2024-05-08T14:46:11.570Z

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Grafik: AZ/AN
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Es fehlen Vereinstreue und gute Trainer

In den vergangenen Jahren ist die Zahl der Jugendfußballvereine immer weiter gesunken. Vereine müssen immer öfter kooperieren

Im Gegensatz zu anderen Meisterschaftsspielen ist das Stadion in Merkstein gut gefüllt. Schließlich ist es auch ein Derby, das ansteht. Nun ja, in der Kreisliga C fallen viele Partien unter diesen Begriff, es ist eher ein Dorfduell, das ausgetragen wird. Der SVS Merkstein empfängt die Concordia aus Merkstein. Es ist ein hitziges Duell, das am Ende mit 4:1 an den Gastgeber geht. Ein Aufeinandertreffen, das das 15 Quadratkilometer große Örtchen in zwei Farben trennt. Wie oft das allerdings noch der Fall sein wird, steht in den Sternen. Eine Bestandserhebung des Fußballverbands Mittelrhein (FVM) zeigt eine Entwicklung, die auch die Vereine im Nordkreis vor eine schwierige Aufgabe stellt.

Nachwuchssorgen

Laut dieser FVM-Statistik gehen die Zahlen der aktiven Jugendmannschaften drastisch zurück. Waren vor zehn Jahren noch 840 Jugendteams im Fußballkreis Aachen gemeldet, gab es 2016 nur noch 655 Mannschaften. Das macht ein Minus von 185 Teams. Damit fällt immer mehr Vereinen das Grundgerüst einer zukunftsorientierten Ausrichtung weg. Für viele von ihnen gibt es dann nur noch eine Lösung: eine Kooperation, Spielgemeinschaft oder gar Fusion mit einem anderen Verein.

Eine Entwicklung, die schon längst zum Alltag für viele Vereine gehört. Den wohl dicksten Fisch hat dabei im Fußballkreis Aachen Alemannia Mariadorf geangelt: den großen Namensvetter aus der Kaiserstadt. Der Austausch mit den Tivoli-Kickern sorgt dafür, dass Sorgen bei der Jugendarbeit für die Alsdorfer in weitere Ferne gerückt sind – erst einmal. „Trotzdem macht man sich Gedanken, denn Nachwuchssorgen werden wir alle irgendwann bekommen“, sagt Mariadorfs Jugendleiter Karl-Heinz Barth. Mit 288 aktiven Kindern und Jugendlichen und damit 15 sich im Spielbetrieb befindenden Mannschaften steht Mariadorf zur Zeit aber noch bestens dar.

Andere Vereine hingegen haben es schon jetzt deutlich schwieriger. In Baesweiler beispielsweise. Dort können kleinere Vereine wie der SC Setterich kaum konkurrenzfähige Jugendteams in den Spielbetrieb schicken, alle Altersklassen anzubieten ist schon länger nicht mehr möglich. Deswegen laufen bereits erste Gespräche zwischen den einzelnen Vereinen der Stadt, an denen unter anderem auch der JSV Baesweiler beteiligt ist. Auch wenn sie „noch gut unterwegs“ sind, wie JSV-Jugendleiter Karl Reiners sagt: „Es wird aber immer schwieriger für jeden von uns.“ Spielgemeinschaften seien ideal, um diesem Negativtrend entgegenzuwirken und das Modell der Zukunft.

Den Stolz vergessen

Auch Merkstein vermischt bereits seine Farben im Jugendbereich. Mit Union Ritzerfeld stellen die beiden Merksteiner Vereine erste Spielgemeinschaften. Vor allem in den älteren Jahrgängen, „denn dort wird die Luft immer dünner“, so Martin Rupp, Jugendleiter von Concordia. „Die Zeiten, in denen wir uns die Spieler gegenseitig wegschnappen, sollten vorbei sein“, sagt Rupp. Man solle eher positiv denken und sehen, dass durch diese Gemeinschaftsteams die Jugendlichen im Dorf bleiben und ortsnah Fußball spielen können. Trotzdem sieht er immer wieder kleinere bis größere Probleme in der Zusammenarbeit. „Gerade bei der älteren Generation ist der Vereinsstolz und Konkurrenzgedanke noch sehr groß“, stellt er bei seiner Arbeit fest. Dabei sei es aber besonders wichtig, nicht kurz-, sondern langfristig zu denken und zu handeln.

