2024-04-16T09:15:35.043Z

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Blick zurück: Gonsenheims Frank Specht (links) und Schottler Salvatore Ruggiero betrachten die Bildergalerie im SVG-Vereinsheim.	Foto: hbz/Stefan Sämmer
Blick zurück: Gonsenheims Frank Specht (links) und Schottler Salvatore Ruggiero betrachten die Bildergalerie im SVG-Vereinsheim. Foto: hbz/Stefan Sämmer

"Je mehr Derbys, desto besser"

LANGVERSION: Vor dem Oberliga-Rückrundenauftakt stellen sich Schott-Manager Salvatore Ruggiero und Gonsenheims Abteilungsleiter Frank Specht zum Doppel-Interview +++ Ingelheim und Waldalgesheim gern gesehene Aufsteiger

MAINZ. Frank Specht und Salvatore Ruggiero müssen schmunzeln, als sie die alten Bilder im Vereinsheim des SV Gonsenheim sehen. Unter Trainer Bert Balte waren sie zur Jahrtausendwende noch Mitspieler am Wildpark, nun sind sie Kontrahenten: Specht, der erfolgreiche Bänker und Sparmeister am Wildpark, und Ruggiero, Marketing-Chef der Schott AG und Serien-Aufsteiger beim TSV Schott Mainz. Am Sonntag, 15 Uhr, treten die Gonsenheimer beim Glaswerk-Klub an. Vor dem Rückrunden-Auftakt der Fußball-Oberliga haben wir die beiden Manager zum Doppel-Interview getroffen.

Frank Specht, Salvatore Ruggiero, sind Sie zufrieden mit der Hinrunde?
Frank Specht: Mehr als das. Für mich ist unser Platz fünf ungefähr so viel Wert, als wenn Mainz 05 Deutscher Meister wird. Wenn man unser Budget in das Verhältnis setzt zu dem, was wir im Moment erreichen, ist das absolut überragend. Aber die 0:7-Klatsche in Neunkirchen oder das 0:5 in Ludwigshafen zeigen, dass uns die Konstanz fehlt. Wir haben noch immer dasselbe Ziel: 45 Punkte, die wir vermutlich brauchen, um in der Liga zu bleiben.
Salvatore Ruggiero: Ich glaube, grundsätzlich ist es okay momentan. Auch wenn wir von der Erfahrung der Spieler her ein anderes Potenzial haben, sind wir immer noch ein Aufsteiger. Wir haben einige junge Spieler integriert. Wenn man ehrlich ist, haben wir eine wahnsinnig gute Auswärtsbilanz und eine wahnsinnig schlechte Heimbilanz. Zu Hause hätten wir uns ein paar Pünktchen mehr versprochen.

Die Spieler geben es zu, die Trainer auch: Immer wieder geht der Blick in der Tabelle zum Nachbarn. Schott-Coach Ali Cakici hat es so beschrieben: Man will vor dem Stadtrivalen stehen, wünscht ihm aber keine Niederlage. Würden Sie das unterschreiben?
Ruggiero: Ich hätte mir ganz ehrlich auch gewünscht, dass Fortuna Mombach den Aufstieg schafft.
Specht (nickt): Jo.
Ruggiero: Natürlich möchte man besser sein als der Lokalrivale, aber man wünscht dem anderen auch, dass er eine gute Rolle spielt. Es ist eine normale Rivalität, aber nicht mehr. Die Spieler kennen sich untereinander, haben vielfach in der Jugend zusammengespielt.
Specht: Ich sehe es viel egoistischer: Es ist ein finanzieller Aspekt. Ich spiele hier vor 800 Zuschauern gegen Schott und vor 120 gegen Diefflen. Deshalb würde ich natürlich, nicht nur weil ich mit ihm befreundet bin, Jürgen Collet wünschen, mit Ingelheim aufzusteigen, und Waldalgesheim auch noch, dann hätten wir vier Mannschaften im Umkreis von 40 Kilometern. Das wäre doch genial.

