2024-04-25T14:35:39.956Z

Interview
Nachwuchssorgen bei den Schiedsrichtern: Im Gespräch mit den Aichacher Nachrichten verrät Schiedsrichter-Obmann Richard Augustin, wo die Probleme liegen und was die Vereine tun können, um den Mangel zu bekämpfen.  Symbolfoto: Manfred Stahl
Nachwuchssorgen bei den Schiedsrichtern: Im Gespräch mit den Aichacher Nachrichten verrät Schiedsrichter-Obmann Richard Augustin, wo die Probleme liegen und was die Vereine tun können, um den Mangel zu bekämpfen. Symbolfoto: Manfred Stahl

Junge Schiedsrichter werden dringend gesucht

In zwei Augsburger Klassen gibt es keine Unparteiischen mehr +++ Ostschwabens Obmann Richard Augustin sieht die Entwicklung kritisch +++ Der Pöttmeser erklärt, was dagegen hilft und wie die Situation im Landkreis ist

Richard Augustin pfeift seit 1999 für den TSV Pöttmes. 2015 begann er seine zweite Amtszeit als Obmann der Schiedsrichtergruppe Ostschwaben. Der 34-Jährige kam durch Zufall zum Schiedsrichterwesen und sichtet heute vor allem vielversprechende Nachwuchstalente.

Herr Augustin, aus Schiedsrichtermangel pfeifen in zwei Augsburger B-Klassen keine Unparteiischen mehr. Ist so etwas auch bei uns denkbar?

Richard Augustin: Phasenweise gibt es das auch schon bei uns in Ostschwaben. An bestimmten Spieltagen, wie an Ostern, wird es eng. Wenn bei den Erwachsenen und der Jugend an einem Tag gespielt wird, haben wir nicht genügend Personal.

Welche Spiele fallen dann aus?

Augustin: Es gibt es eine verpflichtende Prioritätenliste. Zuerst bleiben Reservespiele unbesetzt. Es folgen Frauenspiele bis zur Kreisliga sowie A- und B-Klassen der Männer.

Und wie sieht es im Jugendbereich aus?

Augustin: Die Junioren sind höher bewertet als die A-Klassen. Ein Schiedsrichter ist für die jungen Spieler noch wichtiger. Sie sollen lernen, wie man sich richtig auf dem Platz verhält und da hilft ein Unparteiischer enorm.

Wirkt sich das auf die Qualität aus?

Augustin: Wir haben sehr gute Schiedsrichter. Bei Engpässen kann es aber auch vorkommen, dass ein Kollege eine Klasse pfeift, für die er aufgrund des Tempos oder anderer Umstände eigentlich nicht vorgesehen ist. Das ist allerdings sehr selten.

Wie viele Schiedsrichter haben wir eigentlich bei uns?

Augustin: Die Schiedsrichtergruppe Ostschwaben hat 145 Mitglieder. Davon pfeifen 95 aktiv. Der Altersdurchschnitt liegt bei 38 Jahren. Der Jüngste ist 14 und der älteste 78 Jahre alt. Wir haben etwa zehn Kollegen über 65 Jahren.

Welche Rolle spielen die älteren Kollegen?

Augustin: Eine sehr wichtige. Sie pfeifen zwischen 40 und 50 Spiele pro Jahr. Ein Neuling kommt maximal auf 20 Partien. Wenn uns ein alter Kollege wegfällt, brauche ich mindestens zwei Nachwuchsschiedsrichter und dafür muss ich drei bis vier ausbilden.

Können Sie uns das genauer erklären?

Augustin: Im ersten Jahr hören 30 bis 50 Prozent wieder auf. Hinzu kommt, dass die jungen Leute heute vielmehr Verpflichtungen haben. Dementsprechend steht weniger Zeit zum Pfeifen zur Verfügung.

Apropos Nachwuchs - wie sieht es da in Ostschwaben aus?

Augustin: Dort haben wir die größten Probleme.

Woran liegt das?

