2024-05-08T14:46:11.570Z

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Viel Zustimmung, wenig Gegenrede und eine neue Atmosphäre: Das war das Bild bei der Mitgliederversammlung des SSV Jahn Regensburg.  Foto: Nickl
Viel Zustimmung, wenig Gegenrede und eine neue Atmosphäre: Das war das Bild bei der Mitgliederversammlung des SSV Jahn Regensburg. Foto: Nickl

Jahn: Finanziell gewappnet wie noch nie

Neben selten gehörten Botschaften gibt es auf der Mitgliederversammlung der Regensburger aber auch eine weitere Überraschung

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Wo auch immer eine Mitgliederversammlung stattgefunden hatte, so etwas wie diesmal war für Jahn-Verhältnisse neu. Das Ambiente hatte professionellen Anstrich, die Gesprächskultur auch, der Arena-Erkundungseffekt lockte trotz guter allgemeiner Stimmungslage im Verein stolze 270 Stimmberechtigte und bemerkenswert oft fielen die bemerkenswerten Worte ,,noch nie" oder ,,erstmals". Freilich: Ohne Überraschungen wäre ein Abend beim SSV Jahn kein Abend beim SSV Jahn. Und so gestaltete sich die anstehende Wahl der sechs Aufsichtsräte mit jener Brisanz, die ansonsten auf der Tagesordnung fehlte.

Erst einmal aber überbrachte der Vorstandsvorsitzende Hans Rothammer selten, vielleicht sogar nie gehörte Botschaften in der Regensburger Sportlandschaft als Bilanz für seine bislang 15-monatige Amtszeit. ,,Der Verein ist in einer Situation, wie er es nie war, vielleicht noch am Tag der Gründung: Er ist nämlich ohne Schulden und Altlasten", sagte Rothammer. ,,Stand heute kann man sagen, wir haben nicht nur die laufende Saison seriös finanziert, sondern auch auf etwa gleichem Niveau eine nächste Saison in der Regionalliga und bei einem Aufstieg auch auf deutlich erhöhtem Niveau die dritte Liga und wären dort finanziell erstmals konkurrenzfähig."

Der Hintergrund dieser Faktenlage scheint so einfach wie für Regensburger Verhältnisse durchaus ungewöhnlich: ,,Erstmals in der Geschichte des SSV Jahn konnten wir fast ausschließlich mehrjährige Verträge mit einer Steigerung für den Fall des Aufstiegs abschließen, die uns, Stand heute, in der dritten Liga Erlöse von 2,6 bis 2,7 Millionen Euro brächten."

,,Wir sollten unter den Top 50 sein"

Die Schlussfolgerungen von Hans Rothammer klangen logisch. ,,Selbstverständlich ist die Regionalliga nicht die Liga, mit der wir zufrieden sein können. Unser Ziel muss es sein, dauerhaft Profifußball, also mindestens dritte Liga zu spielen. Regensburg ist die 48. größte Stadt Deutschlands, das heißt, dass der SSV Jahn auch immer unter den besten 50 Fußballmannschaften Deutschlands sein sollte."

Rothammer verwies auf einen ehemaligen Regensburger Aufstiegstrainer: ,,Markus Weinzierl hat in einem Interview vor einigen Jahren in meiner Anwesenheit einmal gesagt, das der SSV Jahn ein schlafender Riese ist. Dieser Riese macht gerade die Augen auf und beginnt, sich zu räkeln", sagte Rothammer und appellierte an die Mitglieder: ,,Helfen Sie mit, dass er sich aufrichten kann."

