2024-05-08T14:46:11.570Z

Interview der Woche
"Du kannst die beste Abwehr der Welt haben, wenn vorne die Dinger nicht gemacht werden, fängst Du irgendwann die Tore", analysiert Kittl eines der Mombacher Hauptprobleme.
"Du kannst die beste Abwehr der Welt haben, wenn vorne die Dinger nicht gemacht werden, fängst Du irgendwann die Tore", analysiert Kittl eines der Mombacher Hauptprobleme.

"Ich möchte keine riesengroßen Umbrüche"

Neuer Fortuna Mombach Trainer im FuPa Interview der Woche +++ Daniel Kittl spricht über den Abstiegskampf, seine Ziele und eine verstärkte Jugendarbeit als Schlüssel zum Erfolg

MOMBACH. Drittletzter Platz, der schlechteste Angriff der Verbandsliga, und dann ist nach fünfeinhalb Jahren auch noch Thomas Eberhardt weg – die Vorzeichen, unter denen der langjährige Co-Trainer Daniel Kittl (40) sein erstes Amt als Chefcoach aufnimmt, könnten besser sein. Das Urgestein des FC Fortuna Mombach gibt sich dennoch tatendurstig und scheint vor Ideen, wie es mit dem Verein weitergehen soll, förmlich überzusprudeln. Außerdem gibt es ja auch noch die Aussagen seines Vorgängers zu besprechen. Viel Stoff also für's „Interview der Woche“.

Daniel, die ersten Trainingseinheiten als Chef hast Du hinter Dir. Ein völlig neues Gefühl?

Eigentlich nicht. Nach fünfeinhalb Jahren als Co-Trainer ist es etwas anderes, aber nichts völlig neues. Als der Cheftrainer mal nicht da war, als Co-Trainer ein Spiel zu leiten, das war mit Anspannung verbunden, aber die ist momentan noch nicht da. Ich bin ja schon ein bisschen länger im Geschäft. Man muss allerdings sehen, wie es sich entwickelt, denn bis Sommer werde ich definitiv keinen Co-Trainer haben. Es wird also sicher mehr Arbeit sein als bisher. Aber unser Betreuer Uwe Köth ist zurückgekommen, darüber sind wir alle froh. Man konnte kaum auf ihn verzichten. Ihn werde ich auch sportlich mehr einbinden als bisher.

Der Start in den ersten Job als Hauptverantwortlicher hätte einfacher ausfallen können. Dein früherer Chef wirbt mit Jens Eberhardt, Vladimir Borovskij und Andreas Steinhauer kurz vor knapp noch drei Spieler ab, darunter in Jens zumindest ein Stammspieler. Eine böse Überraschung?

Nein, auf keinen Fall. Diese drei Spieler hatten schon kurz vor der Jahreswende Andeutungen gemacht, dass es Vereine gibt, die sie haben möchten, aber dass sie auch gern bleiben würden. Ich hatte daher auch fest mit ihnen gerechnet, daher war ich natürlich schon enttäuscht, als sie nun doch wechseln wollten. Aber wir wollen ihnen keine Steine in den Weg legen, wir hatten ja auch eine schöne Zeit zusammen. Es ist blöd, aber so ist es eben im Geschäft.

17 Feldspieler, dazu ein Unterbau, der in der C-Klasse kickt – der Kader ist sehr eng bestückt, es darf im Prinzip niemand mehr ausfallen. Ein Wagnis?

Musa Jamali bekommen wir schon zum ersten Punktspiel frei, da bin ich optimistisch. Dann haben wir 18 Feldspieler und drei Torhüter, das reicht vollkommen für die Verbandsliga. In der zweiten Mannschaft sind auch zwei, drei Mann drin, die zur Not nachrücken könnten, aber nicht zwei-, drei Mal in der Woche trainieren können. Aber unser Wunsch war ja, den Kader zu verkleinern. Es passt!

Was muss sich perspektivisch ändern?

