2024-04-25T14:35:39.956Z

Allgemeines
Zum letzten Male im Kreise seiner „Freunde“: Am 8. September 2009 war Albert Kühn (2. von links) in seinem Heimatdorf Eschenbach Ehrengast beim Kreispokalspiel „seiner“ Sportfreunde Siegen gegen Grün-Weiß Eschenbach. SFS-Präsident Manfred Utsch (rechts) überreichte damals im Beisein von Günter Thielmann (links) und dem GW-Vorsitzenden Ulrich Künkler einen Sportfreunde-Wimpel. Foto: hb
Zum letzten Male im Kreise seiner „Freunde“: Am 8. September 2009 war Albert Kühn (2. von links) in seinem Heimatdorf Eschenbach Ehrengast beim Kreispokalspiel „seiner“ Sportfreunde Siegen gegen Grün-Weiß Eschenbach. SFS-Präsident Manfred Utsch (rechts) überreichte damals im Beisein von Günter Thielmann (links) und dem GW-Vorsitzenden Ulrich Künkler einen Sportfreunde-Wimpel. Foto: hb

Immer Mensch geblieben

Albert Kühn verstarb im Alter von 78 Jahren - Zwei Amateur-Länderspiele

Die Nachricht vom Ableben Alberts Kühns kam für viele, die seinen Leidensweg in der letzten Lebensphase kannten, sicher nicht völlig überraschend. Gleichwohl sorgt der Tod der am Montag der vergangenen Woche im Alter von 78 Jahren verstorbenen Fußball-Legende mit Wurzeln in Eschenbach und der Blütezeit im Siegener Leimbachstadion insbesondere in der heimischen Sportszene für tiefe Betroffenheit.

Viele Jahre hat Albert Kühn in Eschenbach in unmittelbarer Nachbarschaft des Umkleidegebäudes seines Heimatvereins Grün-Weiß Eschenbach gewohnt. Hier ist er in all den Jahren immer wieder mit dem langjährigen Vorstandsmitglied und Vereinsvorsitzenden Ulrich Künkler zusammengetroffen. Und so war es denn auch Ulrich Künkler, der im Angesicht der Todesnachricht Albert Kühn so knapp und treffend charakterisierte: „Albert Kühn hat in seiner äußerst bescheidenen Art auf dem Platz und im Leben immer alles gegeben. Trotz aller Erfolge ist er immer Mensch geblieben. Gegen die schwere Krankheit konnte aber auch Abis Kämpfernatur schließlich nichts mehr ausrichten.“

Das Fußball-ABC hat Albert Kühn in seinem Heimatdorf Eschenbach gleichsam von der Pike auf erlernt. Bereits mit 14 Jahren spielte er als kleinster Spieler in der zweiten Mannschaft der „Grün-Weißen“. Als „Schlitzohr“, wie später so oft „auf‘m Platz“ bei seinen Torschüssen, hatte sich Albert Kühn seinerzeit auch im Umgang mit Stift und Papier erwiesen.

Als er seinem ersten Einsatz in der 1. Mannschaft der „Grün-Weißen“ entgegenfieberte und kaum den „großen Tag“ erwarten konnte, da griff Klein-Albert gleichsam persönlich in das Rad der (Sport-)Geschichte. Er erklärte sich kurzerhand selbst zum Senior! Und das sowohl früh- wie auch vorzeitig! So verlegte er kurzerhand sein Geburtsdatum 1. Oktober 1938 auf den 1. April 1937. Dass dieser „Aprilscherz“ niemandem auffiel, wird allein schon daraus ersichtlich, dass der graduierte Bauingenieur Albert Kühn unter diesem falschen Datum auch noch in der Spielzeit 1963/64 offiziell und hochamtlich im Regionalliga-Team der Sportfreunde Siegen aufgeführt wurde.

Bei einem Meisterschaftsspiel der Reservemannschaft der Sportfreunde Siegen gegen den Kreisklassenverein Grün-Weiß Eschenbach fiel der „Kurze“ im grün-weißen Dress dem damaligen Siegener Trainer Jean Paffrath auf. Damit war natürlich der Wechsel Albert Kühns im Jahre 1957 zu den Sportfreunden Siegen vorgezeichnet. Mit den Siegenern stieg er in die damalige 2. Liga West auf und belegte in der Spielzeit 1961/1962 den achten Tabellenplatz. Albert Kühn erzielte dabei in 29 Spielen sechs Tore.

