Herr Zillken, Platz sechs nach der Hinrunde – hätten Sie damit gerechnet? Und erzählen Sie jetzt bitte nichts von Momentaufnahme.
Daniel Zillken: 14 Punkte Vorsprung auf die Abstiegsplätze, damit hätte keiner gerechnet. Das macht das Arbeiten leichter. Das Ziel bleibt aber der Klassenerhalt, da sind wir uns alle einig. Alles andere wäre Quatsch.
Als Sie die Mannschaft zusammengestellt haben, war Ihnen da schnell klar, dass der Klassenerhalt mit diesem Kader klappen kann? Vielleicht hatten Sie Hennef vor Augen oder Wegberg-Beeck, die sang- und klanglos sofort wieder runter sind.
Zillken: Wir haben durch unsere Neuzugänge Qualität gewonnen. Andererseits stehen immer noch zehn Spieler im Kader, die schon vor zwei Jahren dabei waren. Das zeigt, Spieler können sich bei uns entwickeln.
War es schwierig, Klasseleute wie Connor Krempicki oder Dario Schumacher nach Bonn zu lotsen?
Thomas Schmitz: Das war es. Wir haben ja keinen großen finanziellen Spielraum. In dieser Saison haben wir erstmals wieder einige Spieler auf Steuerkarte angestellt. Vorher liefen alle auf Minijob-Basis und kriegten einen Fahrkostenzuschuss. Da gab’s schon das eine oder andere blaue Auge für uns. Aber wir waren beharrlich.
Und das hat einen wie Krempicki beeindruckt?
Schmitz: Na ja. Als ich ihn im April zum ersten Mal angerufen habe, hat er schnell aufgelegt. Beim zweiten Gespräch konnten wir dann ein Treffen vereinbaren. War auch erfolglos. Ebenso, als ich Ende Juni noch mal angerufen habe. Erst kurz vor der Saison wurde die Sache richtig konkret. Er hat sich dann gegen die Sportfreunde Siegen und für uns entschieden.
Was hat ihn denn nun überzeugt?
Schmitz: Wir haben ihm gesagt, hier kriegst du Vertrauen und kannst dir auch mal ein schlechtes Spiel leisten. Wir bauen auf dich. Diese Sicherheit ist für einen jungen Spieler unheimlich wichtig.
Zillken: Man muss ja auch Connors Geschichte sehen. Er galt in Schalke zusammen mit Max Meyer als größtes Talent, konnte sich aber nicht durchsetzen. Dann hat er’s in Hoffenheim versucht, klappte auch nicht. Dann Viktoria Köln. Im Moment ist es für ihn wichtig, dass er einfach spielen kann, Spaß am Fußball hat. So ein Spieler ist für uns ein Glücksfall.
Wie viele Vereine haben denn schon wegen Krempicki, Schumacher oder Lucas Musculus angefragt?
Schmitz: Da müssen sie die Berater fragen. Wir wissen aber, dass schon ein paar Mal ein Scout von Kaiserslautern hier war.
Zillken: Wenn ein Spieler von uns in die 3. oder sogar 2. Liga wechseln kann, dann sind wir die Letzten, die ihm Steine in den Weg legen. Dann freuen wir uns. Aber wohin sollte dieser Spieler denn in der Regionalliga West wechseln? Klar, nach Essen, weil er da gut verdient, Vollprofi ist und immer vor knapp 10 000 Zuschauern spielen kann. Aber sonst? Aachen ist finanziell auch nicht mehr diese Top-Adresse. Bei Viktoria Köln waren schon alle. Und nach Rödinghausen oder so wollen die nicht. Lucas Musculus zum Beispiel, der arbeitet im elterlichen Betrieb mit. Wenn man so will, ist der Jung-Unternehmer. Der wird sich dreimal überlegen, ob er für 200 Euro mehr nach Verl geht. Ich glaube, der BSC ist eine gute Adresse.
Herr Schmitz, wie war das für Sie vor der Saison als Sportlicher Leiter, kannten Sie die Liga? Die Frage ist ja, wie komme ich an neue Spieler?
