2024-05-10T08:19:16.237Z

Interview
"Offensiv ausgerichtete Außenverteidigerin": Isabella Hartig zählt auch bei der U20-WM in Papua-Neuguinea zu den deutschen Hoffnungsträgerinnen. Experten prophezeien ihr eine großartige Karriere. Foto: imago
"Offensiv ausgerichtete Außenverteidigerin": Isabella Hartig zählt auch bei der U20-WM in Papua-Neuguinea zu den deutschen Hoffnungsträgerinnen. Experten prophezeien ihr eine großartige Karriere. Foto: imago

Isabella Hartig: Nürnbergs unbekannte Europameisterin

Die 19-Jährige ist hier geboren, beim FC Bayern und in Hoffenheim reifte sie zu einer der besten deutschen Nachwuchsspielerinnen

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Das nächste große Abenteuer begann offiziell am Dienstag. Über Singapur flogen Deutschlands beste U20-Fußballerinnen nach Papua-Neuguinea, wo ab Sonntag die WM ausgetragen wird. Die DFB-Auswahl trifft am Montag (16 Uhr Ortszeit) auf Venezuela, am Donnerstag auf Mexiko und vier Tage später auf Südkorea. Die jeweils zwei besten Mannschaften der vier Vierergruppen ziehen ins Viertelfinale ein, Titelverteidiger Deutschland ist einer der Favoriten: Zu den Hoffnungsträgerinnen zählt auch eine gebürtige Nürnbergerin: Isabella Hartig. Kaum jemand kennt die 19-Jährige in ihrer Geburtsstadt.

DFB-Pressesprecherin Paula Widmer ruft wie vereinbart an in der Sportredaktion, tatsächlich aus Papua-Neuguinea, man hört sie auch, nur sie hört: so gut wie nichts. Nächster Versuch: Es rauscht und knackt und knattert und rauscht, bib bib bib. Dritter Versuch: „Jetzt! Ich gebe Sie gleich weiter an Isabella Hartig, Moment“.

Hallo Frau Hartig, schön, dass es mit dem Telefoninterview geklappt hat. Sie schreiben damit mit sehr großer Wahrscheinlichkeit ein Stück Nürnberger Zeitungsgeschichte.

Hartig: Warum denn das?

Einen Gesprächspartner aus Papua-Neuguinea hatten wir bei dieser Zeitung bestimmt noch nicht. Wie ist es denn da so? Beschreiben Sie doch mal Ihre Eindrücke.

Hartig: Das ist natürlich auch für uns alles ganz anders, ungewohnt, ganz neu. Wir hatten im Vorfeld viel gehört und gelesen über das Land, zum Beispiel auch über die Kriminalität, aber jetzt sind wir wirklich positiv überrascht.

Inwiefern?

Hartig: Wenn wir zum Beispiel mit dem Bus unterwegs sind, winken uns ganz viele Menschen zu. Man merkt, dass sich hier alle total freuen auf die U20-WM. Teile der Bevölkerung sind sehr, sehr arm, die Menschen haben nicht viel, das sieht man auch an ihren Häusern. Es ist schon ein tolles Gefühl, wenn man ihnen mit einem Fußballturnier so viel Freude machen kann.

Bei Ihrer Ankunft am Dienstag muss ja am Flughafen auch einiges losgewesen sein.

Hartig: Wir sind frühmorgens gegen 4.30 Uhr Ortszeit gelandet. Trotzdem standen da schon ganz viele Leute, auch viele Kinder, und haben getrommelt und uns zugewunken. Schon toll. So etwas erlebt man in Europa nicht.

Die Europäer könnten sich Ihrer Meinung nach etwas abschauen von der puren Lebensfreude und Menschlichkeit in Papua-Neuguinea?

Hartig: Auf jeden Fall. Sie tragen uns sogar das Wasser vom Bus zum Trainingsplatz, sie tun wirklich alles, nur um uns den Aufenthalt in ihrem Land so angenehm wie möglich zu gestalten.

Untere Reihe, die Dritte von links: Isabella Hartig und die deutsche Delegation beim Gruppenbild mit offenbar fußballverrückten Eingeborenen.Foto: Paula Widmer
Untere Reihe, die Dritte von links: Isabella Hartig und die deutsche Delegation beim Gruppenbild mit offenbar fußballverrückten Eingeborenen.Foto: Paula Widmer


Isabella Hartig bezeichnet sich selbst als offensiv ausgerichtete Außenverteidigerin und schießt in ihrer Rolle auch regelmäßig wichtige Tore. Angefangen mit dem Spielen hat sie als Vierjährige beim SC Vierkirchen, über die JFG Dachau-Land landete sie 2010 beim FC Bayern. In der zweiten Mannschaft der Münchner sammelte sie erste Erfahrungen im Erwachsenenfußball, ehe sie sich 2015 für zwei Jahre nach Hoffenheim verleihen ließ. Die neue Erfahrung scheint ihr sehr gut zu tun.


