor