2024-04-25T14:35:39.956Z

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Kicken - aber sicher?

Haftung bei Hallenturnieren: Urteil aus Detmold treibt Osnabrücker Funktionäre um

Sicherheit geht vor, daran lässt Hartmut Klocke keine Zweifel. Aber wenn es um die Haftungsfrage bei Hallenturnieren im Jugendfußball geht, dann gerät der Jugendobmann im Fußballkreis Osnabrück-Land ins Grübeln. Die Ursache dafür ist ein Urteil des Amtsgerichts Detmold, das nach einem Unfall im Jahr 2013 nun einen Jugendtrainer wegen fahrlässiger Körperverletzung in Haftung genommen hat. Im Fußballkreis Detmold wurde daraufhin die Hallenrunde abgesagt.

,,Wir haben eine Fürsorgepflicht unseren Trainern und Betreuern gegenüber, die wir aus der Schusslinie nehmen müssen", erklärte Detmolds Kreisvorsitzender Gottfried Dennebier dazu. Klocke will nun vom niedersächsischen Verband wissen, wie weit die Haftung greifen kann. Der Fußballkreis ist offiziell Ausrichter der Fußball-Hallenrunde, die bei den Vereinen im gesamten Landkreis ausgespielt wird. ,,Ich kann ja an einem Wochenende nicht zu allen Turnieren vom Südkreis bis Quakenbrück fahren und überall kontrollieren", sagt Klocke, der eine Anfrage an den niedersächsischen Verband und den DFB gestellt hat, inwieweit die Verbände eine rechtliche Deckung für Ausrichter und Organisatoren übernehmen. ,,Ich will Sicherheit, ob ich auch als Kreisjugendobmann in die Pflicht genommen werden kann", sagt Klocke, ,,dann muss ich aufhören".

Am 12. Januar 2013 war bei der Hallenkreismeisterschaft der D-Jugend in der Sporthalle des FC Augustdorf ein damals Elfjähriger schwer verletzt worden. Beim Aufwärmen in einer Nebenhalle war ein Handballtor von einem Schuss getroffen worden, umgekippt und hatte den Jungen getroffen, der nach ärztlichen Attesten immer noch stark unter den Folgen des Geschehens leidet. Sein Hör- und Geschmackssinn werden dauerhaft beeinträchtigt bleiben.

Nach den Ermittlungen hatten zum Unfallzeitpunkt - aber auch schon lange vorher - zwei Handballtore ungesichert in dem nicht abschließbaren Nebenraum gestanden. Es gab keine Befestigungsmöglichkeiten. Auf diese Umstände stützte die Staatsanwaltschaft ihren Vorwurf der fahrlässigen Körperverletzung. Laut einer älteren DIN-Vorschrift, die alle Beteiligten offensichtlich nicht kannten, hätten die Tore gegeneinandergestellt und mit Ketten oder Schlössern gesichert werden müssen.

Drei Beschuldigte, der kommunale Hausmeister, der stellvertretende Vereinsvorsitzende und der Jugendgeschäftsführer des FC Augustdorf, akzeptierten Geldauflagen zwischen 360 und 700 Euro, nach Zahlung wurde das Verfahren gegen sie eingestellt. Der vierte Beschuldigte, Jugendtrainer Volker Dierk, wollte hingegen keine Sanktion akzeptieren, weil er sich keinerlei Schuld bewusst war. Deshalb kam es gegen ihn zum Prozess. Dierk argumentierte unter anderem damit, dass er bei dem Turnier auch noch die Mannschaft des FC Augustdorf betreut habe und er sich daher unmöglich um allgemeine Sicherheits- und Aufsichtsfragen habe kümmern können.

