2024-05-10T08:19:16.237Z

Ligabericht
Felix Bachschmid (r.) – hier in den Regionalliga gegen den SSV Jahn – will seine Chance in der ersten Mannschaft nutzen. Archivfotos: Nickl
Felix Bachschmid (r.) – hier in den Regionalliga gegen den SSV Jahn – will seine Chance in der ersten Mannschaft nutzen. Archivfotos: Nickl

Kelheimer steht in der Löwen-Manege

Felix Bachschmid (20) stürmt bei TSV 1860 München nun in der ersten Mannschaft. „Wir rücken jetzt ins Rampenlicht.“

Felix Bachschmid hat sich nach der schweißtreibenden Einheit in der Nachmittagssonne in seine etwas kühlere Wohnung am Isartor zurückgezogen. „Die Belastung mit zweimal Training täglich schlaucht ganz schön. Klar, wir stehen jetzt mehr im Fokus, wir sind die erste Mannschaft, aber Vorbereitung ist immer hart“, sagt der 20-jährige Kelheimwinzerer. Bislang war der Stürmer Teil des zweiten Teams des TSV 1860 München. Nun rückt er ins Rampenlicht: Die Jung-Löwen bestücken überwiegend den Neuaufbau der ersten Truppe. „Ich spiele wie zuvor in der Regionalliga Bayern, doch alles ist neu – allein zum Trainingsauftakt kamen bei Regen 500 Fans.“

Dass es beim TSV 1860 München turbulent zugeht, war in den letzten Jahren ein Dauerzustand. Die vergangenen Wochen trieben die Vorgänge auf die Spitze: Aus in der Relegation zur 2. Liga gegen den SSV Jahn Regensburg, keine Lizenz für die 3. Liga und damit das Ende des Profi-Fußballs. „Natürlich habe ich in der Relegation mitgefiebert und gehofft, dass die Profis in der 2. Liga bleiben. Für mich hätte sich dann eine Chance wie jetzt zwar nicht aufgetan, aber das Wohl des Vereins geht vor.“

Die Pleite im Relegationsrückspiel gegen den Jahn (0:2) erlebte der 20-Jährige im Urlaub auf Gran Canaria. „Wir als zweite Mannschaft hatten mit dem Vizemeistertitel in der Regionalliga eine gute Saison gespielt.“ Mit seiner Freundin und einem befreunden Pärchen wollte der Winzerer mal durchschnaufen. „Natürlich waren wir über Internet und Handy beim alles entscheidenden Spiel dabei.“


Abstiegsschock auf Urlaubsreise

Der Schock nach dem besiegelten Abstieg saß. „Zu diesem Zeitpunkt war in Medien von Insolvenz die Rede. Ich hatte keine Ahnung, wie es weitergeht.“ Im Winter hatte der Winzerer, der 2012 vom SSV Jahn zu den U17-Bundesliga-Junioren der 60er ging, seinen Vertrag bei den Löwen II bis 2018 verlängert – doch würde das alles noch Bestand haben? Bachschmid versuchte die restlichen Urlaubstage „noch so gut wie möglich“ zu genießen.

Bis zur Rückkehr stand nach einigen Zitterpartien eine Lösung: Die bisherige U21 (also Team II) und U19-Kicker würden die neue erste Mannschaft in der vierten Liga bestücken. Für Bachschmid trat der Neuanfang in der Regionalliga bei Vorbereitungsbeginn zu Tage: „Wir sind in den Kabinentrakt der Zweitliga-Profis umgezogen. Da hast du schon gemerkt: Das ist jetzt eine ganz andere Situation.“

Integrationsfigur schlechthin, so sieht es auch Bachschmid, war und ist Trainer Daniel Bierofka. Der Ur-Löwe (38) – der in Juniorenjahren tatsächlich beim FC Bayern München spielte – sprang schon in den vergangenen eineinhalb Jahren immer wieder ein, wenn ein Coach der 60er gehen musste. Zuletzt betreute er die zweite Garde

„In unserer Mannschaft ist der Trainer der Star, auch jetzt. Wenn wir wo auflaufen, scharen sich die Fans um ihn“, sagt sein Schützling. „Ich verstehe mich gut mit ihm.“ Selbst „Biero“ erstaunt die Aufmerksamkeit. Auf der 60er-Homepage berichtet er von einem Familienausflug in einen Biergarten. Andere Gäste zückten ihr Handy – „und plötzlich saßen dort über 100 Fans im Löwen-Trikot“.