Augustin: Das liegt in erster Linie am Umgang mit den Unparteiischen. Dabei meine ich weniger das Verhalten auf dem Platz, als vielmehr das Geschehen am Spielfeldrand. Erwachsene Zuschauer beleidigen junge Schiedsrichter. Der überlegt sich dann, ob er sich so etwas öfter antut.

Was können die Vereine tun, dass es wieder mehr Interessenten gibt?

Augustin: Die Vereine müssen ihren Mitgliedern klar machen, dass es ohne Schiedsrichter nicht geht. Man müsste das Bild des Schiedsrichters bereits intern ändern. Ihn als jemanden darstellen, der nach bestem Wissen und Gewissen Entscheidungen trifft und nicht jemand, der Fehlentscheidungen trifft. Die Vereine müssen für mehr Verständnis werben. Man darf Kritik äußern, aber Beleidigungen haben auf dem Fußballplatz nichts verloren. Dann würden sie sich auch leichter tun, Schiedsrichter zu finden.

Das liegt ja auch in deren Eigeninteresse, oder?

Augustin: Jeder Verein muss pro gemeldeter Herren- und Damenmannschaft sowie A- und B-Jugend einen Schiedsrichter stellen. Ansonsten fällt eine Ausfallgebühr an, die sich nach der Spielklasse richtet. Bei einer Mannschaft der Kreisliga oder Kreisklasse werden pro fehlenden Schiedsrichter 80 Euro im Jahr fällig. Nach fünf Jahren wären es dann 160 Euro.

Stellen denn alle Vereine einen Schiedsrichter?

Augustin: Manche haben gar keinen, andere dafür fünf Unparteiische. Im Schnitt fehlen pro Verein zwei Schiedsrichter.

Welche Anreize können Sie den jungen Kollegen bieten?

Augustin: Die Ausrüstung zahlt in der Regel der Verein. Es gibt eine Vergütung und eine Fahrtkostenerstattung. Außerdem bekommen die Schiedsrichter freien Eintritt bei Amateur- und Profispielen. Beim FC Bayern München gilt das sogar für die Champions League. Die Schiedsrichtergruppe bietet außerdem diverse Veranstaltungen und Ausflüge an.

Im vergangenen Jahr gab es keinen Schiedsrichter-Neulingskurs, wie sieht es 2017 aus?

Augustin: Wegen mangelnder Anmeldungen haben wir 2016 gar nicht ausbilden können. Das war eine Katastrophe und schon der dritte Ausfall innerhalb von acht Jahren. Im Juli planen wir einen Neulingskurs in Mauerbach.

Wie wird der bisher angenommen?

Augustin: Bislang haben wir fünf bis sechs Anmeldungen. Damit wir auch in der Zukunft alle Spiele besetzen können, bräuchten wir zwischen 15 bis 20 Neulinge. Die Vereine sind gefordert.

Sie haben die Vereine bereits angesprochen. Was muss sich noch ändern?

Augustin: 80 Euro Ausfallgebühr ist einfach zu wenig. In Baden-Württemberg ist die Strafe fünffach höher. Das tut dann richtig weh. Zweitens müsste man die Spesen für Schiedsrichter deutlich erhöhen. Ein gewisser Anreiz sollte schon da sein.

Hand auf’s Herz. Wie ernst ist die Lage bei uns im Landkreis?

Augustin: Wenn wir im Sommer zwischen 15 und 20 Neulinge ausbilden können, ist der Spielbetrieb für die kommende Spielzeit gesichert. Die Gefahr, dass wir bald flächendeckend Spiele nicht mehr besetzen können, ist aber akuter denn je. Wenn der diesjährige Kurs nicht stattfindet, sprechen wir im Sommer nicht mehr nur über nicht besetzte Spiele in der B-Klasse. Wenn weiterhin Kurse ausfallen, ist es nur eine Frage der Zeit, bis die unteren Klassen ganz ohne Unparteiische auskommen müssen.

Aufrufe: 017.3.2017, 16:44 Uhr
Aichacher Nachrichten / Sebastian RichlyAutor