Ohne A-Jugend, mit rückläufiger Mitgliederzahl und einer Zweiten, die so da steht, können wir auf Dauer nicht mithalten. Davor habe ich schon länger gewarnt, aber jetzt bin ich in einer Position, in der ich auch etwas durchsetzen kann. Das Ziel muss sein, im Sommer eine A-Jugend zu stellen. Dabei will ich mit meinem Netzwerk helfen. Die Strukturen, die bei uns fehlen, will ich einführen – auch wenn sich das vielleicht erst bemerkbar macht, wenn ich schon gar nicht mehr da bin, muss man damit anfangen. Zudem besteht die Abmachung, dass Spieler, die bei uns nicht zum Einsatz kommen, in der Zweiten aushelfen. Das funktioniert bei anderen Vereinen ja auch und soll ein Zeichen an den ganzen Verein sein, dass es Veränderungen geben wird. Ich bin kein Interimstrainer, der Verein plant über den Sommer hinaus mit mir, egal ob in der Verbands- oder der Landesliga. Das Zeichen ist, dass alle zusammenrücken müssen.

Mit sechs Punkten Rückstand auf das rettende Ufer steht ihr mit dem Rücken zu Wand. Dabei war doch von so viel Talent im Team die Rede. Wie konnte es dazu kommen?

Viele Dinge sind zusammengekommen. Die Talente haben wir auf jeden Fall, es ist eine super-tolle Mannschaft. Und die wichtigen Spieler sind ja geblieben. Das Hauptproblem war die Offensive. Du kannst die beste Abwehr der Welt haben, wenn vorne die Dinger nicht gemacht werden, fängst Du irgendwann die Tore. Jetzt haben wir uns so verstärkt, dass wir vorne deutlich stärker sind. Die George-Brüder und Musa Jamali kennen den Abstiegskampf bei uns, sie werden sich schnell integrieren und machen uns besser als bisher.

Du hattest mehrfach anklingen lassen, nicht mit jeder Entscheidung des bisherigen Cheftrainers Thomas Eberhardt zufrieden gewesen zu sein. Aber Du hast nie öffentlich Widerworte gegeben. Was möchtest Du nun anders machen?

Ich möchte keine riesengroßen Umbrüche. Wenn ich irgendwann Spieler aus der A-Jugend in die Zweite und aus der Zweiten in die Erste holen kann, und wenn ich einen gewissen Stamm an Spielern halten kann, dann ist das optimal. Wir haben teilweise in jeder Saison 15 bis 18 Spieler neu geholt, so kann man nichts Beständiges aufbauen. Ich möchte lieber junge Talente holen, die ihre Zeit brauchen, als fertige Spieler. Andere Vereine, die bei uns im Umkreis erfolgreich sind, machen es genau so. Ein B-Jugend-Spieler hat im Moment bei uns keine Zukunft, das ist ein Unding. Daran werden wir arbeiten.

Gibt es weitere Dinge, Mannschaftsführung, Spielphilosophie, Benehmen an der Seitenlinie, wo Du neue Akzente setzen möchtest?

Ich bin natürlich ein ruhigerer Typ, kann aber auch lauter werden und durchgreifen, aber da muss viel passieren. Ich versuche, alles auf normale Weise den Spielern mitzuteilen. Ich glaube, dass ich ein umgänglicher Typ bin, und habe auch kaum mit Schiedsrichtern und anderen Trainern Probleme. Ich bin eben ein anderer Typ. Ob das besser oder schlechter ist, wird man sehen. Aber wenn etwas in die falsche Richtung läuft, kann es schon sein, dass ich schneller etwas härter trainieren lasse, als das bisher der Fall war.

Thomas' Aussagen in Deine Richtung – er wolle „nichts Negatives“ sagen – klangen nicht allzu warmherzig. Hattet Ihr seit der Trennung noch einmal Kontakt?

Ja, hatten wir. Wir hatten ja noch eine Weihnachtsfeier, als die Trennung schon feststand. Da haben wir uns unterhalten. Es stand ja im Raum, dass er im Sommer aufhört, und ich hätte auch lieber im Sommer übernommen. Wir haben uns immer gut verstanden, und ich glaube nicht, dass er mir etwas Böses will.