Welche Bedeutung hat es denn, die Nummer eins hinter Mainz 05 in der Stadt zu sein, wie es der SV Gonsenheim ja einige Jahre lang ziemlich unangefochten war?
Specht: Für uns ist etwas anderes entscheidend: Gegen Wirges hatten wir acht Spieler aus der eigenen Jugend in der Startformation. Ob wir einen Platz vor oder hinter Schott landen, bringt uns keine fünf Cent mehr Geld oder Anerkennung. Natürlich hast du die Konkurrenzsituation im Jugendbereich, da bekomme ich Gott sei Dank nicht alles mit. Aber ich habe das Gefühl, dass auf beiden Seiten die Qualität nicht darunter leidet. Unsere A-Jugend muss zurzeit eher lernen, von ihrem hohen Ross als Viertelfinalist im DFB-Pokal runterzukommen und sich die harte Realität in der Regionalliga anzuschauen. Was die Konkurrenz angeht, da wird die Bedeutung von außen höher gewichtet als von uns.

Aber die Kritik einiger Jugend-Trainer, dass früher die Spieler automatisch von Mainz 05 nach Gonsenheim kamen und nun der TSV mit dem Scheckbuch dazwischen funkt, kommt ja nicht von außerhalb.
Specht: Ob die mit dem dicken Scheckbuch dazwischen funken, vermag ich nicht zu beurteilen, aber es ist auch weniger eine Kritik als eine Beschreibung des Zustands, und das ist ja auch legitim. Es ist ja die freie Marktwirtschaft, in der wir leben.
Ruggiero: Es gibt bei uns kein Scheckbuch und auch kein Geld in der Jugend. Wir müssen uns, seitdem ich das hier mache, immer damit auseinander setzen, dass wir als Klein-Hoffenheim gesehen werden. Die Nummer eins hinter Mainz 05, dafür gibt es keine Medaille. Viel entscheidender ist, was wir für den Mainzer Fußball machen. Es ist doch toll, wie viele junge Spieler aus der eigenen Jugend in beiden Mannschaften integriert wurden. Diese jungen Spieler wechseln nicht geldorientiert irgendwo hin. Das ist doch viel besser, als wenn ein Verein mit Geld kommt und sich alles zusammenkauft, ohne eigene Jugendarbeit zu machen.

Angenommen, Fortuna Mombach gelingt irgendwann der Aufstieg. Wäre denn genug Platz in Mainz für drei Oberligisten?
Specht: Aus meiner Sicht ja. Die Frage ist, welche Philosophie dahinter steckt. Ich denke, die Philosophie, auf den eigenen Nachwuchs zu setzen, wird die sein, die am längsten hält.
Ruggiero: Natürlich gibt es genug Platz. Wir reden von der Landeshauptstadt, einem gesunden Umfeld im Rhein-Main-Gebiet, Mobilität spielt nicht mehr eine so große Rolle. Je mehr Derbys, desto besser.

Herr Ruggiero, Sie waren der Vorgänger von Frank Specht als Manager in Gonsenheim. Hättest Sie sich damals vorstellen können, dass der Verein diese Entwicklung nimmt?
Ruggiero: Ich glaube, der Verein hatte damals schon die besten Perspektiven. Themen wie Fördertraining, das sehr früh von Bert Balte eingeführt wurde, war damals fast einmalig in der Umgebung. Das war der Startschuss, gezielt auf die Jugend zu setzen. Ich bin froh, dass man hier der Sache treu geblieben ist.

Gibt es eine Art Agreement, dass man dem Stadtrivalen keine Spieler abwirbt, oder herrscht in Mainz freie Marktwirtschaft in Reinkultur?
Ruggiero: Es gibt kein Agreement, dass man keine Spieler abwirbt. Aber ich denke, wir gehen fair miteinander um.
Specht: Ja.
Ruggiero: Es ist wichtig, dass wir einen guten Draht haben, denn die Spieler versuchen dich ja auch auszutricksen. Es gibt ein Agreement zwischen Frank, dem SVG-Vorsitzenden Joachim Mayer und mir, dass ich ankündige, wenn ich mit einem Gonsenheimer Spieler rede.