Kunstrasenplatz als Vereinswert

Jahn-Finanzvorstand Johannes Baumeister untermauerte mit Zahlen und Grafiken die Lage. ,,Wir reden hier ja über den Verein, nicht über den Profibereich", erläuterte er bei seinem ,,kleinen Überblick" noch einmal. Hinter dem kleinen Plus von rund 127 000 Euro steckten auch Investitionen. ,,Wir haben dank der Bewässerungsanlage erstmals vernünftige Rasenplätze am Kaulbachweg und auch eine Anzahlung für den Kunstrasen geleistet. Mit diesem Platz schaffen wir erstmals auch Werte für den Verein." Von den verbliebenen 897 000 Euro Verbindlichkeiten bestehen 765 000 Euro gegenüber der Jahn-KGaA.

,,Die Entschuldung des Vereins, insbesondere der Altdarlehen von circa drei Millionen Euro, war einer der Eckpunkte des Jahres. Die beteiligten Personen Wolfgang Gural, Hans Seidl, Dr. Karl Richard Seidl, Richard Hirlinger, Heinz Groenewold und Ludwig Gscheider haben einen wichtigen Beitrag geleistet, dass der SSV Jahn wieder zukunftsfähig ist."

Selbst eine weitere Saison in der Regionalliga würde den SSV Jahn ,,nicht ins Bodenlose fallen lassen", verkündete auch Finanz-Vorstand Baumeister. Der Finanz-Vorstand sprach in Sachen Sponsoring- (2016 2,2 Millionen Euro) und Zuschauereinnahmen (für 2015/16 1,7 Millionen) von ,,für die Regionalliga überragenden Werten". Rothammer hatte berichtet, dass mit dem nahezu ausverkauften Topspiel gegen den FC Bayern II am Freitag ,,ohne die Sonderspiele gegen Augsburg und Bayern" in etwa die Zuschauerzahl der gesamten vergangenen Saison erreicht sei. ,,Mit den Sonderspielen haben wir in drei Monaten mehr Eintrittskarten verkauft als in der gesamten Zweitligasaison vor drei Jahren."

Natürlich wurde auch das bittere Abstiegserlebnis aus der dritten Liga noch einmal thematisiert. ,,Ja, es hat Fehleinschätzungen gegeben, und wir haben sie oft genug benannt", sagte Rothammer. Fakt ist aber, ,,dass mit Unterhaching und uns die beiden Mannschaften abgestiegen sind, die über den geringsten Etat verfügt haben. Und dass mit Bielefeld und Duisburg, die beiden Mannschaften aufgestiegen sind, die mit fünf Millionen Euro die höchsten Etats hatten, während es bei uns 1,6 Millionen waren. Es muss jedem einsichtig sein, dass sich fehlende wirtschaftliche Konkurrenzfähigkeit irgendwann in sportlichen Ergebnissen niederschlagen muss."

Sport-Vorstand Christian Keller sprach davon, dass der Abstieg ,,jedem brutal weh" täte. ,,Das hat bei mir eine Kerbe hinterlassen, von der ich weiß, dass sie für immer bleiben wird", sagte er, erinnerte aber im zweiten Gedanken an ein neues Jahn-Gemeinschaftsgefühl, dass sich in der Schneeschipp-Aktion vor dem Dortmund-Spiel ausgedrückt hatte. Am aktuellen Team übte er nach dem 0:0 in Schalding-Heining Kritik. ,,Dafür gibt es keine Rechtfertigung mehr. Wir müssen die Grundtugenden in jedem gottverdammten Spiel zeigen. Denn es ist kein Spiel ein Selbstläufer."

An anderer Stelle wird es spektakulär

Christian Keller berichtete auch von einem wichtigen Status, ,,der mehr ist als nur ein Zertifikat". Nach einem durchaus mühsamen, seit einem Jahr laufenden Prozedere mit dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) stehe nach der Ortsbegehung nun die Anerkennung als Nachwuchsleistungszentrum bevor. ,,Wir hoffen, dass es im November oder Januar soweit ist. Dann können uns Talente nicht mehr so leicht abgeworben werden können, das bringt ein Image, das auch nach außen strahlt, und es bringt deutlich höhere Fördergelder", sagte Keller und verwies zudem ebenfalls auf den neuen Kunstrasen-Platz, der dank eines hohen sechsstelligen Betrages eines Gönners und schneller Genehmigungen Ende Oktober, Anfang November bespielbar wird. ,,Das wird ein Mega-Meilenstein für den SSV Jahn."

