2024-05-02T16:12:49.858Z

Allgemeines
Der Beginn einer tollen Entwicklung: Dieses Foto entstand im Rahmen des freundschaftlichen Kräftemessens zwischen der SV Friedrichsort (rot) und dem "Team Schusterkrug" (blau).
Der Beginn einer tollen Entwicklung: Dieses Foto entstand im Rahmen des freundschaftlichen Kräftemessens zwischen der SV Friedrichsort (rot) und dem "Team Schusterkrug" (blau).

"Keiner verlässt gerne seine Heimat"

Schuffenhauer: "Gib ihnen einen Ball und die Integration beginnt" +++ SV Friedrichsort hilft Schutzsuchenden

Kaum eine Woche vergeht, ohne dass uns eine weitere Schreckensmeldung aus dem Themenkomplex Flucht erreicht. Die ,,Willkommenskultur" aus den letztjährigen Sommertagen scheint Geschichte und abgelöst von meist irrationalen Ressentiments den Schutzsuchenden gegenüber. Die Medien, das sollte man bedenken, funktionieren allerdings in den meisten Fällen selektiv, und zwar sensationsorientiert - So werden die positiven Aspekte dieses Themenbereichs zunehmend zu blinden Flecken. Aus dem positiv gemeinten Slogan ,,Wir schaffen das!" wird zunehmend ein latentes Gefühl diffuser Ängste, könnte man meinen. Vielleicht muss man aber gar nichts schaffen, sondern einfach mit den Gelegenheiten, sich menschlich zu zeigen, richtig umgehen. Die SV Friedrichsort macht es noch immer vor!

,,Das alles begann so im April, Mai", blickt Harald Schuffenhauer, seines Zeichens technischer Leiter der SV Friedrichsort zurück auf die Anfänge des sozialen Engagements seines Vereins. ,,In etwa 30 junge Menschen aus der Flüchtlingsunterkunft Schusterkrug hatten unseren Fußballplatz entdeckt und in gebrochenem Deutsch um Erlaubnis gebeten, darauf spielen zu dürfen."

Die Antwort des sympathischen 66-Jährigen lautete ,,Natürlich könnt ihr das!" und seitdem besteht eine enge Verbindung zwischen der SVF und dem circa einen Kilometer entfernten Flüchtlingsheim. ,,Gib ihnen einen Ball und die Integration beginnt", erklärt Schuffenhauer in seiner ihm eigenen urigen Art. Die jungen Männer durften sich nicht nur auf dem Sportgelände austoben, sondern wurden schon bald zu einem freundschaftlichen Fußballwettkampf herausgefordert. Als ,,Team Schusterkrug" traten sie gegen eine gemischte Friedrichsorter-Mannschaft an.

Die blauen Trikots (siehe oberes Bild) wurden von Michael Buchwald, dem Inhaber von Teamsport Friedrichsort, in Kooperation mit den Stadtwerken gestellt, geleitet wurde die Begegnung von Schuffenhauer selbst (auf dem Bild ganz rechts). Es dauerte eine gewisse Zeit bis das Team Schusterkrug funktionierte, bestand es doch aus einer Vielzahl an Nationen. Die Syrer, Iraner, Albaner und Afghanen rauften sich aber schließlich zu einer Einheit zusammen und zerlegten den Gastgeber mit 7:0 - schon diese Überwindung interner Differenzen spricht Bände über die integrative Macht des Fußballs.,,Mittlerweile besteht unsere dritte Mannschaft (Kreisklasse C) fast ausschließlich aus Flüchtlingen, lediglich vier Deutsche sind noch übrig", erklärt der Vereinsverwalter und bedauert, dass die Offenherzigkeit auch für Abwanderung sorgte.

Doch auch davon lässt man sich in Friedrichsort nicht beirren und will den eingeschlagenen Weg weitergehen. Die Kommunikation klappt dabei immer besser. Musste sich Trainer Jörg Michels am Anfang der Saison noch mit Hand und Fuß mit seinen neuen Schützlingen verständigen, funktioniert auch die verbale Kommunikation zunehmend besser und immerhin steht die Mannschaft mit vier Siegen auf einem ordentlichen elften Tabellenplatz. Für Furore sorgte der albanisch-stämmige Ismail Kostreni, der zum Beispiel beim 6:0-Pokalspiel-Sieg der ersten Mannschaft gegen den SVE Comet Kiel gleich fünf Tore erzielte. ,,Das ist ein echter Ausnahmespieler", schwärmt auch Schuffenhauer für die beeindruckenden Vollstrecker-Qualitäten des Angreifers. Seine Zukunft in Deutschland ist indes noch ungewiss - Auch Ausweisungen erleben die Verantwortlichen der SVF hautnah mit.

Ohne finanzielle oder materielle Unterstützung wäre es unmöglich gewesen, diese dritte Mannschaft auf die Beine zu stellen, also streckte man im Spätsommer die Fühler aus und weckte Synergien: Zum einen unterstützte Holstein Kiel den Verein mit Sachspenden in Form von Sportkleidung und Ausrüstungsgegenständen. Auch der Deutsche Fußballbund schickte einige Pakete. ,,Auf den Klamotten vom DFB sind allerdings nur drei Sterne", kritisiert Schuffenhauer ironisch und beschreibt im folgenden Satz die ungeheure Dankbarkeit der Flüchtlinge für die Kleidung . ,,Außerdem hat die Egidius-Braun-Stiftung 500EUR zugesteuert, da legte jeder der Jungs selbst noch jeweils 10EUR obendrauf und wir hatten genug Geld für 20 Paar Fußballschuhe zusammen", erklärt der pensionierte Feuerwehrmann, der schon seit 1984 im Verein aktiv ist und sich selbst als ,,Mädchen für alles" beschreibt. Ferner hat der Paritätische Wohlfahrtsverband ebenfalls einige Sachspenden geleistet und so zum Gelingen des Engagements beigetragen.

,,Für mich gab es keine zwei Meinungen", beschreibt Coach Michels seine inhärente Hilfsbereitsschaft. ,,Keiner verlässt gerne seine Heimat, die Jungs sind aus großer Not heraus geflüchtet", erläutert der Übungsleiter die Vergangenheit der Refugiumsuchenden. ,,Es ist toll zu sehen, wie sie strahlen wenn sie zum Training kommen. Man fühlt richtig wieviel Spaß sie haben. Der Ball hat einfach diese besondere Wirkung." Hoffentlich hat das Friedrichsorter Engagement vorbildliche Strahlkraft. Hans-Ludwig Meyer, der Präsident des Schleswig-Holsteinischen Fußballverbandes, hat mal gesagt, dass die Sportvereine Keimzellen unserer Gesellschaft sind. Die Saht, die die SVF einbringt, lässt auf eine gute Zukunft hoffen. Es ist nur ein Beispiel von vielen im Land zwischen den Meeren, kein solitärer Leuchtturm, der es mit der Dunkelheit aufnehmen muss.
Aufrufe: 024.3.2016, 07:00 Uhr
SHZ / wtiAutor