Schmitz: Die Liga war Neuland, aber man hat sein Netzwerk. Und das funktioniert in der Oberliga nicht großartig anders als in der Regionalliga. Zillken: Wir machen das ja nicht erst seit gestern. Ich habe auch einige Zeit bei Bayer Leverkusen gearbeitet, dann kennst du Gott und die Welt.
Mit welchen Beratern reden Sie denn so?
Schmitz: Mit Stephan Engels, der ist der Onkel von Lucas Musculus, mit Hannes Bongartz, mit Bernd Krauss.
Werden Sie in der Winterpause auf Verstärkungen drängen, Herr Zillken?
Zillken: Wenn du Qualität kriegen kannst und dieser Spieler passt zu uns, musst du ihn nehmen.
Schmitz: Wenn uns wie letztes Jahr ein Adis Omerbasic unter den Weihnachtsbaum gelegt wird, der in Beuel wohnt und einfach wieder auf den Zug springen will, müssen wir tätig werden.
Sind Sie optimistisch, Ihre Leistungsträger halten zu können?
Schmitz: Wir arbeiten daran. Wir wollen eine gesunde Fluktuation, aber 80, 85 Prozent der Spieler halten.
Zillken: Man muss ja auch mal Klartext reden: Wenn einer in Verl 1200, 1300 Euro verdient, nicht arbeiten geht und sagt, er sei Vollprofi, dann ist das lachhaft. Das sind doch arme Hunde. Die Jungs müssen auch an die Zeit danach, an die Jobs denken. Wir legen Wert darauf, dass unsere Spieler arbeiten.
Dirk Mazurkiewicz: Und versuchen, ihnen dabei zu helfen.
Bleiben Sie eigentlich in Bonn, Herr Zillken?
Zillken: Es spricht nichts dagegen. Unser Weg ist noch nicht zu Ende.
Sie könnten jetzt ein Signal setzen.
Schmitz: Wir werden uns in den nächsten Wochen zusammenhocken.
Oder träumen Sie davon, noch Profitrainer zu werden?
Zillken: Iiiiich? Ich werde nächstes Jahr 50. Wenn ich meiner Frau sage, wir ziehen jetzt nach Reutlingen oder so, dann fragt die: Hast du nen Knall?
Dann müssen Sie eben mit dem BSC in die 3. Liga. Dann wären sie Profitrainer.
Zillken: 3. Liga? Langsam. Eine Stufe nach der anderen.
Der BSC schlägt Wuppertal 3:0 und verliert eine Woche später 0:5 bei Viktoria Köln. Der BSC gewinnt oder er verliert. Unentschieden gab es nur zwei. Wie sind diese Schwankungen zu erklären?
Zillken: 17 Spiele – und nur eins war grottenschlecht, die Heimniederlage gegen Sprockhövel. Ansonsten war die Mannschaft immer im Spiel, auch beim 1:5 in Oberhausen, wo durchaus ein Punkt dringewesen wäre. Und dass man mal 0:5 bei Viktoria Köln verliert, bei einem Verein mit dem wahrscheinlich zehnfachen Etat, kann passieren.
Wie groß ist denn der BSC-Etat?
Mazurkiewicz: Für den gesamten Verein rund 750 000 Euro, für die erste Mannschaft samt Stab gut die Hälfte. Das ist definitiv einer der kleinsten Etats in der Regionalliga.
Wieviel braucht man, um in die 3. Liga aufsteigen zu können?
Mazurkiewicz: Bei denen, die nur ordentlich mitspielen, liegt der Mittelwert, denke ich, bei anderthalb bis zwei Millionen. Aber Aufstieg? Weiß gar nicht, vielleicht fünf Millionen. Da sehen Sie den Unterschied zu uns. Ich behaupte, in Deutschland gibt es nicht viele Vereine, die ihr Geld effizienter einsetzen.
Lohnt sich die 3. Liga finanziell?
Mazurkiewciz: Fußball lohnt sich nie. Sich lohnen, das heißt, ich mache etwas mit Gewinn. Fußball mache ich nicht mit Gewinn. Es sei denn ich arbeite für Manchester City. Wir sind Beschaffungsorganisationen. Wir beschaffen so viel Geld wie möglich und geben es aus.