Herr Specht, was zeichnet den TSV Schott aus?
Specht: Das, was Schott erreicht hat, kannst du nicht nur mit Geld erreichen. Dahinter muss auch eine Philosophie stehen. Salva sagte ja vorhin: „Wir schaffen es jetzt ja auch, die eigenen Jugendspieler als Stammspieler zu integrieren.“ Das ist für mich die Aussage, an der ich Schott messe. Ob sie Geld haben, ist mir wurscht, ich sehe Ergebnisse. Da steckt Hirn dahinter. Schott leistet einen Riesen-Beitrag für den Amateurfußball in Mainz und Umgebung, da besteht ja ein großer Nachholbedarf. Und Schott schürt den Konkurrenzkampf, wovon auch wir profitieren, wie bei Bayern und Dortmund.

Mit Bert Balte, der die Jugendarbeit in Gonsenheim maßgeblich vorangetrieben hat und danach reihenweise mit Schott aufgestiegen ist, und dem Ur-Gonsenheimer Salvatore Ruggiero an der Spitze: Ist die Entwicklung des SV Gonsenheim auch zumindest in einigen Elementen eine Blaupause für den TSV?
Ruggiero: Es gibt Dinge, die ähneln den ersten Schritten des SV Gonsenheim, ja. Die Neugier bei Trainern und Verantwortlichen, Dinge anzunehmen, die bei anderen Vereinen gut gemacht wurden, ist groß. Aber es kommen so viele Dinge hinzu, die Kindersportakademie, die Till Pleuger entwickelt hat, beispielsweise, so etwas hat kein anderer Verein.
Specht: Was Schott zudem von Gonsenheim unterscheidet, ist, dass es ein Breitensportverein ist. Bei uns ist alles auf den Fußball ausgerichtet.
Ruggiero: Das ist ein guter Hinweis. Es gibt auch viele Dinge, die wir von anderen Sportarten übernehmen, etwa wenn Leichtathleten bei uns Athletiktraining mit Fußballern machen.
Specht: Wir sind seit Monaten auf der Suche nach einem gescheiten Physiotherapeuten und versuchen immer, ein professionelleres Umfeld zu schaffen. Aber oft scheitert es eben an den finanziellen Mitteln.

Wo wird Ihr Verein in fünf Jahren stehen?
Specht: Ich bin ein Freund von Dreijahresplänen. Wir wollen in drei Jahren noch in der Oberliga sein. Darüber hinaus ist für uns nur schwer vorstellbar.
Ruggiero: Für uns ist wichtig, weiterhin vermehrt auf Jugend zu setzen, das ist ein höheres Ziel als der sportliche Erfolg. Und wir wollen weiterhin attraktiven Fußball spielen, auch wenn es aufgrund von Unerfahrenheit mal eine Klatsche gibt. Wir orientieren uns von Jahr zu Jahr.

Es gab ja früher klare Ansagen, wohin es gehen soll, das ist vorbei?
Ruggiero: Das ist vorbei.

Was wünschen Sie Ihrem Gegenüber ganz persönlich?
Ruggiero: Ich wünsche Frank, dass er weiterhin so erfolgreich agiert, dass seine Handschrift zu erkennen ist. Das wird sicher nicht leichter, das Gonsenheimer Umfeld hat ja auch gewisse Erwartungen, das ist hier nicht anders als bei Mainz 05. Ich weiß, dass Frank stark eingespannt ist im Beruf, daher wünsche ich ihm, dass er weiter auf seine Work-Life-Balance achtet. Das Ehrenamt verschleißt viel Energie und Kraft, und nur ein ganz kleiner Teil in der Gesellschaft schätzt das noch Wert.
Specht: Ich wünsche Salva, dass er den Verein weiter vorwärts bringt, in allen Bereichen. Auch du legst ja nicht die Füße hoch im Job. Daher hoffe ich, dass wir uns noch einige Jahre in der Oberliga begegnen, das macht Spaß.

Wie endet das Spiel am Sonntag?
Ruggiero: Da ich an unsere Jungs glaube, denke ich, dass wir knapp gewinnen, 2:1 oder 3:2.
Specht: Wir gewinnen 2:1.

Ein Tipp, nur ausgedrückt in einer Zahl, wo landet der Gegner am Saisonende?
Ruggiero: Fünf oder sechs. Platz sechs.
Specht: Dann sage ich: Schott landet auf Platz sieben.

Aufrufe: 021.11.2014, 13:15 Uhr
Torben SchröderAutor