2024-04-30T13:48:59.170Z

Interview
Voller Einsatz: Nikolas Klosterhalfen im Dress der Old Dominion University, Foto: Bröhl/Privat
Voller Einsatz: Nikolas Klosterhalfen im Dress der Old Dominion University, Foto: Bröhl/Privat

"Ich will Fußball-Profi werden"

Der ehemalige Angreifer des FC Hennef 05, Nikolas Klosterhalfen, spricht über sein neues Leben in den USA, den College-Fußball und seine Ziele

Herr Klosterhalfen, Ihre ehemaligen Teamkollegen vom FC Hennef bereiten sich derzeit auf eine Aufholjagd in der Fußball-Mittelrheinliga vor. Nach dem Regionalliga-Abstieg im vergangenen Sommer haben Sie hingegen ein neues Kapitel in Ihrem Leben aufgeschlagen und studieren seitdem in Norfolk, einer Stadt im US-Bundesstaat Virginia. Wie ergeht es Ihnen am anderen Ende der Welt?

So richtig kann ich es immer noch nicht begreifen. Ich kann mit Stolz behaupten, dass ich meinen Traum lebe.

Dabei kam das Studienplatz-Angebot recht unverhofft.

Ja, ein paar Scouts haben mich bei einem Regionalliga-Spiel in Hennef beobachtet und mich zu einem so genannten Try-out nach Köln eingeladen. Dort habe ich mit etwa 70 Mitstreitern vorgespielt und die Coaches offenbar überzeugen können.

Warum haben Sie sich letztlich für die Old Dominion University entschieden?

Mein jetziger Trainer, Alan Dawson, war mir vom ersten Gespräch an sympathisch. Außerdem liegt der Campus gleich am Strand. Ein Vollstipendium bekommt man auch nicht alle Tage angeboten. Ich wollte schon immer mal im Ausland studieren, war aber immer an den Fußball gebunden. Plötzlich war die Chance da, beides zu vereinen.

Wie schwer fällt es einem 20-Jährigen, seine vertraute Umgebung zu verlassen?

Natürlich war es ein großer Schritt, aber ich skype regelmäßig mit meiner Familie und Freunden — daher hält sich das Fernweh in Grenzen. Mittlerweile beherrsche ich auch die Sprache und träume sogar schon auf Englisch. In den ersten drei Monaten habe ich nicht mehr als „Yes, of course” über die Lippen gebracht. Den für das Studium notwendigen Toefle-Test (Sprachtest, Anm. d. Red.) hatte ich nicht ohne Grund nur mit Ach und Krach bestanden.

Auch sportlich sind Sie in den USA längst angekommen. Sie spielen in der höchsten College-Liga und wurden in Ihrer Conference sogar zum „Fresh Man of the Year” gekürt.

Für mich persönlich lief es bislang tatsächlich rund. Ich stand nahezu jedes Spiel in der Startelf — das ist nicht selbstverständlich für einen Newcomer. Leider sind wir nach unserem Conference-Titel 2014 diesmal nicht bis in die Playoffs um die Nationale Meisterschaft vorgestoßen.

Was zeichnet den College-Sport aus?

Die große Begeisterung. Man ist stolz, seine Universität repräsentieren zu dürfen. Natürlich sind die Footballer auf dem Campus die Könige, aber gleich hinter ihnen und den Basketballern kommen schon wir Fußballer. Man bekommt hier alles zu Füßen gelegt.

Inwiefern?

Die Rahmen- und Trainingsbedingungen sind einfach phänomenal. Auch die Professoren nehmen sehr viel Rücksicht auf dich, denn der Sport am Campus hat oberste Priorität.

Wird im Gegenzug viel erwartet?

Ja, die Coaches sind sehr streng. Überhaupt wird alles ganz genau überwacht. Auch Drogen- und Dopingtests werden wöchentlich durchgeführt. Zum Glück herrscht kein Alkoholverbot — obwohl ich in den USA ja eigentlich ohnehin noch gar nicht trinken dürfte.

Derzeit befinden Sie sich in der Off-Season; die neue Runde beginnt erst wieder im August. Bleibt jetzt mehr Zeit für das typische Studenten-Leben, wie man es aus den College-Filmen kennt?

Schon, aber ich studiere ja auch noch Psychologie und halte mich darüber hinaus körperlich weiterhin fit. Mein ganzes Leben spielt sich eigentlich auf dem Campus ab.

Wie empfinden Sie das Niveau in der höchsten amerikanischen College-Liga?

Spielerisch kann man es ganz gut mit der A-Junioren-Bundesliga vergleichen. Darüber hinaus spielt die Physis eine große Rolle. Das Spiel ähnelt stark dem englischen Fußball. Während der Saison wird täglich bis zu vier Stunden trainiert — nicht zuletzt auch im Fitnessstudio.

Kommen Ihre Stärken, die Schnelligkeit und das Dribbling, überhaupt zum Tragen?

Das schon, aber ich habe viel an meiner Physis arbeiten müssen. In den ersten Wochen habe ich mich von 72 auf 80 Kilo hochgekämpft.

Das zeugt von großem Ehrgeiz — wie ehrgeizig sind denn Ihre Ziele?

Ich will schon Profi werden und in der Major League Soccer (MLS, höchste Spielklasse, Anm. d. Red.) spielen. Der Weg dorthin führt in der Regel übers College, weil es hier keine Nachwuchsmannschaften gibt und sich der Amateur-Leistungssport hauptsächlich am College abspielt.

In der MLS spielen Stars wie Kaká oder Andrea Pirlo. Wie wahrscheinlich ist es, dass Sie einmal neben solchen Idolen auf dem Platz stehen?

Machbar ist alles. Erst vor kurzem wurde mit Michael Nelson ein Studienkollege von mir zum Seattle Sounders FC gedraftet. Jetzt spielt er mit Nelson Valdez in einer Mannschaft.

Die Spiele der MLS sind gut besucht. Wie groß ist das Zuschauerinteresse im College-Fußball?

Zu unseren Topspielen kommen bis zu 3000 Fans. Das ist aber nichts im Vergleich zum College-Football; Studien-Kumpels von mir haben in Michigan vor über 100000 Zuschauern gespielt.

2019 haben Sie im Idealfall den Bachelor in der Tasche. Geht es dann zurück in die Heimat?

Ich kann mir vorstellen, in den USA einen Master dranzuhängen, aber auch in Deutschland. Vielleicht bleibe ich auch ganz hier, wenn ich einen Job finde — oder Fußball-Profi werde.

Das Gespräch führte Tim Miebach

Aufrufe: 06.2.2016, 09:00 Uhr
Kölner Stadt-Anzeiger / Tim MiebachAutor