2024-04-16T09:15:35.043Z

Allgemeines

"Im Abstiegskampf eigentlich nichts zu suchen"

Interview: Semih Altun vom TuS Asterlagen spricht über Vorurteile, Berichterstattung und erhebt auch Vorwürfe gegen den FC Meerfeld

Der 24-jährige Semih Altun ist beim TuS Asterlagen aktuell nicht nur Spieler. Da er verletzungsbedingt lange pausieren musste, hat der Soziologie-Student in den vergangenen Jahren auch al Co-Trainer und Absteilungsleiter fungiert. Die aktuelle Funktion als Fußballobmann wird er zugunsten des Sports zum Saisonende in andere Hände geben. Und nicht nur am vergangenen Wochenende hat ihn das eine oder andere geärgert.

Herr Altun, Sie stecken mit dem TuS Asterlagen mitten im Abstiegskampf. Wie schätzen Sie Ihre aktuelle Lage ein?
Semih Altun
Jede Mannschaft aus der Kreisliga A weiß, was für qualitative Spieler der TuS Asterlagen hat. Wir stecken mitten im Abstiegskampf, wo wir eigentlich nichts zu suchen haben. Die Wintervorbereitung war nicht so erfolgreich für uns, was sich heute widerspiegelt. Wir haben in der Rückrunde aus den ersten zehn Spielen nur einen Punkt geholt. So kam es dazu, dass so eine qualitative Mannschaft so schnell im Keller landet. In dieser Saison gibt es in der Kreisliga A keine leichten Spiele oder geschenkte Punkte. Es sind noch vier Spiele zu absolvieren, wir haben alles in der eigenen Hand. Ich denke nicht, dass wir am Ende unter den letzten Drei landen werden. Der Viertletzte wird Relegation spielen, auch da möchten wir nicht landen. Unsere Spieler sind vereint und glauben daran. Unsere Zuschauer unterstützen uns weiterhin. Wir haben einen sehr guten Trainer, der die Mannschaft auf die letzten vier Spiele gut vorbereitet. Daher denke ich, dass unsere aktuelle Lage sich verbessern wird.

Am Sonntag haben Sie es mit dem VFB Homberg II zu tun, dem aktuell Sechsten der Tabelle. Macht es da Mut, dass die Heimbilanz Ihrer Mannschaft nicht so schlecht ist?
Altun Wir haben am vergangenen Spieltag gegen den FC Meerfeld gezeigt, was wir drauf haben. Wir waren gegen den Tabellenzweiten ganz klar überlegen und die spielbestimmende Mannschaft. So haben wir wichtige drei Punkte geholt. Wenn alle Spieler mit an Bord sind, ist es sehr schwer, gegen den TuS Asterlagen zu punkten. Wenn es bei uns spielerisch nicht klappt, klappt es halt kämpferisch. Der VfB Homberg ist keine schlechte Mannschaft. Wie jeden Gegner werden wir auch die Homberger ernst nehmen und konzentriert an die Sache herangehen. Wir haben auch nicht den Luxus, irgendwelche Ausreden zu suchen. Wir werden nach Homberg fahren, und egal ob auf Asche oder Kunstrasen: die drei Punkte werden wir mitnehmen.