Einen zentralen Grund für diese Entwicklung zu finden, wäre eine Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Vielmehr sind es viele kleine Veränderungen, die es den Vereinen so schwer machen. Das ist aber nicht nur im Fußball so, sondern eine sportübergreifende Entwicklung. Beispiel dafür ist das Euregio-Swim-Team, eine Trainings- und Startgemeinschaft des Herzogenrather SV und des Kohlscheider SC im Schwimmsport.

„Vereinssport ist nicht mehr nur da, um Spaß zu haben. Der Leistungsgedanke ist sehr weit fortgeschritten. Immer mehr Eltern drängen ihre Kinder dazu, mehr Leistung zu zeigen und überheizen ihre Sprösslinge so“, sagt Reiners. „Dann werden sie in große Vereine gesteckt.“ Oftmals seien die Jugendlichen auch zu lange in der Schule und schlichtweg schon ausgepowert, sind sich die Jugendleiter einig. „Außerdem ist das Angebot für die heutige Generation viel größer als früher“, sagt Barth. Und fügt hinzu: „Vereinstreue steht da nicht mehr wirklich an oberster Stelle.“

Beim Kreisjugendausschuss des Fußballkreises Aachen verfällt man trotz der fallenden Zahlen nicht in Panik. „Schließlich kann man auch erkennen, dass sich die Anzahl der Teams in den letzten drei Jahren stabilisiert hat“, so dessen Vorsitzender Detlef Knehaus. Außerdem seien gerade die Meldungen im Bambini-Bereich ein ungewisser Parameter, da dort zwar viele Teams Freundschaftsspiele organisieren, sich aber nicht für den Spielbetrieb anmelden. „Ich würde sagen, das sind so 30 bis 40 Mannschaften“, sagt Knehaus. „Das soll aber nicht heißen, dass kein Abwärtstrend zu erkennen wäre.“ Ein Hauptgrund dafür seien fehlende qualifizierte Trainer, die im Jugendbereich benötigt werden. Aber das sei ein gesellschaftliches Problem. „Es wird immer schwieriger, Personen für ein Ehrenamt zu überzeugen“, so Knehaus.

Steht den Vereinen mit seinem Team auch für Beratungen zur Verfügung: Detlef Knehaus, Vorsitzender des Kreisjugendausschusses. Foto: T. Schwark
Steht den Vereinen mit seinem Team auch für Beratungen zur Verfügung: Detlef Knehaus, Vorsitzender des Kreisjugendausschusses. Foto: T. Schwark

Den Schritt, eine Spielgemeinschaft zu gründen, findet er sinnvoll. Es sei gut, zu sehen, dass Vereine dann doch vernünftig seien. Oft scheitere so etwas nämlich an den Erwachsenen. „Die Kinder wollen doch nur Fußball spielen“, sagt er.

Knehaus und sein Team stehen auch für Beratungstermine zur Verfügung, falls es Probleme mit der Rechtsgebung oder Durchführung von Spielgemeinschaften gibt. „Aber wir würden nie aktiv auf einen Verein zugehen“, sagt Knehaus, „das steht nicht in unserem Ermessen.“

Außerdem versucht der Jugendausschuss immer wieder Konzepte in den Spielbetrieb einfließen zu lassen, die noch mehr potenzielle Jugendspieler ansprechen sollen. Die eingeführte Fair-Play-Liga sei dabei bereits schon ein Selbstläufer geworden. Bei den Spielefesten wünscht er sich allerdings noch, dass die Vereine sie besser annehmen würden.

Eine neue Idee, die momentan besprochen wird, ist die Einführung von abgehängten, also technisch verkleinerten, Toren für Jugendspiele. Trotz dieser Versuche rät Knehaus den Vereinen: „In erster Linie sind die handelnden Personen – das sind Trainer, Jugendleiter und die Vereinsführung – in der Pflicht. Wir helfen allerdings dort, wo wir können.“

„Vereinssport ist nicht mehr nur da, um Spaß zu haben. Der Leistungsdruck ist sehr weit fortgeschritten.“

- Karl Reiners, Jugendleiter JSV Baesweiler

Aufrufe: 019.5.2017, 08:00 Uhr
Tyrone Schwark | AZ/ANAutor