An anderer Stelle der Mitgliederversammlung wurde es spektakulär: Als Rüdiger Nowak den Zettel gereicht bekam, traute er seinen Augen kaum. Nur 114 (bei 270 möglichen) Stimmen entfielen auf den bisherigen stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden beim SSV Jahn, dagegen 142 auf Christian Meier, einen den meisten unbekannten 52-Jährigen. Die Abwahl enttäuschte Nowak so, dass er den Business-Bereich der Arena verließ und verzichtete, sich eventuell für die zu dem Zeitpunkt offenen vier Aufsichtsrats-Positionen wählen zu lassen.

,,Die Mitgliederversammlung ist ein autarkes Gremium, dessen Entscheidungen ich akzeptiere", sagte Rothammer und verwies wie andere auf Nowaks Verdienste. ,,Er ist derjenige, der mit am meisten auf die Mitglieder und Fans zugegangen ist." Die Ergebnisse der anderen Wahlen sind für Rothammer durchaus ein Indiz, ,,dass es nichts mit Nowak zu tun hatte, sondern eher ein mit dem Abstieg verbundener Ausdruck des Unmuts war. Aber das ist nur Spekulation."


Der neue Aufsichtsrat beim SSV Jahn: Stefan Reiprich, Andreas Gietl, Günter Hödl, Christian Meier, Walter Schwabenbauer und Norbert Fritsch (von links). Es fehlt Regensburgs Oberbürgermeister Joachim Wolbergs. Foto: Nickl

Mit Fritz Huber (71) unterlag noch ein zweiter bisheriger Aufsichtsrat mit 77:154 klar gegen den gut bekannten Andreas Gietl (33), der sich früher um die Jahn-Homepage und den Liveticker gekümmert hatte und sich jetzt wieder engagieren wollte. ,,Es ist doch schön, dass es seit vergangenem Jahr auch Gegenkandidaten gibt und dass diese Mitarbeit offenbar begehrt ist", sagte Gietl, der auch an der Satzung mitgearbeitet hatte.

Noch begehrter war sie an anderer Stelle, als sich mit Norbert Fritsch ein anderer bisheriger Amtsinhaber mit der Minimal-Mehrheit von 134 Stimmen gegen seine Herausforderer Andreas Schiller, einen 52-jährigen Chirurgen (86 Stimmen) und Wolfgang Schraml, einen ehemaligen Personalleiter bei Oce und Siemens (39 Stimmen) mühsam durchsetzte. Klar schafften und wie Oberbürgermeister Joachim Wolbergs an erster Stelle (235 Ja-Stimmen) ohne Gegenkandidaten sowie zwei ehemalige Jahn-Spieler den Sprung ins Aufsichtsrats-Gremium: Wie bisher schon Günter Hödl (248) und neu auch Walter Schwabenbauer (231). ,,Es ist der richtige Zeitpunkt, meine wirtschaftliche Erfahrung und auch mein sportliches Wissen einzubringen", sagte der 56-jährige Schwabenbauer, der seit seinem 14. Lebensjahr beim Jahn ist und rund 750 Spiele im Jahn-Trikot absolvierte.

Während der Auszählung beschloss die Versammlung auch noch bei nur zwei Gegenstimmen, den Namenszusatz 2000 im Namen des SSV Jahn zu streichen. ,,Das stört ungemein", begründete der einzige nicht zur Wahl stehende Aufsichtsrat Stefan Reiprich, der schon im Oktober 2014 für drei Jahre gewählt worden war. ,,Der SSV Jahn ist schließlich ein Kulturgut, das gepflegt werden will."

Aufrufe: 07.10.2015, 06:30 Uhr
Claus-Dieter WotrubaAutor