Der Richter sah es anders. Der Angeklagte sei ,,als Jugendvorstand in die Turnierorganisation verantwortlich mit eingebunden" gewesen. Insofern habe er auch die Pflicht gehabt, mögliche Gefahrenquellen zu prüfen und auszuschalten. ,,Ein besonnener und gewissenhafter Mensch hätte erkannt, dass zwei ungesicherte Tore in der Nebenhalle standen", sagte der Jurist. Die ,,Verantwortung und Schuld" sei zwar gering, und sie treffe auch nicht nur eine Person. Bei Fragen der Sicherheit dürfe es aber ,,keine Rolle spielen", ob jemand im Ehrenamt tätig sei oder nicht. Das Gericht habe die Ehrenamtlichkeit aber bei der Strafzumessung mildernd berücksichtigt. Der Angeklagte muss eine Geldauflage von 700 Euro zahlen, eine Geldstrafe von 40 Tagessätzen à 50 Euro wurde zur Bewährung ausgesetzt.

Verteidiger Jann Popkes hatte einen Freispruch für seinen Mandanten gefordert. Er übte nach dem Urteil heftige Kritik. Das Ehrenamt habe ,,einen Dolchstoß erhalten", sagte er. Vereinsvertreter äußerten sich empört über die Rechtsprechung. Der verurteilte Jugendtrainer will Berufung einlegen.

Stippvisite bei der Hallenrunde am vergangenen Wochenende: Durch Zufall trifft es Eintracht Neuenkirchen, am Sonntag erst Gastgeber der D-Junioren, bevor die F-Junioren die Sporthalle erobern. ,,Es gibt eine Nebenhalle, aber die ist abgeschlossen", erklärt Helmut Heft. Alle Jugendbetreuer im Verein wüssten Bescheid: Derjenige, der die Halle aufschließt, muss auch die ganze Zeit bei seiner Mannschaft bleiben. Bis März des vergangenen Jahres war er Jugendobmann der Eintracht. Gemeinsam mit seinem Amtsvorgänger Jürgen Böttcher lenkt Heft nun das Geschehen in der Halle. ,,Wir versuchen, alles nach Vorschrift zu halten", versichert Heft. ,,Man macht sich schon Gedanken", sagt Böttcher.

Wenn die Kinder dem Ball nachjagen, denkt wohl kaum jemand an Haftungsfragen - weder die Trainer auf der Bank noch die Eltern auf der Tribüne. Grundsätzlich seien die Sportler über den Verband versichert, betont Rainer Clausjürgens. Beim SSC Dodesheide ist er Jugendleiter, im Fußballkreis Osnabrück-Stadt organisiert er im zwölften Jahr die Hallenrunde. ,,Sicherheit ist immer ganz wichtig. Die großen Tore sind bei den Spielen in Hülsen im Hallenboden verankert", sagt er. ,,Wir sind seit Jahren verpflichtet, auch draußen die Jugendtore zu befestigen. Das wird sehr ernst genommen."

Allen Sicherheitsvorschriften zum Trotz ist auch Clausjürgens nachdenklich. Mehrfach ist er per E-Mail auf den Detmolder Fall aufmerksam gemacht worden - von ganz unterschiedlichen Seiten. Dass aufgrund des Urteils nun Ehrenamtliche ,,reihenweise ihre Ämter niederlegen, glaube ich nicht". Aber ganz zur Tagesordnung übergehen kann er auch nicht. ,,Ich trainiere selbst eine E-Jugend. Muss ich alle jetzt in den Spielpausen um mich scharen, oder dürfen sie mit einem Ball spielen? Das ist ein weites Feld", grübelt Clausjürgens. ,,Auch als Hallenleiter hat man keine Chance, wenn 100 Kinder gleichzeitig in einer Sporthalle unterwegs sind", sagt Klocke.

18 Turniere der Hallenrunde werden an diesem Wochenende im Landkreis gespielt, vier in der Stadt. Von tragischen Unfällen wie in Augustdorf mögen sie verschont bleiben. Die Folgen und das Detmolder Urteil werden auch ohne neue Schreckensmeldung nachwirken, wenn es um die Risiken des Ehrenamts geht. ,,Darüber sollten wir reden", findet Clausjürgens, ,,das Thema muss uns beschäftigen."

Aufrufe: 01.2.2015, 13:41 Uhr
NOZAutor