2024-05-02T16:12:49.858Z

Relegation

Kevin Heidt braucht einen Freistoß

RELEGATION: +++ Spiel in Langgöns mit vielfacher Brisanz +++

Man kann leicht von eigenen Fußball-Gesetzen faseln, wenn es um Derbys geht, oder die Aufstiegsspiele, die sich wie ein Rattenschwanz an die Saison dran hängen. Das entscheidende Spiel um Klassenerhalt bzw. Aufstieg in die Kreisoberliga Süd zwischen dem TSV Lang-Göns und TSV Großen-Linden aber besaß tatsächlich Brisanz in doppelt bis dreifacher Hinsicht.

Zum Beispiel, weil ausgerechnet Kevin Heidt in der 87. Minute - von der Bank kommend - den entscheidenden Treffer erzielte. ,,Ja", sagt der Schütze des brillanten Freistoßes, ,,ich kann das immer noch nicht glauben, ich habe das Tor schon ein paar Mal auf Fupa angeschaut. Wie der Ball dann passt, das ist schon phänomenal." Dass der 29-Jährige zurecht ins Schwärmen gerät, hat freilich nicht alleine damit zu tun, dass er nach der opulenten Aufstiegsfeier ,,nur zwei Stunden" geschlafen hat. Und die Festivität in Großen-Linden am gestrigen Mittag schon wieder weiter ging.

Kevin Heidts Tor hat, das ist jetzt etwas für die älteren Fußballfreunde, Günter Netzer-Dimensionen. Damals, als der Gladbacher sich im Pokalfinale gegen den 1. FC Köln selbst einwechselte und prompt den Ball zum Sieg in den Winkel zimmerte. Heidt: ,,Ich muss ja seit einem halben Jahr kürzertreten, kann nur einmal die Woche trainieren, deshalb habe ich auf der Bank gesessen. Aber ich habe gesagt: Wenn ich reinkomme, brauche ich nur einen Freistoß." Gesagt, getan.

Für den Schützen des goldenen Tores zum Großen-Lindener Wiederaufstieg ein ganz besonderer Moment, denn ,,wir Heidts sind ja Langgönser". Allerdings sind Kevin und sein Bruder Ruben, der auch bei Rudi Haßler spielt, fußballerisch schon länger zu einhundert Prozent Großen-Lindener. ,,Mein Vater Lorenz hat auch schon in Großen-Linden gespielt", sagt der Siegtorschütze. Und sein Onkel Robert Heidt auch.

Doch über dieses Relegationsspiel mit dem Herzschlagfinale - ein Remis hätte Lang-Göns gereicht, um die Klasse zu halten - gibt es auch noch andere interessante Geschichten zu erzählen. Zum Beispiel jene von Trainer Ralf Landgraf, mit dem Lang-Göns in der Kreisoberliga nach mäßiger Saison auf dem Relegationsplatz landete, der da aber schon verkündet hatte, in der kommenden Runde den Nachbarn TSV Großen-Linden zu übernehmen. Was bei den Grün-Weißen dafür sorgte, dass Landgraf die Relegationsrunde den TSV nicht mehr betreuen sollte. Für ihn übernahmen die Juniorentrainer Cataldo Turco und Giovanni DiPrima das Zepter, mit dem nun ganz bitteren Ende für den langjährigen Kreisoberligisten. Landgraf jedenfalls verbleibt in der höchsten im Kreis angesiedelten Liga, wenn er auch die Vereinsfarben wechselt. Weiterer Aspekt dieses einen Spiels mit weitreichenden Folgen: Die Lang-Gönser Zweite darf nicht die Aufstiegsspiele zur Kreisliga A bestreiten, weil dort jetzt bereits ihre eigene Erste angelangt ist. Nun muss die SG Obbornhofen/Bellersheim II ran, wo sich dem Vernehmen nach die Begeisterung für diese unverhoffte Chance in Grenzen hält. Begeisterung, die Kevin Heidt auch einen Tag nach seinem Treffer noch versprüht. Und das nicht nur wegen seines Tores, sondern auch weil über 500 Zuschauer das Spiel sehen wollten. Auch so gesehen hatte der Fußball dann doch seine eigenen Gesetze.



Aufrufe: 09.6.2016, 08:00 Uhr
Rüdiger Dittrich (Gießener Anzeiger)Autor