2024-04-23T13:35:06.289Z

Kommentar

Ihr habt die Wahl: Ja oder Ja

Der Wunsch nach einer Ligareform ist richtig +++ Der aktuelle Weg ist fraglich

Verbandsliga und Landesliga mit je 16 Mannschaften - so schnell wie möglich! Das ist das Ziel des neuen FSA-Vorstandes um Präsident Erwin Bugar. Was die Vorgänger verpasst haben, will man nach den Neuwahlen in Magdeburg umgehend korrigieren. Die Chefsache des neuen Präsidenten, sozusagen. Alle Vereine müssen dieser Reform zustimmen - das war die klare Information der Rechtsabteilung. Jetzt gibt es zwei Abweichler. Die Reform droht zu kippen - doch sie darf es offenbar nicht.

Nach Medieninformationen haben zwei der 45 befragten Vereine der Reform nicht zugestimmt. Die SG Herrengosserstedt und Blau-Weiß Brachstedt wurden dabei überraschend deutlich beim Namen genannt. Unabhängig der inhaltlichen Entscheidung entsteht hier ein ganz komisches Gefühl: Die Abweichler werden öffentlich an den Pranger gestellt. Kein Verhandeln hinter verschlossenen Türen, kein Diskutieren am Telefon. "Seht her, diese beiden Vereine versalzen uns allen die Suppe", so kann man es lesen. Und so lesen es viele.

Es sollte ein demokratischer Prozess sein, bei dem alle Vereine ihre Stimme abgeben sollten. Die Satzung will, dass die Entscheidung einstimmig erfolgen muss. 100 Prozent! Ein offener Ausgang dieser Umfrage scheint jedoch nicht gewünscht. Die Ligareform muss kommen! Abweichler darf es nicht geben. Sie müssen umgestimmt werden. "So wie es aussieht, werden die zwei wohl noch einknicken", heißt es hinter vorgehaltener Hand. Denn so richtig als Buhmann will man auch in Herrengosserstedt und Brachstedt nicht dastehen. Am Montag will der Verband bei einem Pressetermin über die Entscheidung berichten. Gut möglich, dass es die beiden Nein-Stimmen dann nicht mehr gibt und die Reform doch noch kommt. "Die Abgabefrist ist zwar vorbei, aber vielleicht kann man sich ja doch noch annähern", wird FSA-Pressesprecher Volkmar Laube in der MZ zitiert. Jeder darf nein sagen, aber nicht dabei bleiben. Ein interessantes Demokratie-Verständnis.

Zur Sache: Auch ich unterstütze die Ligareform, und je schneller desto besser. Aber der Verband selbst hat mehrfach betont, dass dazu die Zustimmung aller betroffenen Vereine notwendig sei. Und ein demokratischer Prozess beinhaltet nun einmal die Gefahr, dass nicht das gewünschte Ergebnis herauskommt. Der Vorstand des Schönebecker SC musste diese Erfahrung vergangenen Freitag machen: Beide Vereine in Schönebeck wollten die Fusion, doch die Mitglieder stimmten nicht einheitlich genug dafür.

Und das Argument der Brachstedter, dass der Verband erst einmal den Terminplan überdenken soll, ehe er sich in den Ligen auf den 16er-Schlüssel festlegen will, ist angesichts des aktuellen Wetterchaos nicht von der Hand zu weisen. Es gibt genug Vereine und auch Staffelleiter, die sich eine Verkleinerung der Ligen wünschen, sofern eine Verlängerung der Saison in den Sommer hinein nicht möglich ist. Spielausfälle im Februar und Sommerpause im Juli - darüber sollte auch einmal wirklich nachgedacht werden. Der WM-Kalender beeinflusst den Kreisfußball, absurd.

Ein weiterer Punkt, warum sich ein Verein aus dem Liga-Mittelfeld gegen die Reform in dieser Saison ausspricht, wurde noch gar nicht erwähnt. Es ist ein durchaus wichtiger Punkt. Wer aktuell im Mittelfeld der Tabelle steht, wie es Herrengosserstedt und Brachstedt tun, muss kein Interesse haben an einem zusätzlichen Aufstiegsplatz oder einem Abstiegsplatz weniger. Im Gegenteil: So bleibt ihnen die Chance, im kommenden Jahr davon zu profitieren, sollte man dann in der Tabelle oben oder unten anklopfen.

Was wäre, wenn Brachstedt nächstes Jahr auf dem einen Abstiegsplatz landet, der bei einer Ligareform zum Klassenerhalt gereicht hätte? Nur weil die Reduktion der Absteiger schon in diesem Jahr gelten würde und nicht in der kommenden Saison? Das Argument der Befürworter, dann komme die Reform eben in der Saison darauf, greift daher gerade nicht. Es kehrt sich sogar um: Mittelfeld-Teams der laufenden Saison haben erst recht die Chance, in der neuen Saison von der Reform zu profitieren.

Zugegeben, dass sind Einzelinteressen gegenüber einem übergeordneten Interesse aller Vereine und des Verbandes. Aber es ist nicht verboten, Einzelinteressen zu haben und diese auch zu vertreten. Ob man diese für legitim hält, unterstützt oder kategorisch ablehnt, steht auf einem anderen Blatt. Demokratie bedeutet, dass es unliebsame Entscheidungen gibt.

Aufrufe: 021.3.2013, 17:49 Uhr
Thomas RinkeAutor