Was wünschst Du ihm denn?

Ich wünsche ihm alles Gute und viel Erfolg im neuen Verein und freue mich auch, dass er so schnell etwas Neues gefunden hat. Wir sind ja immer noch Trainerkollegen.

Die Außendarstellung der Fortuna war die letzten Jahre über stark von Thomas geprägt, der auch immer wieder gern damit kokettierte, dass er sich von ganz wenigen etwas sagen lässt. Ich fand es zudem zumindest verwunderlich, dass eure sportliche Führung während der Trennung komplett auf Tauchstation ging und die Kommunikation dem Fördervereinschef vorbehalten blieb. Wer gibt nun eigentlich im Klub die Linie vor?

Die Linie geben normalerweise die Verantwortlichen vor, die dafür da sind. Über sie hinweg werde ich niemals Entscheidungen treffen. Wir stehen immer in Verbindung. Klar, vielleicht hört man nach außen hin nicht so viel, aber ich telefoniere täglich mit den Verantwortlichen. Ich möchte mit jedem einen guten Umgang haben, und so funktioniert es jetzt auch. Wenn mit Thomas schon immer eine Harmonie da war, ist sie mit mir erst recht da.

Da war oder da gewesen sein soll?

Die Antwort überlasse ich Dir.

Wie sieht diese Linie denn aus, wo wollt ihr den FC Fortuna Mombach, dem lange der Spitzname „FC Eberhardt“ anhaftete, hinführen?

Uns ist klar, dass wir in unserer Region die Spieler mit der Verbandsliga-Teilnahme anlocken. Im Moment sind wir noch der einzige Mainzer Verein, der in der Verbandsliga spielt. Und wenn wir die Klasse halten sollten, werden wir das wohl auch bleiben – je nachdem, ob man Bodenheim zu Mainz zählt. Landesliga-Vereine haben wir in jedem Fall genug, und da wird es schwer, zu konkurrieren, weil sie momentan noch bessere Strukturen haben als wir. Daher wäre es schon gut, die Liga zu halten. Ich denke, wenn wir jetzt den Abstieg verhindern, werden wir auch auf Dauer die Verbandsliga halten können. Finanziell gibt es keine Probleme, und es gibt so viele Anrufe von Spielern, die zu uns möchten. Ganz klar: Wir zwingen keinen Spieler, zu bleiben. Wir wollen erreichen, dass die Spieler gern bei uns spielen, und dann in aller Ruhe einen Schritt nach dem anderen machen. Wichtig ist auch, nicht mehr durchzudrehen und vom Aufstieg zu reden, wenn wir mal drei, vier Spiele gewinnen.

Der Zuschauerschnitt ist, mit Verlaub, erbärmlich. Sind Maßnahmen geplant, hier etwas zu tun?

Richtig, richtig. Das ist auch eine Sache, die ich unter den langfristigen Zielen verbuche. Wir brauchen mehr ehrenamtliche Helfer – Eltern oder Freunde von Spielern etwa –, die man dazu bewegt, sich zu engagieren oder zumindest als Zuschauer da zu sein. Ich habe dem Verein einige Pläne vorgelegt. Werbung, Veranstaltungen, Feste, Fastnacht – es gibt so viele Möglichkeiten, sich zu zeigen. Oder Turniere. Wir haben nur an einem Hallenturnier teilgenommen und spielen im Sommer lediglich in Waldalgesheim – da könnten wir in Zukunft mehr machen. Den Leuten dann attraktiven Fußball zu zeigen, ist meine Aufgabe und die der Spieler. In der Vergangenheit gab es ja immer wieder Nebenkriegsschauplätze, die verhindert haben, dass wir mit bestimmten Vereinen Freundschaftsspiele austragen. Auch das wird sich ändern, die Türen sind offen.

Wo steht Ihr am Saisonende?

Auf einem Nichtabstiegsplatz!

Aufrufe: 01.2.2017, 12:00 Uhr
Torben SchröderAutor