2024-04-25T10:27:22.981Z

Interview

Interview mit Jean-Marie Schwarz vom FC Kopstal 33

Der Vereinssekretär des Drittdivisionärs sprach mit uns über die sportliche Situation, die Hürden die ein kleiner Verein zu nehmen hat sowie über das Dauerbrenner-Thema Ehrenamt.

Der FC Kopstal 33 steht nach der Hinrunde mit null Punkten da. Ist das etwas, womit man hier im Verein rechnen oder leben muss?

Nein, das ist bestimmt nicht gewollt. Das Problem bei uns ist einfach, dass man wie jedes Jahr relativ viele neue und junge Spieler dazu bekommen während ältere die schon über 33 sind aufhören oder nur noch bei den Veteranen oder bei der zweiten Mannschaft auflaufen. Es wird dann schwierig, junge und gute Spieler zu finden, da wir einer der Vereine sind, die Spielern nichts bezahlen und schon gar nicht um Erfolg zu haben.

Dann spielen wir lieber in der dritten Division, als dass wir Gehälter überweisen und uns sagen, wir haben nur Spieler verpflichtet die besseren Fußball spielen können. Jemand der zu uns kommt, der hat Lust und Freude am Fußball und er kann sein eigenes Niveau einschätzen – wenn ein solcher nämlich sehr gut wäre, würde er nicht zu uns kommen. Und mehr als eventuell einen kleinen Unkostenbeitrag zu leisten können wir nicht bieten.

Sportlich gesehen ist es natürlich nicht schön. Seit drei Jahren sind wir immer Letzter geworden, genau wie jetzt in der laufenden Saison wo wir noch mit null Punkten da stehen. Das will aber nicht heißen, dass wir nur schlechte Spieler haben. Wir haben auch Jungs die etwas können, aber im Moment klappt das Zusammenspiel dann noch nicht so richtig.


Nach der bösen Niederlage im Pokal in Hobscheid wurde Kopstal von Seiten des Gegners gelobt, dass man nie aufgegeben hätte. Spiegelt das in etwa die Mentalität, den Geist des Vereins wieder?

Der Geist unseres Vereins ist ganz einfach in zwei Worten erklärt: auch ohne Erfolg ist die Kollegialität sehr groß. Wir haben zwei Mannschaften – also insgesamt rund 30 Spieler, die mehr oder weniger immer dabei sind – die zusammenhalten, wenn sie auf dem Platz stehen sowie auch vor und nach den Spielen. Es ist nicht so, dass die Jungs im Falle einer Niederlage im Frust auseinander gehen, das gibt es hier nicht. Das Vereinsleben existiert noch. Da ist auch einer für den andern privat da, in der Hinsicht gibt es gar keine Probleme.

Trotzdem wird es problematisch bei solchen Niederlagen wie bei diesem 0-19 gegen Hobscheid-Eischen. Das ist für einen Verein natürlich nicht schön. Ich war selber bei dem Spiel und muss aber auch sagen, dass ich es von Seiten Hobscheids traurig fand, dass die einen so kleinen Club wie uns auseinander genommen haben, das hätte nicht sein müssen! Sie lagen zur Pause bereits 9-0 vorne. Ich als Trainer hätte gesagt „kommt Jungs, wir treten jetzt einen Schritt zurück und lassen das Spiel laufen“. Doch sie haben weiter Vollgas gegeben. Aber daran können wir nichts ändern, das ist ja auch ihr gutes Recht.


Wie viele Leute helfen hier in Kopstal ehrenamtlich, die nicht gleichzeitig noch Fußball spielen?

Aktuell setzt sich unser Vorstand aus zehn Personen zusammen, von denen keiner mehr selber noch Spieler ist. So gut wie ihre Zeit es erlaubt sind diese vor Ort. Ich hebe da insbesondere unseren Präsidenten René Buchette hervor, der als Rentner immer hier ist, sogar zu jedem Training und nach jeder Einheit öffnet er unser Clublokal für die Jungs. Und dann gibt es natürlich auch alle anderen Vorstandsmitglieder, die so wie es zeitlich halt möglich ist, helfen wo sie können, bei den Spielen der ersten und zweiten Mannschaft sowie auch bei den Festen, die wir organisieren. Diese sind auch nötig, denn ohne würden wir nicht über die Runden kommen.


Gibt es im Verein weiter Bedarf an Leuten die helfen?

Solche braucht jeder Verein immer, egal ob in der 3.Division oder in der Nationaldivision! Wir suchen jedes Jahr solche ehrenamtlichen Helfer. Zur Generalversammlung verteilen wir Flyer in der ganzen Gemeinde, wo klar und deutlich drauf steht, dass Freiwillige, die den Verein materiell, finanziell oder tatkräftig helfen wollen, immer gesucht werden. Leider Gottes ist das aber nicht so einfach, die meisten Menschen interessiert das nicht.