Immerhin gibt es in der 3. Liga 800 000 Euro Fernsehgeld.
Mazurkiewicz: Das deckt die Kosten für die Berufsgenossenschaft.
Im Sportpark wurden vor einiger Zeit Flutlicht und Anzeigetafel installiert. Reicht die Infrakstruktur, um höhere Ziele anzustreben?
Mazurkiewicz: Das Stadion ist weniger das Problem. Wenn die Stadt will, dass hier attraktiver Fußball gespielt wird, fängt das mit den Trainingsbedingungen an und hört mit der Geschäftsstelle auf. Das sind Dinge, die andere Vereine vor 10, 15 Jahren angegangen sind. Auf der Geschäftsstelle haben wir gar nicht so viele Arbeitsplätze wie wir Arbeit haben. Wir müssen übereinander sitzen. Wahrscheinlich sind wir in unserer Liga ganz gut mit Sprockhövel zu vergleichen. Ich behaupte, wir sind der einzige Verein in Deutschland, der auf dem Level Fußball spielt und nicht mal eine Heimat, ein Vereinsheim hat.
Schmitz: Hinter unserem Trainingsplatz am Mondorfer Bach, auf der Werferweise, da muss ein Kunstrasen hin.
Zillken: Wenn’s die ganze Zeit regnet, können wir auf Naturrasen nicht ordentlich trainieren. Ich habe den Trainingsplan für den Winter schon fertig, aber ich weiß nicht, wo wir hinkönnen. Wir müssen wieder betteln. Letzten Winter haben uns die Witterschlicker gottseidank einen halben Kunstrasenplatz zur Verfügung gestellt. Da habe ich mich aufrichtig bedankt und den Spielern gesagt: Bringt die Tore genau dort wieder hin, wo ihr sie herhabt. Haben sie auch gemacht. Wenn einem so geholfen wird, muss man sich benehmen. Keine Ahnung, wohin es uns diesmal im Winter verschlägt.
Ist das einzigartig in der Regionalliga?
Mazurkiewciz: Ich würde behaupten, in ganz Deutschland.
Sind Sie mit den Zuschauerzahlen zufrieden?
Mazurkiewicz: Wir haben bisher rund 1200 im Schnitt, das ist mehr als doppelt so viel wie letzte Saison. Mehr konnte man nicht erwarten. Und Vereine wie Essen oder Aachen waren ja noch nicht hier. Was mich auch freut: Die gute Stimmung, das sagen viele.
Was ist der nächste Schritt, den Mannschaft und Verein tun müssen?
Zillken: Den Club in der Regionalliga etablieren. Wiedenbrück ist jetzt sieben Jahre in der Regionalliga, die sind etabliert. Und wenn wir noch weiter kommen wollen, brauchen wir die Hilfe der Wirtschaft.
Nach dieser guten Hinrunde werden die Unternehmen doch Schlange stehen, um dem BSC zu helfen.
Mazurkiewicz: Was den Mittelstand angeht, können wir im Moment nicht mehr erwarten. Da sind wir von 50 auf über 100 Sponsoren gewachsen. Wir bekommen Gespräche. Unternehmen bringen andere Unternehmen mit. Aber es handelt sich um den Mittelstand, nicht um Konzerne.
Wie können Konzerne gewonnen werden?
Mazurkiewcz: Da darf es nicht nur um den Fußball der ersten Mannschaft gehen. Es muss um unsere Jugendarbeit gehen, die außerhalb Bonns extrem wahrgenommen wird, und um unsere sozialen Aktivitäten. Das ist ein Paket. Wir wollen ein Aushängeschild sein. Einige größere Unternehmen fragen durchaus, was wir so alles tun. Wenn wir bodenständig bleiben und glaubhaft vermitteln, dass wir keine Schulden machen, wird eines Tages eine Tür aufgehen.
Dirk Mazurkiewicz (44) ist seit Juni 2015 BSC-Präsident; Trainer Daniel Zillken (49) arbeitet seit der Saison 2014/15 in Bonn;Thomas Schmitz (36) hatte bereits ein Jahr zuvor als Sportlicher Leiter im Sportpark Nord angefangen.