Sie haben sich jüngst darüber geärgert, dass Dinge in Bezug auf Ihre Mannschaft öffentlich falsch dargestellt wurden. Worum geht es da genau?
Altun Fußball ist eine schöne Sportart. Doch manche Menschen verstehen immer noch nicht, dass Fußball nur ein Hobby ist. Bekanntermaßen sind wir eine Mannschaft mit vielen Spielern, die einen Migrationshintergrund haben. Wir hatten am Anfang der Saison vier afrikanische Spieler. Drei dieser Spieler wollten nach der ersten Hälfte der Saison nicht mehr in Deutschland spielen und haben unseren Verein verlassen. Der Grund dafür war, dass sie fast in jedem Spiel "rassistische Beleidigungen" einstecken mussten. Wir leben im 21. Jahrhundert. Dass es immer noch solche Menschen gibt, und die dazu auch noch auf den Fußballplätzen zu finden sind, gibt mir viel zu denken. Aus Erfahrung kann ich sagen, dass dies am meisten in den Vereinen vorkam, wo der Ausländeranteil sehr gering ist. Eine dieser Mannschaften ist der FC Meerfeld. Im Hinspiel sind da bereits einige Sachen passiert. Meine afrikanischen Spieler wurden als "Affen" bezeichnet, wir wurden als "Scheiss Türken" beschimpft, ein Spieler von mir wurde mitten im Spiel zusammengeschlagen, sodass wir die Polizei angerufen haben, um sicher nach Hause zu kommen. Der Staffelleiter Peter Hanisch war als Beobachter da und hat auch als Zeuge für uns ausgesagt, sodass der Spieler, der unseren Spieler zusammengeschlagen hat, zehn Spiele Sperre bekommen hat. Wir als TuS Asterlagen haben nie Vorurteile. Wer jedoch rassistisch ist und sich dementsprechend verhält wird, niemals unser Freund. So wussten wir vor dem vergangenen Spieltag gegen FC Meerfeld, dass es eine heikle Partie wird. Da spielte nicht nur die Vergangenheit eine wichtige Rolle, sondern die jetzige Lage der beiden Mannschaften. Meerfeld spielt um den Aufstieg und Asterlagen um den Klassenerhalt. Es ist absolut normal, dass beidseitige Emotionen im Vordergrund stehen. Da ich aus dem Hinspiel wusste, dass Spieler, Trainer, Betreuer und Zuschauer von FC Meerfeld wieder versuchen werden, meine Spieler mit rassistischen Beleidigungen zu provozieren, hat unser Trainer vor dem Spiel mit jedem Spieler ein Einzelgespräch geführt und denen klipp und klar gesagt, dass sie weghören sollen. Auch unser Vorsitzender hat vor dem Spiel unsere Fans dazu aufgefordert, nur unsere Mannschaft zu unterstützen und die Gegner nicht zu beleidigen. Denn wir möchten nur Fußball spielen und erfolgreich sein. Das was dann am Sonntag veröffentlicht wurde, entspricht nicht der Wahrheit. Ich finde es echt schade, dass der Meerfelder Trainer solche Aussagen gemacht hat. Denn er war derjenige, der am meisten Unruhe von außen reinbrachte. Nach dem wir 2:0 in Führung gegangen sind, hat er nicht nur versucht, meine Spieler zu provozieren, sondern auch unsere Zuschauer. Ich bin sehr stolz auf meine Spieler und Fans, weil diese nicht darauf eingegangen sind. Auch der Linienrichter (Betreuer) von FC Meerfeld, der mich persönlich im Hinspiel als "Scheiss Türke" beschimpfte, versuchte alles, um meine Spieler zu provozieren. Bei einer Konterchance, wo wir mit zwei Mann frei auf den Torwart zuliefen, hob er plötzlich die Fahne hoch, sodass der Schiedsrichter, der die Situation nicht richtig sehen konnte, auf Einwurf entschied, obwohl der Ball einen Meter vor der Linie war. Fünf Minuten später versuchte der unsportliche Linienrichter wieder das Gleiche. Doch diesmal fiel der bis dahin erfolgreiche Unparteiische nicht darauf ein und ermahnte ihn. Gegen diese Person ist nach Äußerungen auch in sozialen Netzwerken bereits eine Anzeige erstattet. Ich kann mit einem ruhigen Gewissen sagen, dass kein Spieler, Betreuer oder Zuschauer von Asterlagen jemanden aus Meerfeld beleidigt hat. Fußball ist eine Sportart, wo es nur einen Sieger geben kann. Wenn eine Mannschaft verliert und somit den Aufstieg verpasst, sollte der Trainer nicht versuchen, den Ruf der Siegermannschaft zu beschädigen. Das ist nicht Sinn der Sache. Wer mich kennt, weiß ganz genau, dass ich immer offen und ehrlich bin. Wenn wir einen Fehler machen bin ich der Erste, der das kritisiert. Was auch noch zu erwähnen ist, ist dass der Ehrenamtsbeauftragte Hans-Dieter Wichert als Beobachter vor Ort war und das, was ich hier erzähle, befürworten kann.

Haben Sie den Eindruck, dass Dinge, die da im Raum stehen, auch mit dem Bild des Vereins in der Vergangenheit zu tun haben?
Altun Über die Vergangenheit kann ich nicht viel erzählen, weil ich erst seit vier oder fünf Jahren in Asterlagen bin. Vorher war ich 15 Jahre beim VfL Rheinhausen. Asterlagen wurde im Jahre 1925 gegründet, ist ein deutscher Verein und gehört zum deutschen Fußballbund. Wir sind gegenüber anderen Vereinen sogar ein Schritt voraus, weil wir ein multikultureller Verein sind. Wir feiern dieses Jahr unseren 90. Geburtstag. Der TuS Asterlagen war schon immer objektiv. Für uns ist es nicht wichtig, was für eine Nationalität oder Religion die Person hat. Wir betrachten alles aus sportlicher Sicht. Ob und warum die Leute Vorurteile gegenüber dem TuS Asterlagen hatten, kann ich nicht beurteilen. Unsere Türe steht für jeden offen. Jeder ist bei uns herzlich willkommen. Das sollte sich jeder einprägen, und sowohl die Mannschaften als auch die Schiedsrichter sollten ohne Vorurteile nach Asterlagen kommen.