Was ich bei uns traurig finde ist, dass die älteren Spieler, die vor 20, 30 oder 40 Jahren hier gespielt haben und jetzt vielleicht schon in Rente sind und hier in der Gemeinde wohnen und Zeit hätten, dass die es nicht einmal mehr fertig bringen, sich überhaupt unsere Spiele anzuschauen. Es ist Schade, dass solche Leute sich einfach vom Verein abwenden und kein Interesse mehr zeigen um zu helfen.


Wie kann man denn dieses Problem im Ehrenamt erklären? Das ist ja ein Phänomen, das nicht nur hier sondern allgemein viel schlimmer wird in letzter Zeit.

Diese Sache mit den Ehrenamt ist sehr einfach erklärt: wenn ein neuer Spieler zu einem Verein kommt ist seine erste Frage „was bekomme ich?“ Und im Ehrenamt ist es auch so. Jeder möchte auf die eine oder andere Art und Weise Profit aus allem herausziehen. Heute ist es für einen Verein einfacher, wenn dort Leute engagiert sind, die finanziell keine Sorgen haben und dass sie vom Verein etwas bekommen können als wenn dort Menschen jede Woche ihre Zeit opfern um am Ende keine Resultate geliefert zu bekommen.

Bei so kleinen Clubs wie Kopstal ist das ein Problem. Zweitens kommt bei uns hinzu, dass die meisten Spieler gar nicht mehr hier aus der Gemeinde kommen. Deswegen haben die Spieler von früher eventuell auch kein Interesse mehr, sich diese Spieler anschauen zu kommen. Die sagen sich dann einfach „ich komme da nicht mehr hin, ich kenne ja niemanden“. Früher war man noch eher ein Dorfverein. Heute hat man auch als kleiner Verein Spieler aus dem ganzen Land, die natürlich kein alter Kopstaler mehr kennt. Das erklärt auch, warum es so schwierig ist, noch Freiwillige zu finden.

Auf der anderen Seite muss ich aber auch erwähnen, dass, wenn wir z.B. ein Fest veranstalten, die Einwohner aus dem Ort dann zu uns kommen. Das heißt wir sind nicht irgendwie abgestoßen, das zeigt sich halt nur auf dem Fußballplatz.


Jetzt eine schwierige Frage: was könnte man machen, um solche Situationen zu verbessern, auch im Allgemeinen, nicht alleine auf Kopstal bezogen?

Ich denke, es liegt daran, dass es heutzutage einfach nicht mehr ohne Geld geht. Will man sich sportlich verbessern, muss man Geld haben. Hat man kein Geld, geht es sportlich nicht nach vorne. Die Menschen wollen Erfolg sehen und wollen Geld sehen. Möchtest du einen guten Spieler, der dir Erfolg bringt, muss du ihm etwas zahlen. Zahlst du ihm nichts, kommt er auch nicht zu dir. Wenn du jetzt elf Spieler auf dem Platz hast, die zwar Fußball spielen können, aber nicht die Leistung bringen können wie ein richtig Guter oder sehr Guter, dann kannst du diesen Erfolg nie haben.

Wir hören sogar in der 3.Division – es geistern Zahlen durch den Raum – von Spielern, die jeden Monat mit einem Umschlag belohnt werden um Leistung zu bringen, darüber kann ich nur den Kopf schütteln. In einem kleinen Land wie Luxemburg können wir bei einem Drittdivisionär nicht hingehen und hunderte oder tausende Euro pro Monat bezahlen, das kann nicht sein! Wir sind und wir bleiben hier in Luxemburg Amateure! Es kann nicht sein, dass Spieler hier ihr Leben durch den Fußball finanziell gestalten, das geht so nicht!

Wenn ein Spieler das kann, muss er auch so gut sein, dass er im Ausland bei einem Profiverein spielen kann! Oder vielleicht noch BGL Ligue, die ja an und für sich schon semiprofessionell funktioniert. Die meisten Spieler arbeiten ja dort nicht mehr so viel, was aber eine andere Sache ist. Es kann aber nicht sein, dass hier ein Club aus der 2. oder 3.Division Spieler hat, die nur Fußball spielen, da sie das Geld zum Leben brauchen, da läuft etwas falsch!


Um kurz auf das Ehrenamt zurückzukommen: wie sieht es mit der Unterstützung von Seiten der Gemeinde aus?

Die Gemeinde Kopstal macht, was sie kann. Wir sind hier in Kopstal in einem engen Tal, der Ort hat keine Möglichkeit mehr um sich auszuweiten. Wir haben nur die Möglichkeit, auf einem Platz zu spielen und zu trainieren und dies schon zu Zeiten, also wir noch Jugendmannschaften hatten - für mehr ist kein Raum vorhanden. Wir haben aber schon mit der Gemeinde über eine Verbesserung des Platzes gesprochen. Das wurde beantragt und ist jetzt am Laufen. Was sonst überall geht, nämlich einen zweiten Sportplatz zu bauen, der dann auch wahrscheinlich einen Kunstrasen hätte, das ist hier nicht möglich, da wie gesagt der Platz einfach nicht reicht.