Frau Hartig, Sie sind die erfolgreichste Fußballerin Nürnbergs – und kaum jemand weiß das. U17-Europameisterin 2013, Deutsche B-Jugend-Meisterin mit dem FC Bayern 2013 und 2014. Wie erklären Sie sich die relative Unbekanntheit in Ihrer Geburtsstadt?

Hartig: Das hat damit zu tun, dass ich mit meinen Eltern schon als kleines Kind in die USA gezogen bin. Mein Vater hatte dort beruflich zu tun. Als wir wieder nach Deutschland kamen, sind wir irgendwann in Vierkirchen im Landkreis Dachau gelandet. Aber natürlich bin ich auch regelmäßig in der Heimat, meine Oma wohnt in Oberasbach, da sind wir noch oft. Zu Ostern oder zu Weihnachten, also bald wieder. Nürnberg und die Region sind immer noch ein Teil meines Lebens.

Was treiben Sie dann in Nürnberg, wenn Sie mal zu Besuch sind?

Hartig: Ach, wir gehen zum Einkaufen in die Stadt oder Essen. Fast schon ein Ritual ist unser obligatorisches Weihnachtsshopping bis um Mitternacht. Da gehen wir natürlich auch auf den Christkindlesmarkt. Drei im Weggla und so.

Sie sind erst 19, aber schon viel herumgekommen. Wo haben Sie denn aktuell Ihren Lebensmittelpunkt?

Hartig: Ich wohne zurzeit in Sandhausen bei Heidelberg in einer WG. Weil ich regelmäßig spielen wollte, habe ich mich für eine Saison an die TSG Hoffenheim ausleihen lassen. Im Nachhinein kann ich sagen: Es war die richtige Entscheidung.

Aber geht man denn wirklich gerne freiwillig vom FC Bayern weg?

Hartig: Wie gesagt: Die Initiative ging von mir aus. Ich hatte das Gefühl, dass ein Wechsel auf Zeit für meine Entwicklung besser sein würde. Ich fühle mich total wohl in Hoffenheim. So ein Förderzentrum wie hier gibt es in München nicht. Aber wie gesagt: Mein Vertrag hier läuft nur bis zum Juni, danach wird es wieder Gespräche mit dem FC Bayern geben. Früher oder später kehre ich bestimmt zurück.

Wie gehen die Bayern-Stars wie Melanie Behringer oder Simone Laudehr mit einem aufstrebenden Talent wie Ihnen um?

Hartig: Die sind alle unheimlich nett und bemüht und kümmern sich auch um einen. Als ich nach Hoffenheim ging, haben sie viel Glück gewünscht. Sie sagten, ich solle einfach so weitermachen. Zu Bayern-Trainer Thomas Wörle habe ich auch jetzt regelmäßig Kontakt.

Sie sind mit der U17-Bundesligamannschaft des FC Bayern auch häufig auf den 1. FC Nürnberg getroffen. Wie ist das denn so, als gebürtige Nürnbergerin?

Hartig: Die Derbys waren immer heiß, sehr emotional, auch für mich. Ich kenne viele vom Club, Lilli-Malu Tiefel oder die Haberäcker-Zwillinge Leonie und Maren zum Beispiel aus der Bayern-Auswahl, auch den damaligen Club-Trainer Norbert Frey. Aber wenn ich das Bayern-Trikot anhabe, kann ich das alles ausblenden.

Ab heute wissen frauenfußballinteressierte Nürnberger zumindest, dass Sie eine Nürnbergerin sind.

Hartig: Das freut mich wirklich sehr.

Jetzt, da Sie auch in der Metropolregion einem breiteren Publikum bekannt sein dürften: Wäre der Titel „Nürnbergs Sportlerin des Jahres“ nicht auch mal einer für Sie?

Hartig: Ich werde mich anstrengen, dass es eines Tages klappt. Nürnberg bedeutet mir immer noch viel.

Aufrufe: 014.11.2016, 08:02 Uhr
Wolfgang Laaß (NN)Autor