Was hat der Verein denn konkret unternommen, um diesem Bild entgegenzuwirken?
Altun Wie gesagt viel getan hat sich aus unserer Sicht nicht viel. Wir sind weiterhin ein deutscher Sportverein. Unser Vorstand arbeitet weiterhin einwandfrei. Die Arbeitsteilung funktioniert super. Wir haben uns in den letzten Jahren sportlich verbessert und unser Bild dadurch noch besser präsentiert. Wir haben viele qualitativ gute Spieler nach Asterlagen geholt, und das hat sich dann auch ausgewirkt. Zudem haben wir den Zuschauern, die bis dahin negativ aufgefallen, Hausverbot erteilt, sodass von außen keine Unruhe mehr reinkommt. Das erste Jahr nach dem "Aufmischen" war sehr schwer für uns. Wir haben versucht, allen klar zu machen, dass wir aus sportlicher Sicht nicht mehr der alte TuS Asterlagen sind. So wurden wir im zweiten Jahr für unsere Bemühungen belohnt und sind als Meister der Kreisliga B in die Kreisliga A aufgestiegen. Dazu wurden wir vom Staffelleiter Kurt Hanz geehrt, weil wir die fairste Mannschaft der Liga geworden sind. So haben wir das alte Bild von Asterlagen aus den Gedächtnissen gelöscht und das neue Bild zur Erscheinung gebracht. Doch unser Ziel haben wir noch nicht erreicht. Wir haben noch einige Ziele, die wir verfolgen. An erster Stelle steht eine neue Platzanlage.

Es hat ja auch schonmal einen Fall gegeben, bei dem sich der Vorwurf später so nicht halten ließ, der Ihrem Team da gemacht wurde.
Altun Ja, das war in der vergangenen Saison gegen den SC Rheinkamp. Es war die 90. Minute, wir führten 3:2. Wir haben in der Saison oben mitgespielt und Rheinkamp um den Klassenerhalt gespielt. Plötzlich hat jemand eine Glasflasche auf dem Platz geworfen und ist sofort abgehauen. Das war von dem Täter sehr geschickt gemacht, weil er sich hinter dem Asterlager Zuschauern platziert hat und von dort aus seine Tat fortgesetzt hat. So hat jeder nach dem Spiel geschrieben, dass es ein Zuschauer von Asterlagen war. Das Spiel sollte 3:0 für Rheinkamp gewertet werden und der TuS Asterlagen sollte eine Geldstrafe bekommen. Nach den ganzen Ermittlungen wurde dann klar, dass Asterlagen nichts damit zu tun hatte. Da das Spiel in der 90. Minute abgebrochen wurde und wir 3:2 geführt hatten, sollte das Spiel nach den ganzen Ermittlungen 3:2 für uns gewertet werden. Doch dann hat der FVN entschieden, das Spiel zu wiederholen, und wir haben 4:1 gewonnen. So haben wir allen die richtige Antwort gegeben.

Zum Abschluss noch eine Frage zur Zukunftsplanung. Wenn Sie mit dem TuS jetzt die Klasse halten, was schwebt dem Verein dann im Hinblick auf die neue Saison vor?
Altun Wir haben uns bereits mit dem Vorstand und Trainergespann zusammengesetzt. Egal, wie die Saison für uns endet: Wir werden aus unseren Fehlern lernen und das in der nächsten Saison besser machen. Wir werden abwägen, was wir in dieser Saison gut und was schlecht gemacht haben. Auch wenn wir den Klassenerhalt schaffen, kann ich nicht von einer guten Saison für uns sprechen. Wie am Anfang erwähnt sind wir eine gute Mannschaft und müssen eigentlich oben mitspielen. Wenn wir den Klassenerhalt schaffen, werden wir in der nächsten Saison alles richtig machen und wieder oben mitspielen, wo der TuS Asterlagen auch hingehört. Schaffen wir den Klassenerhalt nicht, ist es eine Lehre für uns. Doch jeder weiß, dass es nicht gerecht wäre, wenn der TuS Asterlagen absteigen würde. Denn eine Mannschaft mit so vielen guten Spielern darf nicht absteigen. Wir haben viele Fehler gemacht, die wir nicht mit in die nächste Saison mitnehmen möchten. Des Weiteren werden wir uns von einigen Spielern trennen, wo wir der Meinung sind, dass sie uns nicht weiterbringen. Dabei spielt für uns die Disziplin eine große Rolle. Ich wünsche allen Mannschaften viel Glück. Möge die bessere Mannschaft den Klassenerhalt schaffen. Auch den Mannschaften, die um den Aufstieg spielen, wünsche ich viel Glück. Ich denke, dass wir auch da eine wichtige Rolle spielen werden, weil wir gegen die oberen Mannschaften spielen werden. Zudem wünsche ich allen Schiedsrichtern viel Glück, die ebenfalls eine wichtige Rolle spielen. Wir sollten die Schiedsrichter, die gutmütig und objektiv sind, mehr unterstützen und nicht vergessen, dass sie alleine auf dem Spielfeld stehen und von außen keine Unterstützung haben. Eins möchte ich allen nochmals deutlich machen: Fußball ist nur eine Sportart, wo wir alle Spaß dran haben sollten. Fußball verbindet Menschen und Kulturen miteinander. Rassismus hat daher nichts auf dem Fußballplatz zu suchen. Das sollten wir alle im Hinterkopf behalten.

Aufrufe: 016.5.2015, 09:59 Uhr
FuPaAutor