Als Ausweichmöglichkeit müsste man nach Bridel umziehen, dort Gelände kaufen, was die Gemeinde eine horrende Summe kosten würde und es ist ja der FC Kopstal und nicht der FC Bridel. Im Moment sind wir mit dem, was wir haben zufrieden, aber wir bleiben dran und fragen immer wieder nach, denn wenn man nicht fragt, bekommt man auch nichts. Die Gemeinde macht ja auch schon etwas, 2003 wurde z.B. unser Vereinslokal vergrößert und renoviert. Außerdem kümmern sie sich um den Unterhalt des Spielfeldes. Aber wie gesagt, für einen kleinen Verein aus der 3.Division ist es schwer um die nötige finanzielle und materielle Unterstützung von der Gemeinde zu erhalten.

Dazu kommt dann der Fakt, dass kaum noch Kopstaler Jungs hier spielen. Wenn die Kommune nun z.B. einmal einen Erfolg sehen würde, wäre man eventuell gewillt etwas mehr zu investieren. Kopstal ist ja eine sogenannte Schlafgemeinde, es gibt hier nur wenige Kinder. Kopstal-Bridel hat rund 3.500 Einwohner, in der Hauptschule in Bridel gibt es von jedem Schuljahr aber nur eine Klasse. Damit will ich sagen, dass hier sehr viele Menschen ohne Kinder leben, z.B. viele Paare bei denen beide gute Arbeitsplätze haben und die keine Kinder haben wollen. Dadurch ist es schwer, eine Nachwuchsabteilung auf die Beine stellen zu können.

Und wenn man Jugend hat, ist es schwer, die zu halten. Wenn man dann nämlich zu den Nachbarvereinen schaut wie z.B. Steinsel, Kehlen, Bartringen oder Mamer und man schaut sich deren Infrastrukturen an und vergleicht die mit unseren, dann sagen sich die Eltern, dass sie ihre Kinder lieber nach Kehlen schicken, da sie dort über drei Sportplätze verfügen, als auf unserem „Misthaufen“ zu spielen. Und die meisten Eltern nutzen die Vereine heute auch als billige Crèche aus. Ich habe ja damals zusammen mit dem Präsidenten die Jugend hier betreut und wir haben diese Erfahrung machen müssen. Manche Eltern brachten ihren Sohn um 14 Uhr her und holten ihn um 18 Uhr wieder ab und während diesen vier Stunden haben sie ihre Ruhe und was du als Vereinsverantwortlicher während diesen vier Stunden mit ihren Kindern machst ist denen egal. Manchmal wartet man nach dem Training noch, ob sie ihren Sohn überhaupt noch abholen.

Da fehlt in meinen Augen klar der Respekt der Eltern gegenüber den Leuten die in Vereinen ehrenamtlich helfen und auch dass diese Freiwilligen noch ein Leben neben dem Verein haben. Die Eltern möchten ja, dass ihre Kinder gut aufgehoben sind. Wenn ich dann so höre, was hier in der Umgebung alleine an Mitgliedsbeiträgen gefragt wird um vier Stunden in der Woche zu trainieren, dann ist das ein Wahnsinn. Als Gegenleistung kriegt man dann vielleicht noch einen Trainingsanzug, aber das ist schon eine gut bezahlte Crèche.


Du sprichst die Nachbarvereine an: gibt es vielleicht zu viele Clubs auf dem engen Raum hier in der Gegend?

Nein, es gibt bestimmt nicht zu viele Vereine, ich finde es sogar gut, dass es so viele sind. Wenn wir uns die Clubs rundherum anschauen finden wir dort Mamer, die relativ hoch spielen, Strassen, Bartringen, Kehlen, Mersch, Walferdingen, Steinsel, die alle höher spielen als Kopstal. Vor fünf Jahren waren wir zum letzten mal in der zweiten Division aber sofort wieder abgestiegen. Spieler, egal ob Jugendliche oder Erwachsene, gehen ja lieber in einen Verein, der weiter oben spielt, auch wenn man dort vielleicht nicht immer sofort in der 1.Mannschaft kommt.

Auch mit der Jugend, mit den Kindern, geht man lieber dorthin, wo die Infrastrukturen besser sind als hier bei uns. Ich weiß nicht ob es reicht, einen schönen Ausschank zu haben und ob das die Eltern überhaupt interessiert. Die Eltern haben vielleicht lieber, dass ihre Kinder auf Kunstrasen spielen, wo sie nicht so schmutzig werden und das können wir im Moment – noch – nicht bieten, aber das kommt vielleicht in nächster Zukunft. Im Moment müssen wir uns leider noch mit unserem alten, unebenen Rasenplatz begnügen.

Aufrufe: 018.12.2016, 15:02 Uhr
Paul KrierAutor