Die Treue der TSV-Anhänger hebt auch Bachschmid hervor. „Sie stehen in schwierigen Zeiten zu uns.“ Beim ersten Test gegen den Bezirksligisten Hertha München (7:0) – der Winzerer traf auch – tauchten 1500 Zuschauer auf. „Hätten wir mit der bisherigen Regionalliga-Truppe gespielt, wären es vielleicht gut 100 gewesen.“


Fokus auf Fußball – nicht auf die Probleme

Seit zwei Wochen stehen die 60er in der Vorbereitung. Im Hintergrund arbeitet der neue Geschäftsführer Markus Fauser an der wirtschaftlichen Basis. Laut Bachschmid treffen die Spielergehälter pünktlich ein, wobei der 20-Jährige in seinem Vertrag keinen Profi-Status hat. Mit den geschäftlichen Belangen oder allen Diskussionen um den Investor will sich der junge Stürmer nicht befassen. „Ich lasse mich nicht ablenken und konzentriere mich auf meine sportliche Leistung. Die anderen Dinge muss ich so akzeptieren, wie sie kommen.“

Für Bachschmid geht es aktuell darum, sich einen Stammplatz in der ersten Elf zu erkämpfen. In den vergangenen beiden Jahren erfüllte der 1,85 Meter große Offensivspieler oft die Rolle des Edeljokers. Mit insgesamt zwölf Toren in der vierten Liga bewies er immer wieder Treffsicherheit – in der abgelaufenen Saison war er mit sechs Stück der Topstürmer der Löwen II. „Natürlich möchte ich von Beginn an spielen. Aber wenn meine Aufgabe ist, von der Bank reinzugehen, dann hänge ich mich auch da voll rein.“

Frühere Erstliga-Kicker im Kader

Cheftrainer Bierofka probierte in den bisherigen Testspielen verschiedene Formationen. Zuletzt am Mittwoch gegen den Bayernliga-Süd-Meister SV Pullach (0:0) begann Bachschmid neben Neuzugang Benjamin Kindsvater (Wacker Burghausen) im Sturm. „Zudem haben wir Offensivkräfte wie Nicholas Helmbrecht oder Nico Kager, die zum Teil schon für die Profis spielten. Der Konkurrenzkampf ist groß“, weiß Bachschmid. Gerade auch, weil frühere Erst- und Zweitliga-Kicker wie Timo Gebhart (VfB Stuttgart, 1. FC Nürnberg) oder Jan Mauersberger (u.a. Karlsruher SC, SpVgg Greuther Fürth) im Kader stehen. Ein Stürmer soll noch dazu stoßen.

„Der Coach hat klar signalisiert: Wer Leistung bringt und sich voll reinwirft, erhält eine Chance“, erzählt Bachschmid. Als im Herbst des Vorjahres noch Kosta Runjaic die Zweitliga-Truppe trainierte, durfte der Kelheimwinzerer bei den Profis reinschnuppern. „Nachdem er gehen musste und Coach Vítor Pereira sowie neue Spieler kamen, gab’s keinen Kontakt mehr zur ersten Mannschaft.“

Jetzt sieht Bachschmid seine Chance. „Ich wäre nicht zu den Löwen gegangen, wenn ich nicht das Ziel hätte, Profi zu werden. Mit 20 Jahren kann ich die Richtung noch immer einschlagen.“ Der Youngster will aber andere berufliche Wege nicht vernachlässigen. „Ich habe das Abitur gemacht und mit einem Fernstudium Sportmanagement an der Uni Düsseldorf begonnen.“ Vorerst will er das Studium ruhen lassen. „Ich konzentriere mich voll auf Fußball.“

„Die Erwartungshaltung ist groß“

Nach einem Trainingslager in Obertraun (Österreich) und weiteren Testspielen starten die Löwen am 13. Juli beim FC Memmingen in die Regionalliga Bayern. „Die Erwartungshaltung von außen ist groß.“ Vom sofortigen Aufstieg in die 3.Liga will Felix Bachschmid nicht reden. „Auch wenn wir die erste Mannschaft sind – der Großteil stammt aus dem zweiten Team. Wir sind nicht der Top-Favorit.“

Absolut begrüßen würde der 60er-Stürmer die angedachte Rückkehr ins Grünwalder Stadion. „Dort ist die Hütte wie beim kleinen Derby gegen FC Bayern II mit 12 000 Zuschauern voll und die Stimmung einmalig.“ Die Besinnung auf die Wurzeln soll die 60er stärken. An einer sportlich besseren Zukunft der Blauen kann der Kelheimwinzerer Stürmer in der ersten Reihe mitarbeiten.

Aufrufe: 024.6.2017, 07:00 Uhr
Martin RutrechtAutor