Mit dem ehemaligen A-Nationalspieler Herbert Schäfer als Trainer und Mittelstürmer Albert Kühn gingen die Sportfreunde mit einem 1:1-Unentschieden gegen die SpVgg Herten am 4. August 1963 in das Debütjahr der frisch aus der Taufe gehobenen Regionalliga. Aber schon am letzten Spieltag der Saison, dem 10. Mai 1964, verabschiedeten sich die Sportfreunde Siegen und ihr Torjäger Albert Kühn mit einem 1:1 im Leimbachstadion gegen Borussia Mönchengladbach aus der Regionalliga West.

Die beeindruckende fußballsportliche Karriere von Albert Kühn hat auch der verstorbene SZ-Sportressort-Chef Karl Heinz Hof in seinen „Siegerländer Sportgeschichten“ gebührend gewürdigt. Hier erfahren wir, dass der spätere Bundestrainer Helmut Schön den schussgewaltigen „Eschemischer Jong“ bereits im Jahre 1962 für die beiden Amateur-Länderspiele gegen Italien und Frankreich als Mittelstürmer nominierte. Beim 3:3 gegen die Franzosen war Albert Kühn sogar unter den Torschützen.

Über die Länderpokalwettbewerbe, bei denen Albert Kühn ein unverzichtbarer Leistungsträger der Westfalenauswahl war, kämpfte und rackerte sich der Sportfreunde-Stürmer in das Blickfeld der bundesdeutschen Amateur-Nationalmannschaft. Mit Westfalen gewann Albert Kühn 1962 durch einen 1:0-Endspielsieg über den Mittelrhein im heimischen Leimbachstadion die DFB-Pokaltrophäe.
Die „Sportfreunde“ ehrten 1969 ihren langjährigen Mannschaftskapitän für sein 500. Spiel im Siegener Trikot. Insgesamt bestritt Albert Kühn im Dress der Sportfreunde Siegen in der Zeit von 1957 bis 1970 ca. 650 Spiele. Für seine Leistungen verlieh ihm der DFB die goldene Ehrenplakette, damals die höchste Auszeichnung für Fußballspieler nach dem Silbernen Lorbeerblatt.

Dass Albert Kühn auch auf Verbands- und Vereinsebene alle ihm gebührenden Ehrungen und Ehrenzeichen empfangen hat, versteht sich von selbst. Sein letztes Spiel hat „Abi“, wie ihn seine Freunde bis zum letzten Tag genannt haben, übrigens im Alter von 49 Jahren gemacht. Als Trainer fungierte er u. a. bei Schwarz-Weiß Gernsdorf und seinem Heimatverein Grün-Weiß Eschenbach.
Was sicher die wenigsten wissen, hat uns jetzt Grün-Weiß Eschenbachs Ex-Vorsitzender Ulrich Künkler verraten. Als damals nach einer schon überwunden scheinenden Lebenskrise Albert Kühns Hund auf der Eschenbacher Dorfstraße von einem Auto erfasst und tödlich verletzt wurde, da suchte sein schwer getroffenes „Herrchen“ neuen Halt an alter Wirkungsstätte: Beim damaligen Grün-Weiß-Spielertrainer Ulrich Künkler fragte Albert Kühn an, ob er nicht wieder in einem der beiden Seniorenteams Fußball spielen könne.

Coach und Vorstand freuten sich gleichermaßen über den berühmten, wenn auch in die Jahre gekommenen „Neuzugang“ . Und so sorgte Albert Kühn als Fünfzigjähriger tatsächlich noch einmal einige Zeit lang für Wirbel in den gegnerischen Strafräumen -überwiegend im Wittgensteiner Bergland. Als Albert Kühn dann bei einem Meisterschaftsspiel in Banfe sich auch noch unter die Torschützen einreihte, kamen sogar die heimischen Sportredaktionen mit ihrer Berichterstattung ins Schleudern. Bei der Übermittlung des Namens Albert Kühn als Torschütze per Telefon, der damals einzigen „Hotline“ des Siegerländer Haubergsfußballs, vom ebenso rauchgeschwängerten wie bierseligen Banfer Vereinslokal in die Redaktionsstube nach Siegen, fragte der zuständige SZ-„Abhördienst“ staunend nach: „Hat der etwas zu tun mit dem Albert Kühn von Siegen? Ist das etwa sein Vater?“ Nein, war er nicht, wie wir heute wissen.

Und so wird Albert Kühn sicher auch nach seinem Tode in der Erinnerung der Siegerländer Fußballfreunde noch lange weiterleben als äußerst erfolgreicher, untadelliger und liebenswerter Sportsmann, der immer Mensch geblieben ist. Zum Schluss wurde ihm das freilich nicht leicht gemacht.

Aufrufe: 021.2.2017, 08:20 Uhr
hbAutor